DER KUNSTMARKT
VOM AMERIKANISCHEN KUNST-
MARKT
In dem in Heft 3 dieser Zeitschrift ab-
gedruckten Bericht über die erstaunliche
Paolini-Versteigerung durch die American
Art Association hat sich ein humoristischer
Druckfehler eingeschlichen. Das sogenannte
„Selbstbildnis Tizians“ ist dort nämlich mit
$92000 als an den Mann gebracht aufgeführt,
gerade nur um die Kleinigkeit einer Null
zu viel. Was will das aber besagen gegen-
über den zwei Nullen, die der unglück-
selige Käufer in harter Münze zu viel für
das Machwerk gezahlt hat?!
Seitdem sind Wochen ins Land gegan-
gen, die Leiter der Association aber haben
offenbar nichts hinzugelernt. Denn eine
neuerliche Versteigerung von Gemälden
„alter Meister“ aus der Joseph Crista-
d o r o - Sammlung, die „repräsentative Ge-
mälde der niederländischen, italienischen
und spanischen Schulen des 15. bis 18. Jahr-
hunderts“ enthielt, wies ganz dieselben Merk-
male auf, denn für diese „Meister“ wurde
ein Durchschnittspreis von noch nicht ganz
$80 erreicht!
Die „Art News“ schreiben in ihrem Leit-
artikel über diese Angelegenheit unter ande-
rem: „Die Kunstwelt wurde vergangene
Woche durch ein Schauspiel in wahre
Trauer versetzt, das aus dem Verkauf von
69 ,alten Meistern4 in den American Art Gal-
leries bestand, die im Durchschnitt nur
$ 19.64 eintrugen, während 22 andere Reprä-
sentative Gemälde4... vom Auktionator gar
völlig übergangen werden mußten, weil
überhaupt niemand für sie ein Angebot
machen wollte...
Wie gewöhnlich, war auch diese Samm-
lung von einem Europäer nach Amerika ge-
bracht worden...
Die Auktionshäuser in New York sind es
der Kunstwelt schuldig, die Nation vor
schlechten Sammlungen von auswärts zu
bewahren, die nur dazu geeignet sind, das
Publikum zu verwirren und abzuschrecken.“
Die „Art News“ haben vollkommen recht,
und das Interesse der europäischen Kunst-
welt ist genau das gleiche, denn durch das
Aufdenmarktwerfen von elender Ausschuß-
ware seitens skrupelloser europäischer
Händler wird der hiesige schon so über-
füllte und schwer ringende Markt nur noch
mehr herabgedrückt und neue Käufer wer-
den abgeschreckt.
Obwohl es mit dem Verkauf bedeutender
Gemälde noch immer recht langsam geht,
sind doch einige größere Verkäufe bekannt
geworden, die darauf schließen lassen, daß
die fast völlige Stagnation zu Ende ist. So
wurde gemeldet, daß Mr. C. B. Lihme in
New York von Messrs. Knoedler die „Lomel-
lini Familie“ von van Dyck um, wie es
heißt, $ 200000 erworben habe. Es war das
letzte „Cattaneo-Bildnis“ des Meisters, das
die Firma noch von ihrem vorkrieglichen
sensationellen Ankauf dieser Gruppe aus
der Genueser Zeit van Dycks übrig hatte.
Ein anderer Sammler, ein reicher Seiden-
fabrikant, hatte das Glück, einen durch die
Hände der Firma Bottenwieser gegangenen
van Dyck aus der Genueser Zeit von außer-
ordentlicher Schönheit um noch nicht ein-
mal das Viertel dieser Summe zu erstehen.
Überhaupt war die Firma Bottenwieser im-
stande, während dieser Saison, dank ihrer
sehr entgegenkommenden Preise, bedeu-
tende Werke, ja sogar einen Vermeer van
Delft — das neuentdeckte Frauenbildnis —
dann einen Hobbema und anderes hier ab-
zusetzen.
* *
*
D uv eens haben wieder einmal einen
Riesenankauf gemacht und aus dem Besitz
des Earl Spencer sechs seiner Hauptge-
mälde um den fabelhaften Preis von ein
und einer halben Million Dollars entführt.
Die Summe wird ja wohl wie die meisten,
die man hier zu lesen bekommt, etwas zu
dividieren sein, ist aber sicher eine sehr
hohe gewesen. Es handelt sich um einen
Frans Hals, das Porträt eines sitzenden
Mannes aus dem Jahre 1626, einen vanDyck,
„Dädalus und Icarus“, noch unter dem Ein-
fluß von Rubens stehend; drei Reynolds,
die Herzogin von Devonshire, die Gräfin
Spencer und die Lady Camden darstellend,
und Gainsboroughs „Georgiana, Herzogin
von Devonshire“.
* *
*
Die Firma Reinhardt, der sich schon
Böhler und Cassirer angeschlossen hat-
ten, scheint eine große Anziehungskraft auf
deutsche Kunsthändler auszuüben, denn
nun hat sich auch das bekannte Frankfurter
Haus Goldschmidt, das bisher seine
eigene New Yorker Filiale unterhielt, ihr
assoziiert. Wohl auf den Einfluß Cassirers
vor allem ist es zurückzuführen, daß man
eine eigene Abteilung für die Moderne ein-
gerichtet hat, in der u. a. auch Kokoschka
zu Worte kommen soll. Zur Leitung dieses
Zweiges hat man Mrs. Adeline L. At-
waterberufen, die bisher für die New Gal-
leries tätig gewesen war. F.
