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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 3
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Der Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0185

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DER KUNSTMARKT

VOM AMERIKANISCHEN KUNST-
MARKT
Die Schlacht zwischen restaurier-
ten Ruinen. Als solche muß man wohl
die selbst für amerikanische Verhältnisse
kaum glaubliche Versteigerung der „Kol-
lektion des Professors Paolo Taolini
aus Rom, bestehend aus hervorragenden
Gemälden und Skulpturen berühmter ita-
lienischer Meister vom io. bis 15. Jahrhun-
dert“ bezeichnen, die nicht etwa in irgend-
einer Winkelauktion stattfand, sondern von
den American Art Galleries, die sich
das erste Auktionshaus der Metropole zu
sein dünken, sozusagen feierlichst zele-
briert wurde, als handele es sich um ein
Kunstereignis allerersten Ranges!
Wie der gerade anwesende Geheimrat
Friedländer sehr richtig nach Besichtigung
der „Sammlung“ meinte: all diese Ge-
mälde waren einmal echt! Auf das Tam-
tamschlagen der Auktionsfirma hin, die
einen Luxuskatalog zu hohem Preise mit
wunderbaren „Stammbäumen“ und, weiß
der Himmel, wie und woher zusammenge-
brachten Gutachten herausgegeben hatte,
war am ersten Schlachtfest eine große An-
zahl Interessenten zusammengeströmt. Das
Fest aber artete bald in eine Farce aus und
endete am zweiten Tage als Tragikomödie.
Man hatte in dem Katalog die Schatten
der Größten, eines Mantegna, Botticelli,
Tizian, Velasquez, manchmal allerdings
von einem bescheidenen Fragezeichen be-
gleitet, beschworen. Es fanden sich aber
wohl nur wenige Liebhaber für die Mei-
sterwerke, die zum größten Teil Paolinische
Restaurierungen auf alter ruinierter Grund-
lage darstellten. Offenbar wurden viele der
Nummern durch überall verteilte Agenten
des Eigentümers der Sammlung zurückge-
kauft, vielleicht nachdem wenigstens für
die betreffenden Werke ein immerhin noch
erheblicher Auktionspreis etabliert worden
war, der nun ihren Privatverkauf irgendwo
„in der Provinz“ erleichtern wird.
Daß die American Art Galleries sich zu
einem solchen Manöver hergegeben ha-
ben, ist freilich ein Rätsel. Die Kurzsich-
tigkeit ihrer jetzigen Leiter, die scheinbar
einen momentanen Gewinn dem bleiben-
den Schaden vorzogen, der ihnen aus sol-
chen Geschäftspraktiken erwachsen muß,
ist um so bedauerlicher, als sie das ganze
antike Kunstgeschäft in New York schwer
beeinträchtigen wird, indem sie das sowie-
so nie ganz schlummernde Mißtrauen des
Publikums verstärkt, und das gerade zu
einer Zeit, wo man gehofft hatte, daß end-

lich ein Aufschwung beginnen werde. Kein
Wunder, daß die leitenden Kunstkreise
hier sehr übel auf die Firma zu sprechen
sind, und letzten Endes ist diese doch
zum guten, wenn nicht gar ausschlagge-
benden Teile von diesen und nicht von
„Outsiders“ abhängig. Die „Art News“ liest
ihr denn auch in ihrer Ausgabe vom
20. Dezember gehörig die Leviten. Ob’s
helfen wird? Auch international wird
dieser Verkauf nicht bloß der Firma, son-
dern New York schwer schädigen, denn
wer, der etwas Gutes besitzt, wird noch
seine Schätze einer Auktion anvertrauen
wollen, wenn derartiges vorkommt? Und
da gerade viele auswärtige Vertreter von
Kunsthandlungen sowie Gelehrte wäh-
rend der Auktion in New York anwesend
waren, und dieselbe das Tagesgespräch un-
ter ihnen bildete, wird die Kunde von die-
sem argen und törichten Streich weit und
breit in allen Kunstzentren verbreitet wer-
den. Wenn jetzt die gleiche Firma wieder
einen „bedeutenden Verkauf“ anbietet und
großartige Kataloge verschickt, wird ihr
niemand mehr glauben wollen, denn wenn
auch das Sprichwort vom einmal lügen
nur deutsch ist, sein Sinn ist international.
Mehr zur Belustigung als zur Orientie-
rung seien hier einige Preise aus dieser
erstaunlichen Auktion mitgeteilt, die in den
„Ergebnissen“ anzuführen, nur irreleiten
würde:
Kat.-Nr. Dollar

5 Riccio, Apollo auf der Lyra spie-
lend .250
6 Giovanni Pisano, Terrakotta-Bas-
relief .1175
10 Andrea Pisano, Marmorstatuette
der Madonna mit Kind .... 475
11 Nicola Pisano, Marmorstatuette
des segnenden Christusknaben . 250
12 D. da Settignano, Porträt eines
Knaben.1700
14 Donatello, Hl. Johannes .... 1900
25 Filippino Lippi, Verkündigung . 475
36 Tizian, Magdalena.600
43 Giorgione, Porträt eines Mannes
mit Laute.150
45 Mantegna, Madonna und Kind
zwischen zwei musizierenden
Engeln.3600
52 Tintoretto, Porträt des Vincenzo
Capello.900
61 Crivelli, Madonna und Kind . . 2000
69 Sogen. Römische Schule aus dem
10. Jahrh., Hl. Johannes .... 150
72 A. Rossellino, Hl. Johannes . . 650
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