Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0982
DOI Heft:
Heft 19
DOI Artikel:Pelka, Otto: Jais Nielsen: ein dänischer Keramiker der Gegenwart
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0982
Ein dänischer Keramiker der Gegenwart
Mit zehn Abbildungen auf drei Tafeln Von OTTO PELKA
DER geduldigste plastische Werkstoff ist unbestreitbar der Ton; darum
wird er auch so oft mißhandelt aus Unverstand und auch aus Übermut.
Für diese zwiefachen Entgleisungen bietet die keramische Plastik vielfach Bei-
spiele, die sich besonders gehäuft haben, seitdem nach dem Kriege in den
kunstgewerblich interessierten Regionen sich eine auffallende Vielgeschäftig-
keit regte. Am meisten verschont geblieben ist noch das Porzellan, bei dem
die Schwierigkeit der Herstellung ein heilsames Korrektiv blieb.
Die Folge der leichten Bearbeitungsmöglichkeiten des Tons war, daß allerlei
fahrendes Volk im weiten Reiche des Kunstgewerbes sich bemüßigt fühlte,
allerlei Stegreifsprüchlein herzusagen, wie es gerade die Mode verlangt. Die
wirklichen keramischen Künstler sind bei uns so selten wie anderswo. Um so
wertvoller ist uns daher jeder einzelne und so erfreulicher ist es, wenn diese
kleine Schar einen Zuwachs erhält, in dem sich persönliches Können unbe-
kümmert um das Tagesgetriebe ausspricht. Ein solcher geborener Keramiker
ist Jais Nielsen. Er kam zur Keramik nicht, obwohl er in einem andern Material
seine malerischen und plastischen Gedanken nicht ebensogut hätte verwirk-
lichen können, sondern weil dieses allein seinem Formwillen ein adaequates
Ziel bot.
Verhältnismäßig spät erst hat sich dem Künstler der Weg gezeigt, auf dem
er sich selbst finden sollte. Er wurde am 23. April 1885 geboren. Nachdem er
von 1907—igio in der Kunstschule des Malers Zartmann in Kopenhagen seine
erste künstlerische Ausbildung erhalten hatte, widmete er sich der Ölmalerei
und interessierte sich besonders für Zeichnung und Komposition. Ein drei-
jähriger Studienaufenthalt in Paris und wiederholte Reisen nach Italien ver-
mittelten ihm nebenher die Bekanntschaft mit der alten Keramik, und seit
dieser Zeit wohl datieren die ersten Absichten, sich mit 'dieser Farben- und
Formenwelt näher zu beschäftigen.
Im Jahre 1915 trat er zu Weihnachten auf einer kleinen lokalen Aus-
stellung in Kopenhagen zum ersten Male mit einigen keramischen Arbeiten
an die Öffentlichkeit. Sie erregten die Aufmerksamkeit weniger durch die
Neuheit ihrer Formen — es waren einfache Schalen und Teller aus gewöhn-
lichem Töpferton —, was sie aus ihrer Umgebung heraushob und sie von allen
Erzeugnisen der keramischen Gegenwart absonderte, waren die Malereien,
die sich von dem durch einen Überguß aus weißem Pfeifenton hergestellten
Malgrunde in einfachen blauen, grünen oder rotbraunen Farben abhoben,
und trotz aller scheinbaren Primitivität in Kolorit und Komposition sich sehr
bewußt gaben.
Diese frühen Arbeiten, die einzelne Kenner sich sofort für ihre Privatsamm-
lungen gesichert haben, sind daher aus der Öffentlichkeit verschwunden. Es
waren auch nur Anfänge, die, wie alle „Incunabeln“ bis zu einem gewissen
Grade Versuche darstellten: Impressionistische Malweise, wie auf einer Schale
mit einer Jonasszene, wechselte mit Kompositionen, deren zeichnerischer
Stil Anklänge an die Antike erkennen läßt; auf einer Deckelvase von ost-
asiatischer Form sind die Darstellungen der Mittelzone des Rumpfes, eine
liegende Eva mit dem Apfel in der Hand und ein sitzender, von der Frucht
950
Mit zehn Abbildungen auf drei Tafeln Von OTTO PELKA
DER geduldigste plastische Werkstoff ist unbestreitbar der Ton; darum
wird er auch so oft mißhandelt aus Unverstand und auch aus Übermut.