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VOM AMERIKANISCHEN KUNST-
MARKT
In dem in Heft 3 dieser Zeitschrift ab-
gedruckten Bericht über die erstaunliche
Paolini-Versteigerung durch die American
Art Association hat sich ein humoristischer
Druckfehler eingeschlichen. Das sogenannte
„Selbstbildnis Tizians“ ist dort nämlich mit
$92000 als an den Mann gebracht aufgeführt,
gerade nur um die Kleinigkeit einer Null
zu viel. Was will das aber besagen gegen-
über den zwei Nullen, die der unglück-
selige Käufer in harter Münze zu viel für
das Machwerk gezahlt hat?!
Seitdem sind Wochen ins Land gegan-
gen, die Leiter der Association aber haben
offenbar nichts hinzugelernt. Denn eine
neuerliche Versteigerung von Gemälden
„alter Meister“ aus der Joseph Crista-
d o r o - Sammlung, die „repräsentative Ge-
mälde der niederländischen, italienischen
und spanischen Schulen des 15. bis 18. Jahr-
hunderts“ enthielt, wies ganz dieselben Merk-
male auf, denn für diese „Meister“ wurde
ein Durchschnittspreis von noch nicht ganz
$80 erreicht!
Die „Art News“ schreiben in ihrem Leit-
artikel über diese Angelegenheit unter ande-
rem: „Die Kunstwelt wurde vergangene
Woche durch ein Schauspiel in wahre
Trauer versetzt, das aus dem Verkauf von
69 ,alten Meistern4 in den American Art Gal-
leries bestand, die im Durchschnitt nur
$ 19.64 eintrugen, während 22 andere Reprä-
sentative Gemälde4... vom Auktionator gar
völlig übergangen werden mußten, weil
überhaupt niemand für sie ein Angebot
machen wollte...
Wie gewöhnlich, war auch diese Samm-
lung von einem Europäer nach Amerika ge-
bracht worden...
Die Auktionshäuser in New York sind es
der Kunstwelt schuldig, die Nation vor
schlechten Sammlungen von auswärts zu
bewahren, die nur dazu geeignet sind, das
Publikum zu verwirren und abzuschrecken.“
Die „Art News“ haben vollkommen recht,
und das Interesse der europäischen Kunst-
welt ist genau das gleiche, denn durch das
Aufdenmarktwerfen von elender Ausschuß-
ware seitens skrupelloser europäischer
Händler wird der hiesige schon so über-
füllte und schwer ringende Markt nur noch
mehr herabgedrückt und neue Käufer wer-
den abgeschreckt.
Obwohl es mit dem Verkauf bedeutender
Gemälde noch immer recht langsam geht,
sind doch einige größere Verkäufe bekannt
geworden, die darauf schließen lassen, daß
die fast völlige Stagnation zu Ende ist. So
wurde gemeldet, daß Mr. C. B. Lihme in
New York von Messrs. Knoedler die „Lomel-
lini Familie“ von van Dyck um, wie es
heißt, $ 200000 erworben habe. Es war das
letzte „Cattaneo-Bildnis“ des Meisters, das
die Firma noch von ihrem vorkrieglichen
sensationellen Ankauf dieser Gruppe aus
der Genueser Zeit van Dycks übrig hatte.
Ein anderer Sammler, ein reicher Seiden-
fabrikant, hatte das Glück, einen durch die
Hände der Firma Bottenwieser gegangenen
van Dyck aus der Genueser Zeit von außer-
ordentlicher Schönheit um noch nicht ein-
mal das Viertel dieser Summe zu erstehen.
Überhaupt war die Firma Bottenwieser im-
stande, während dieser Saison, dank ihrer
sehr entgegenkommenden Preise, bedeu-
tende Werke, ja sogar einen Vermeer van
Delft — das neuentdeckte Frauenbildnis —
dann einen Hobbema und anderes hier ab-
zusetzen.
* *
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D uv eens haben wieder einmal einen
Riesenankauf gemacht und aus dem Besitz
des Earl Spencer sechs seiner Hauptge-
mälde um den fabelhaften Preis von ein
und einer halben Million Dollars entführt.
Die Summe wird ja wohl wie die meisten,
die man hier zu lesen bekommt, etwas zu
dividieren sein, ist aber sicher eine sehr
hohe gewesen. Es handelt sich um einen
Frans Hals, das Porträt eines sitzenden
Mannes aus dem Jahre 1626, einen vanDyck,
„Dädalus und Icarus“, noch unter dem Ein-
fluß von Rubens stehend; drei Reynolds,
die Herzogin von Devonshire, die Gräfin
Spencer und die Lady Camden darstellend,
und Gainsboroughs „Georgiana, Herzogin
von Devonshire“.
* *
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Die Firma Reinhardt, der sich schon
Böhler und Cassirer angeschlossen hat-
ten, scheint eine große Anziehungskraft auf
deutsche Kunsthändler auszuüben, denn
nun hat sich auch das bekannte Frankfurter
Haus Goldschmidt, das bisher seine
eigene New Yorker Filiale unterhielt, ihr
assoziiert. Wohl auf den Einfluß Cassirers
vor allem ist es zurückzuführen, daß man
eine eigene Abteilung für die Moderne ein-
gerichtet hat, in der u. a. auch Kokoschka
zu Worte kommen soll. Zur Leitung dieses
Zweiges hat man Mrs. Adeline L. At-
waterberufen, die bisher für die New Gal-
leries tätig gewesen war. F.
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