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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 15
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Schwabacher, Sascha: Die internationale Ausstellung für Kunst und Gewerbe in Paris 1925
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0772

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Die internationale Ausstellung für
Kunst und Gewerbe in Paris 1925
Mit vier Abbildungen auf zwei Tafeln Von SASCHA SCHWABACHER
KUNST ist weder Verkleidung noch Verzierung, sondern Verwandlung,
Verwandlung von Stoff zu Form. Nur das schöpferische Genie dient den
echten Musen. Den Demimusen geht es nicht um das Werk, sondern um die
Wirkung, nicht um den Wert, sondern um den Reiz.“
Diese geistvollen Worte Bernhard Diebolds aus der „Frankfurter Zeitung“
dürften über dem Eingang der Ausstellung stehen, ja, man könnte behaupten,
sie sei den Demimusen geweiht.
Der große Komplex mit Hallen und Häusern, Möbeln und Kunstgewerbe
zeigt mehr Repräsentationslust, Ehrgeiz, Nachahmungstrieb und Originale
sucht als ursprünglichen, künstlerischen Schöpfungsdrang. (Aber man mußi es
halten mit dem alten Testamente „Und wenn nur zwei Gerechte darunter sind“.)
Historisch ist dies zu verstehen, da gleichsam aus dem luftleeren Raum in
dem Moment „Stil“ entstehen sollte, als man ihn brauchte. Frankreich, das
Land der konservativen Bindung an seine alten Königsstile, war just erst
eben dabei, dem früher vernachlässigten Louis Philippstil und den Bauern-,
möbeln der Bretagne und Normandie Gefallen abzugewinnen.
Es hat freilich vor dem Kriege eine kurze moderne Periode mit van de Velde
gegeben, und die Franzosen sind sehr stolz darauf, daß die Gallegläser aus:
Nancy und Lalique in den neunziger Jahren in jenen Kreisen im Ausland Be^
achtung fanden, die damals den Jugendstil ins Leben gerufen haben. Der
Pariser Kunstgewerbler und Innenarchitekt Francis Jourdain war außerdem
von den Werkbundausstellungen in Köln und München entzückt. Er setzte
sich für die Bildung eines neuen Kunstgewerbes in Schrift und Wort ein und
machte die Franzosen darauf aufmerksam, daß sie beim Festhalten an ihren
alten Stilen den ganzen Möbel- und Kunstgewerbeexport an Deutschland, Eng-
land, Holland und Belgien verlieren müßten. Anstatt daß nun das Ministerium
für Handel und Gewerbe, verbunden mit dem Ministerium für Kunst, die diese
Ausstellung ins Leben riefen, diesem modernen Künstler oder einem ver^
wandten Geiste, wie Le Corbusier oder Mallet-Stevens, den Plan zu dieser
Ausstellung übertragen hätten, machte man einen älteren Verehrer van de
Veldes, Plumet, einen Kompromißler, zum Hauptarchitekten der VeranstaL
tung. Die von ihm geschaffenen Arbeiten sind bestenfalls, wie die vier Restau-
rationstürme, als Konstruktion (hohe Prismen mit drei Galerien in den Ober-
geschossen und vier Ecktürmen) annehmbar, aber als Geschmacksleistung
minderwertig oder, wie der Handwerkerhof, belanglos.
Während auch die Ehrenpforte zwischen dem großen und kleinen Palais (ein
Verbindungstor mit Aluminiumanstrich aus stufenweise schmäler werdenden
Gittern mit stilisiertem Springbrunnenornament und Reliefs) und die Läden-
straße auf der Alexanderbrücke (zwei lange Pfeilerreihen mit abwechselnd auf-
wärts und abwärts geführten Bögen aus braunverputztem Gips mit Uber-
spinnungsornamentik und farbigen Dekorationselementen) zu den unerfreu-
lichen Bauten zählen, so hat Patou mit der Aufstellung seiner zehn Säulen
(Riesenprismen aus verputztem Beton mit kreisrunden Deckeln und Orna-
mentik aus konzentrischen Kreisen) am Place de la Concorde wenigstens den
Versuch gemacht, Anschluß an die Einfachheit der Moderne zu gewinnen. Es

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