Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0760
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Heft 15
DOI article:Goetz, Oswald: Leihausstellung aus Privatbesitz im Städelschen Kunstinstitut
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Leihausstellung aus Privatbesitz
im Städelschen Kunstinstitut
Mit zehn Abbildungen auf fünf Tafeln Von OSWALD GÖTZ
NACH einigen vergeblichen Anläufen in den letzten Jahren konnte nun
endlich die geplante Leihausstellung von Meisterwerken alter Malerei
im Städelschen Institut eröffnet werden. Den letzten Anstoß zu diesem Unter-
nehmen gab das 25jährige Bestehen des Städelschen Museumsvereins, aus
dessen Kreisen auch die meisten Bilder stammen. Wer die starke Verschiebung
des privaten Kunstbesitzes, von der auch Frankfurt nicht verschont geblieben
ist, mit wachsender Besorgnis verfolgt hat, stand dieser Ausstellung mit
gewisser Skepsis gegenüber. Waren doch gerade große Sammlungen, wie
die de Riddersche oder die von Ganssche, die zu den größten und schönste/n
in Frankfurt zählten, erst vor kurzem dem hiesigen Privatbesitz verloren-
gegangen. Wohl wußte man noch einige wenige große Sammlernamen, aber
man fragte mit Recht nach wirklich altüberliefertem Besitz mit Bildern von
Ruf. Die französischen Rokokobilder aus Rothschildschem Besitz sind wohl
einzig und allein über Deutschland hinaus im sammelnden Ausland bekannt
gewesen. Um so erstaunlicher war das Resultat. Wenn auch das Prinzip
einer Ausstellung von hundert sog. chefs d’ceuvres nicht durchzuführen war
— wo in Deutschland wäre das noch möglich —, so konnte doch in einer
Zahl von über 270 Bildern aus fünf Jahrhunderten eine stattliche Gesellschaft
von Meisterwerken vereinigt werden.
Da die Sammler verschiedensten Kreisen und Geistesrichtungen entstam-
men, mußte naturgemäß eine gewisse Zufälligkeit sich bei einer derartigen
Leihausstellung bemerkbar machen. Aber man verlangt von einem solchen
Unternehmen ja auch nicht die systematische Leistung eines Museums, im
Gegenteil die Inkongruenz der Kräfte erzeugt eine spannende, ungewohnte
Reibung. — So gibt es denn bei dieser Ausstellung Überraschungen mannig-
faltiger Art. Einmal kommt neben den bekannten und vielleicht auch schon
öffentlich ausgestellten Stücken sehr viel Neues und Schönes ans Tageslicht,
dann aber setzt sich das alte Gewohnte wie das neue Unbekannte in der
andersartigen Umgebung einer gefährlichen, aber doch wohl berechtigten
Kritik aus, die neue Resultate zeitigt. Daß für den Kunsthistoriker gleich
wie für den Liebhaber viel zu holen ist, versteht sich bei einer solchen Aus-
stellung von selbst.