Für diese zwiefachen Entgleisungen bietet die keramische Plastik vielfach Bei-
spiele, die sich besonders gehäuft haben, seitdem nach dem Kriege in den
kunstgewerblich interessierten Regionen sich eine auffallende Vielgeschäftig-
keit regte. Am meisten verschont geblieben ist noch das Porzellan, bei dem
die Schwierigkeit der Herstellung ein heilsames Korrektiv blieb.
Die Folge der leichten Bearbeitungsmöglichkeiten des Tons war, daß allerlei
fahrendes Volk im weiten Reiche des Kunstgewerbes sich bemüßigt fühlte,
allerlei Stegreifsprüchlein herzusagen, wie es gerade die Mode verlangt. Die
wirklichen keramischen Künstler sind bei uns so selten wie anderswo. Um so
wertvoller ist uns daher jeder einzelne und so erfreulicher ist es, wenn diese
kleine Schar einen Zuwachs erhält, in dem sich persönliches Können unbe-
kümmert um das Tagesgetriebe ausspricht. Ein solcher geborener Keramiker
ist Jais Nielsen. Er kam zur Keramik nicht, obwohl er in einem andern Material
seine malerischen und plastischen Gedanken nicht ebensogut hätte verwirk-
lichen können, sondern weil dieses allein seinem Formwillen ein adaequates
Ziel bot.
Verhältnismäßig spät erst hat sich dem Künstler der Weg gezeigt, auf dem
er sich selbst finden sollte. Er wurde am 23. April 1885 geboren. Nachdem er
von 1907—igio in der Kunstschule des Malers Zartmann in Kopenhagen seine
erste künstlerische Ausbildung erhalten hatte, widmete er sich der Ölmalerei
und interessierte sich besonders für Zeichnung und Komposition. Ein drei-
jähriger Studienaufenthalt in Paris und wiederholte Reisen nach Italien ver-
mittelten ihm nebenher die Bekanntschaft mit der alten Keramik, und seit
dieser Zeit wohl datieren die ersten Absichten, sich mit 'dieser Farben- und
Formenwelt näher zu beschäftigen.
Im Jahre 1915 trat er zu Weihnachten auf einer kleinen lokalen Aus-
stellung in Kopenhagen zum ersten Male mit einigen keramischen Arbeiten
an die Öffentlichkeit. Sie erregten die Aufmerksamkeit weniger durch die
Neuheit ihrer Formen — es waren einfache Schalen und Teller aus gewöhn-
lichem Töpferton —, was sie aus ihrer Umgebung heraushob und sie von allen
Erzeugnisen der keramischen Gegenwart absonderte, waren die Malereien,
die sich von dem durch einen Überguß aus weißem Pfeifenton hergestellten
Malgrunde in einfachen blauen, grünen oder rotbraunen Farben abhoben,
und trotz aller scheinbaren Primitivität in Kolorit und Komposition sich sehr
bewußt gaben.
Diese frühen Arbeiten, die einzelne Kenner sich sofort für ihre Privatsamm-
lungen gesichert haben, sind daher aus der Öffentlichkeit verschwunden. Es
waren auch nur Anfänge, die, wie alle „Incunabeln“ bis zu einem gewissen
Grade Versuche darstellten: Impressionistische Malweise, wie auf einer Schale
mit einer Jonasszene, wechselte mit Kompositionen, deren zeichnerischer
Stil Anklänge an die Antike erkennen läßt; auf einer Deckelvase von ost-
asiatischer Form sind die Darstellungen der Mittelzone des Rumpfes, eine
liegende Eva mit dem Apfel in der Hand und ein sitzender, von der Frucht
950