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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 4
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Rackham, Bernard: Eine schlesische Schüssel mit dem Brustbild Kaiser Rudolf II. in London
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0225

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Eine schlesische Schüssel mit dem
Brustbild Kaiser RudolfII. in London

Mit einer Tafel Von BERNARD RACKHAM


EINE der seltensten Arten von Renaissancetöpfereien ist die Gruppe von
Prunkschüsseln schlesischen Ursprungs, von denen bis vor kurzem nur
sechs Stücke bekannt waren. Diese Schüsseln von zumeist bedeutender Größe
sind gleich bemerkenswert wegen ihrer künstlerischen Ausdruckskraft wie
wegen ihrer Technik. Sie sind aus einem im Feuer bräunlich brennenden
Hafnerton gedreht und zeigen auf der Schauseite eine vor dem Brande mit
einem spitzen Werkzeug in den lederharten Ton eingerissene Zeichnung, die
in glatten Flächen mit einer Zinnglasur ausgefüllt ist: Die eingerissenen
Linien der Vorzeichnung verhindern das Ineinanderfließen der im Brand ein-
schmelzenden weißen und durch Metalloxyd verschieden gefärbten Glasur-
flächen.
Diese Technik ist fast ohne Beispiel. Die einzige mir bekannte Parallele
bieten Fliesen, die während des 18. Jahrhunderts in dem Ort La Banqueterie
bei Lisieux in der Normandie entstanden sind. Proben dieser Fliesen finden
sich in den Museen von Sevres und Honfleur.
Der hohe dekorative Wert der schlesischen Schüsseln ist eine Folge dieser
Technik, die nur eine Zeichnung in großen, einfachen Linienzügen und breiten
verschieden gefärbten Flächen gestattet. Eine zu zierliche Detaillierung würde
die Wirkung stören.
Als erster hat Justus Brinckmann in seinem Führer durch das Hamburgische
Museum für Kunst und Gewerbe dieser Gattung Aufmerksamkeit geschenkt bei
der Beschreibung des bekannten, undatierten, aus der Sammlung Minutoli in
Liegnitz stammenden Stückes mit der Darstellung eines schlafenden Kindes
mit Totenschädel und Stundenglas. Berlin besitzt die aus derselben Sammlung
stammende Schüssel mit dem Wappen des Balthasar von Promnitz als Bischof
von Breslau (1539—1562). Ein drittes Stück aus der im Jahre 1875 in Köln ver-
steigerten Sammlung Minutoli mit der Darstellung des Gekreuzigten und der
Jahreszahl 1554 wurde von Brinckmann durch einen glücklichen Zufall im
Jahre 1908 im Berliner Kunsthandel wieder aufgefunden und für das Ham-
burger Museum erworben1. Andere Beispiele hat Karl Masner2 im Jahre 1900
veröffentlicht, nämlich eine zweite, undatierte Schüssel mit Kreuzigungsdar-
stellung, die das Kaiser-Franz-Joseph-Museum in Troppau später aus der
Sammlung von Lanna erworben hat und eine in der Qualität viel geringere
Schüssel vom Jahre 1612 im schlesischen Gewerbemuseum in Breslau. Ein
letztes undatiertes Stück mit der Darstellung eines namenlosen Bildnisses im
Troppauer Museum endlich hat E. W. Braun mit Beigabe einer Farbentafel
im Cicerone VI (1914) S.iff. veröffentlicht und ausführlich beschrieben.
Diese Troppauer Schüssel ist von besonderer Bedeutung, weil sie die Entr
stehung der ganzen Gattung in Schlesien, und zwar in der Nähe Breslaus,
bestätigt. Sie wurde an der Stelle eines kleinen Töpferbetriebes in Hotzenplotz
bei Neustadt aufgefunden und es ist sehr wahrscheinlich, daß sie auch dort
1 Vgl. Bericht für das Jahr igo8, S. 53ff., Abb. S. 55.
2 Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift. 1900. Zur schlesischen Keramik der Re-
naissancezeit.

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