Die Galerieleitung, an der Spitze Direktor Georg Swarzenski, dem die Aus-
stellung zu danken ist, hat sich bemüht, in den von ihr zur Verfügung gestell-
ten Räumen die Bilder, soweit das eben möglich war, systematisch geordnet
aufzuhängen, um die Übersichtlichkeit zu fördern. So ergibt sich das für alle
überraschende Bild, daß die in Bürgerkreisen so hochgeschätzten Niederländer
des 17. Jahrhunderts keineswegs die anderen Schulen an Zahl überragen und,
was die Qualität ihres Durchschnitts anbelangt, ein gutes Niveau nicht über-
schreiten. Erfreulich ist, daß die Italiener im Frankfurter Privatbesitz einen
respektablen Platz einnehmen, vor allem hat sich in den letzten Jahren das
Interesse für die Primitiven sehr gehoben. Eine Reihe der von der Samm-
lung Kaufmann her bekannten Bilder konnte neben anderen bedeutendem,
Stücken in der Ausstellung wieder vereinigt werden. Aber der aufregendste
Erfolg der Ausstellung gebührt doch wohl den Altdeutschen, denen die
wenigen altniederländischen Bilder anzuschließen sind. Kein Dürer und kein
728
im Städelschen Kunstinstitut
Mit zehn Abbildungen auf fünf Tafeln Von OSWALD GÖTZ
NACH einigen vergeblichen Anläufen in den letzten Jahren konnte nun
endlich die geplante Leihausstellung von Meisterwerken alter Malerei
im Städelschen Institut eröffnet werden. Den letzten Anstoß zu diesem Unter-
nehmen gab das 25jährige Bestehen des Städelschen Museumsvereins, aus
dessen Kreisen auch die meisten Bilder stammen. Wer die starke Verschiebung
des privaten Kunstbesitzes, von der auch Frankfurt nicht verschont geblieben
ist, mit wachsender Besorgnis verfolgt hat, stand dieser Ausstellung mit
gewisser Skepsis gegenüber. Waren doch gerade große Sammlungen, wie
die de Riddersche oder die von Ganssche, die zu den größten und schönste/n
in Frankfurt zählten, erst vor kurzem dem hiesigen Privatbesitz verloren-
gegangen. Wohl wußte man noch einige wenige große Sammlernamen, aber
man fragte mit Recht nach wirklich altüberliefertem Besitz mit Bildern von
Ruf. Die französischen Rokokobilder aus Rothschildschem Besitz sind wohl
einzig und allein über Deutschland hinaus im sammelnden Ausland bekannt
gewesen. Um so erstaunlicher war das Resultat. Wenn auch das Prinzip
einer Ausstellung von hundert sog. chefs d’ceuvres nicht durchzuführen war
— wo in Deutschland wäre das noch möglich —, so konnte doch in einer
Zahl von über 270 Bildern aus fünf Jahrhunderten eine stattliche Gesellschaft
von Meisterwerken vereinigt werden.
Da die Sammler verschiedensten Kreisen und Geistesrichtungen entstam-
men, mußte naturgemäß eine gewisse Zufälligkeit sich bei einer derartigen
Leihausstellung bemerkbar machen. Aber man verlangt von einem solchen
Unternehmen ja auch nicht die systematische Leistung eines Museums, im
Gegenteil die Inkongruenz der Kräfte erzeugt eine spannende, ungewohnte
Reibung. — So gibt es denn bei dieser Ausstellung Überraschungen mannig-
faltiger Art. Einmal kommt neben den bekannten und vielleicht auch schon
öffentlich ausgestellten Stücken sehr viel Neues und Schönes ans Tageslicht,
dann aber setzt sich das alte Gewohnte wie das neue Unbekannte in der
andersartigen Umgebung einer gefährlichen, aber doch wohl berechtigten
Kritik aus, die neue Resultate zeitigt. Daß für den Kunsthistoriker gleich
wie für den Liebhaber viel zu holen ist, versteht sich bei einer solchen Aus-
stellung von selbst.
Die Galerieleitung, an der Spitze Direktor Georg Swarzenski, dem die Aus-
stellung zu danken ist, hat sich bemüht, in den von ihr zur Verfügung gestell-
ten Räumen die Bilder, soweit das eben möglich war, systematisch geordnet
aufzuhängen, um die Übersichtlichkeit zu fördern. So ergibt sich das für alle
überraschende Bild, daß die in Bürgerkreisen so hochgeschätzten Niederländer
des 17. Jahrhunderts keineswegs die anderen Schulen an Zahl überragen und,
was die Qualität ihres Durchschnitts anbelangt, ein gutes Niveau nicht über-
schreiten. Erfreulich ist, daß die Italiener im Frankfurter Privatbesitz einen
respektablen Platz einnehmen, vor allem hat sich in den letzten Jahren das
Interesse für die Primitiven sehr gehoben. Eine Reihe der von der Samm-
lung Kaufmann her bekannten Bilder konnte neben anderen bedeutendem,
Stücken in der Ausstellung wieder vereinigt werden. Aber der aufregendste
Erfolg der Ausstellung gebührt doch wohl den Altdeutschen, denen die
wenigen altniederländischen Bilder anzuschließen sind. Kein Dürer und kein
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