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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 15
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Schwabacher, Sascha: Die internationale Ausstellung für Kunst und Gewerbe in Paris 1925
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0773
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ist bedauerlich, daß die Maillolhafte Frauengestalt auf einem Sockel auf Vor-
schrift der Ausstellungskommission nicht unbekleidet sein konnte und durch
das goldene Gewand verdorben wurde.
Erstaunlich mittelmäßig ist das Klubhaus der diplomierten Architekten von
dem Architekten Tournou: ein Kuppelbau mit einer längeren Hauptnische und
vier Nebennischen mit roten Pilastern aus marmoriert verputztem Gips. Die
ausgestellten Entwürfe zeigen Durchschnittsarbeiten, aber bemerkenswert isind
Kriegsdenkmäler aus naturgewachsenem Felsen.
Süß-schaurige Reminiszenzen an unseren schlimmsten Jugendstil liefern die
großen Warenmagazine, von denen sich die Galerie Lafayette besonders her-
vortut mit einem großen, strahlenförmigen Glasfenster als Portal nebst gold-
grünen, monumentalisierten Sitzfiguren.
Einen etwas ruhigeren Typus (Quadratbau mit konkaven Ecken und gol-
dener kugelförmiger Muschel) bietet das Möbelhaus zeitgenössischer Kunst
von Sue und Mare, das auch im Innern einige gute Möbelstücke in moder-
nisiertem Louis-Philippstil, Bilder der Laurencin und eine Büste des begabten
Destuan, zeigt. Die interessanteste, bautechnische, französische Leistung ist der
Touristenpavillon von Mallet-Stevens, ein kubischer Flachbau aus Beton mit
vertikal aufsteigenden, sich rechtwinklig durchdringenden Platten (Uhr in der
Höhe). Es ist schade, daß die tektonischen Elemente der Betonplatten hier
auch dekorativ verwendet wurden. Der Innenraum mit Oberlicht ist in halber
Höhe mit einem Glasfries in Grisaille verziert, dessen futuristische Bilder gut
das eilende Tempo des Reisens versinnbildlichen.
Zu bedauern bleibt, daß der Bau von Le Corbusier, dem fortschrittlichsten
Architekten, dem Herausgeber der Zeitschrift,,Esprit nouveau“, noch von einer
hohen Bretterwand umgeben ist.
Enttäuschender als die französische Bauweise ist die Unfähigkeit der Innen-
ausstattung der Räume. Nur in Details, wie z.B. im Raffen der Vorhänge,
verrät sich die alte Kultur des Landes, die in der Mode noch ; immer,
wirkend und tonangebend ist. Auch die verwandten Gebiete der Gewebe und
Stoffe sind noch voller Geschmack, und die Gobelinmanufaktur macht noch
einige gute Stücke. Aber Neuerungen sieht man nur auf dem Gebiete der
Beleuchtungskörper, — in der Lichtstadt vielleicht kein Zufall. Man stellt
glatte Milchglasplatten oder gerippte Glasplatten ungefaßt vor die Licht-
quelle, was sich ausgezeichnet macht und in der verschiedensten Aufmachung
anzutreffen ist, vor allem in den besten Zimmern der „Wohnung eines
modernen Gesandten“, dessen Vorraum (ein Werk Mallet-Stevens) erfrischend
wirkt durch Helligkeit, weißgrünen Anstrich, ein Bild Legers von kraftvoller
Farbigkeit und durch den Blick in das goldgelbe Rauchzimmer von Francis
Jourda,in. Eine Treppe höher ist eine „Halle de culture physique“ von Francis
Jourdain mit Dreiteilung für Sport, Liegekur und Bad. Diese aus dem Bedürf-
nis der Zeit geborene Idee ist auf das klarste gestaltet. Der erste Teil ent-
hält nur Sport- und Fechtgeräte, der zweite ein Ruhelager auf beweglich
verstellbaren Eisenschienen, daneben Fenster, kleinen Teetisch und noch
kleineres Büchergestell, der dritte das Bad und Zubehör. Durch die Ver-
meidung jedes überflüssigen Objektes und jeder überflüssigen Verzierung und
durch die helle, abgewogene Farbstellung (die Stoffe mit geometrischen
Mustern sind von der überaus geschmackvollen Sonja Delaunay) ist dieses
große, der Zweckmäßigkeit von Spannung und Entspannung dienende Zimmer
von einem Purismus erfüllt, der heiter macht.
Diese Räume wirken als Ausnahme, weil selten ein Zusammenklang der
Farben in Teppich, .Wand und Möbeln herrscht. Gerade in Schöpfungen die-.

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