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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 10
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Schmidt, Paul Ferdinand: Heinrich Campendonk
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0522

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Mit zehn Abbildungen auf fünf Tafeln

Von PAUL FERD. SCHMIDT

DIE rheinische Heimat hat Campendonk wieder empfangen; zu seinem
Ausgangspunkt, der Vaterstadt Krefeld, hat er heimgefunden. Aber nun
sitzt er abseits der Stadt, weit draußen in seinem schönen und wunderlichen
Hause und arbeitet für sich in seliger Stille und Einsamkeit, wie er seit Jahr-
zehnten schon fern von allem geräuschvollen Treiben nur seiner Arbeit ge-
lebt hatte, in den kleinen Dörfern Sindelsdorf und Seeshaupt am Starnberger
See.
Diese Heimkehr ist nicht oberflächlich zu verstehen. In den vielen Jahren
seiner Abwesenheit am Rande der oberbayrischen Ebene ist er Rheinländer
geblieben wie an dem Tage, da er auszog, von den glänzend aufgehenden
Gestirnen Marcs und Mackes angezogen, nach dem kleinen Sindelsdorf, dem
geistigen Mittelpunkt des „Blauen Reiters“; rheinisch war seine Art schon
bei der frühesten Schulung durch Thorn-Prikker in Krefeld geblieben, und
rheinisch hat sich seine Kunst bewährt in all den Wandlungen, die sie seit-
dem durchgemacht hat. Wer den Einsiedler nach seiner so abweichenden
und gar nicht rheinisch scheinenden Absonderung von heiterer Geselligkeit
beurteilt — die er gleichwohl in engerem Freundeskreise kräftig und an-
mutend zu pflegen weiß — der würde sehr weit fehlgehen. Nicht äußeres
Gehaben bestimmt die Art seiner Kunst, sondern das Wesen ihrer Werke und
ihr sinnlich-geistiger Eindruck.
Und hier hatte sich (im Sommer 1924) der Düsseldorfer Kunstverein ein
höchst lebendiges Verdienst um rheinische, um deutsche Kunst erworben,
als er die erste umfassende und umfangreiche Schau seiner Werke in statt-
lichen Räumen versammelte und so der breiten Öffentlichkeit, im Grunde zum
ersten Male Gelegenheit bot, sich ein Bild von dem Schaffen dieses reif Ge-
wordenen zu machen. Alles, was bisher von Campendonk in deutschen
Städten gezeigt worden ist, war Stückwerk und Ausschnitt aus augenblick-
licher Produktion. Seit Jahren hat er sich zurückgehalten, kaum geringe
Proben seiner Arbeit offenbart. Nun liegt überraschend das Werk seiner
Reifezeit, etwa seit Kriegsende bis zur Gegenwart, vor. Das Zustandekommen
dieser glücklichen Gelegenheit ist vor allem dem tapferen Eintreten von
Walter Cohen und Regierungsrat Niehaus zu danken. (Wer Campendonk
kennt, der weiß auch, daß es schwerlich ohne solche Tatkraft von außerhalb
zu einer repräsentativen Schau vor der Öffentlichkeit gekommen wäre.)
Die rheinische Natur Campendonks — hier erschließt sie sich überzeugend in
ihrer fröhlichen Mannigfaltigkeit. Aber was bedeutet dies, wie kann heute,
wo von europäischer Gesamtkunst schon die Rede ist: wie kann von einem so
kleinen Territorium heute noch der Charakter einer künstlerischen Besonder-
heit ausgehen ?
August Macke, Seehaus und Hans Bolz, diese drei durch den Krieg und
seine Folgen zu früh hingerafften, bedeuten uns teure Reliquien rheinischer
Art, und ihnen schließt sich Campendonk an, der ihr Erbe weiter und frucht-
bringender als Lebender ausgebaut hat. Unzweifelhaft, wenn irgendwo, müs-
sen wir bei diesen gebürtigen Rheinländern aus Bonn, Aachen, Krefeld den
Sinn des Heimatlichen ergründen können. Hier hat, unbeschwert von aka-
demischer trostloser Gleichmacherei und Tradition, sich eine junge Genera-
tion erhoben und in landschaftlicher Besonderheit deutsche Art der jüngsten
 
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