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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 1
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Der Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0084

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VOM AMERIKANISCHEN KUNST-
MA R KT
Es wird soeben bekannt; daß während des
Fiskaljahres 1924 aus Großbritannien allein
Kunstwerke im Werte von etwa 29 Milli-
onen Dollars nach den Vereinigten Staaten
geschickt wurden. Im Fiskaljahr 1923 war
der Gesamtimport aus allen Ländern
etwa 33 Millionen gewesen. Da neben der
Ausf uhr imWerte von 2gMillionen ausEng-
land, die übrigens — nebenbei gesagt — ein
nur zu deutliches Licht auf die finanzielle
Lage dieses Landes und seines Kunstmark-
tes wirft, n-och gradezu massenhaft Kunst-
ware aus Frankreich, Italien, Spanien, Bel-
gien und sicher auch Deutschland auf den
hiesigen Markt gebracht wurde, so ist es
sicher, daß die Einfuhr noch immer im
Steigen begriffen ist. Dabei wäre es falsch,
zu sagen, daß die augenblickliche Lage hier
derart sei, daß ein Absorbieren dieser Mas-
sen auch nur entfernt möglich wäre, ohne
den hiesigen Markt und die sowieso schon
arg gedrückten Preise zu beeinträchtigen.
Wie gedrückt diese sind, das ist ja auch in
vielen Fällen wieder in den auf den Auk-
tionen erzielten Werten nur zu deutlich
zum Ausdruck gekommen. Wenn z. B. ein
van Goyen, den Waagen einst der Bespre-
chung wert hielt, ganze $ 300, noch dazu
auf einer ziemlich wichtigen Versteigerung,
bringt und ein solcher Preis ist keines-
wegs eine Einzelerscheinung —, so kann
man von einem „gesunden Markt“ nicht
sprechen. Jedermann scheint geglaubt zu
haben, daß diese Saison Amerika einen un-
geheuren Aufschwung bringen werde, und
jeder wollte sein gehörig Teil davon haben'.
Nur daraus läßt sich das Zuströmen zahl-
reicher Händler aus aller Herren Länder,
jeder mit Kisten und Kasten schwer be-
packt, erklären. Und diese Herrschaften
glauben noch dazu ihre Waren hier inner-
halb weniger Wochen an den Mann zu
bringen, wiewohl sie meist weder den hie-
sigen Markt noch die Kunden kennen, die
für ihre Schätze in Betracht kommen. Und
selbst wenn sie sich deren Namen und
Adresse verschafft haben, wissen sie doch
nicht, sie psychologisch richtig zu be-
handeln, sondern verderben sich meist ein
etwa mögliches Geschäft durch zu großes
Drängen und allerlei dem hiesigen Gebrauch
nicht entsprechende Forderungen wie un-
mittelbare Barzahlung und ähnliches. Das
Resultat ist dann auch meist danach. Wer
den hiesigen Boden nicht kennt und nicht
an das glaubt, was ihm so und so oft vor-

gepredigt worden ist, der komme wenigstens
erst mal auf eine Auskunftsreise her, um
sich selber umzusehen und das Terrain ken-
nen zu lernen. Auf einer solchen Grundlage
wird sich später dann vielleicht bauen las-
sen.. Aber Übereile ist hier vom Übel und
führt nur zu Verlusten und schweren Ent-
täuschungen.
Es. ist wahr, es schien sich ein Auf-
schwung vorzubereiten, und es besteht
auch die Hoffnung, daß es mit der Zeit bes-
ser werden wird. Momentan aber ist das
bisher ja fast nur aus Börsenspekulationen
ziemlich wilder Art gewonnene Geld doch
noch in den Händen ganz weniger und dann
noch keineswegs flüssig geworden. Es rollt
noch nicht. Und so könnte es durchaus
möglich sein, daß erst von nächster Saison
ab eine wirklich fühlbare Besserung ein-
treten wird. Dann wird sich alles mehr kon-
solidiert haben, die Reichen und Reichge-
wordenen werden wieder Interesse für an-
deres als nur neue Spekulationen usw. be-
kommen, das Geld wird in weiteren Krei-
sen kursieren, und so wird, auch psycholo-
gisch, sich ein für den Kunsthandel günsti-
geres Milieu herausbilden. Aber es heißt
eben Geduld haben. Man bedenke doch
auch, daß hier, im Gegensatz zu Europa,
der kunstliebende und für Kunstbedürfnisse
auch opferbereite Mittelstand noch fast völ-
lig fehlt, was den Markt schon quantitativ
natürlich sehr einschränkt. Oft ist das an
dieser Stelle im Laufe der letzten Jahre be-
tont worden. Es scheint aber, als ob es
nicht oft genug wiederholt werden könne.
Darum ist es gut, daß vonZeit zu Zeit Kron-
zeugen erscheinen, die aus eigner Ansicht
nur bestätigen, worauf hier so oft schon
hingewiesen worden ist.
So ist jetzt Geheimrat Friedländer
auf einer Kunstreise herübergekommen1, und
nichts ist ihm, wie er mir sagte, so aufge-
fallen wie eben dieses Fehlen eines kunst-
liebenden und kunsterwerbenden Mittel-
standes. Sein geschultes Auge fand auch
bald heraus, wie sehr hier alles im Kunst-
sammeln nach der Mode geht. Augenblick-
lich sind, neben den wenigen ganz großen
Namen, den ..Prunkrossen“, die italieni-
schen Primitiven Trumpf, während für die
Niederländer nur wenig Interesse besteht.
Einer der Hauptgründe dafür scheint ihm.
und wohl mit vollem Recht, der zu sein,
daß die hiesigen Händler sich in detti ver-
gangenen Jahren eine große Zahl italieni-
1 D. h. Ende November. Die Schriftleitung.
 
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