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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 24
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Vondoerfer, P. E.: Die Sakristeipforte der Pfarrkirche zu Mondsee in Oberösterreich
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#1208

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Die Sakristeipforte der Pfarrkirche
zu Mondsee in Oberösterreich
Mit zwei Abbildungen auf einer Tafel Von P. E. VONDOERFER

DIE harmonische Zusammenstimmung von Architektur und Plastik ist
auch der deutschen Sondergotik eigen: ein sanft gleitender Übergang Von
der schlichten Linie zum zierlichen, schlank in die Höhe wachsenden archi-
tektonischen Zierrat, dem sich sodann die in nicht minder strenger Tradition
gehaltene Skulptur willig anschmiegt.
Daß hier (in der Mondseegegend) die Plastik, wie übrigens in der ganzen
Umgebung — soweit sie nicht aus Tirol stammt — ausgesprochen bayrische
Züge trägt, muß wohl nicht besonders hervorgehoben werden. Auch die
gotische Architektur der ganzen Gegend mit dem immer wiederkehrenden Netz-
ornament der Decke, besonders im Hauptschiffe der Kirchen, verrät, obwohl in
manchem Sinne eine lokale, nichts vom süddeutschen Schlage Abweichendes1.
Hingegen ist das unzerstörte Gesamtbild der Mondseer Sakristeipforte ein
seltenes. Denn nicht allzu häufig sind mittelalterliche oder gotische Metall-
türen dort, wo sie hingehören, vorhanden, da sie, vielfach losgelöst aus ihrem
imposanten Rahmen, in die Museen wanderten.
Das Beschläge der Türe kennzeichnet das im 14.—15. Jahrhundert beliebte,
flach aufgelegte, durchbrochene Ornament, welches in der ursprünglichen Fas-
sung mit seiner Verzinnung auf farbiger Unterlage — hier früher rotes Perga-
ment; die ursprüngliche, im Kolorit und Technik fesselnde Wirkung ist leider
durch modernen grünen Anstrich verloren gegangen — das Malerische mit
Vorliebe betonte. Hierfür ist es noch besonders charakteristisch, daß das an
den Kreuzpunkten festgenagelte Bandbeschläge in der Bearbeitung sichtlich
stark vernachlässigt wurde, um gewissermaßen mit seiner plumpen Massivi-
tät durch das Hauptbeschläge — Schloß und Ring samt Unterlage — das go-
tische Zartgefühl für minutiöse Ornamentik um so deutlicher hervortreten zu
lassen. Das spielende, reich verschlungene Astwerk mit seinen dreiblättrigen
Enden und Zweigelchen, hier an dem den Ring tragenden Beschläge, fand so-,
wohl in den germanischen (vor allem in Süddeutschland, wie etwa Tirol) — be-
sonders bei schmiedeeisernen Gittern —, als auch in den romanischen Ländern
vielfach Anwendung. Es gehört zu jenen dekorativen Ornamenten, die zum
Musterstandard wurden, der sich im Kunsthandwerk bis in die Jetztzeit, viel-
fach und mannigfach verwertet, vorfindet, aber die der Gotik eigene feine Emp-
findung für den ornamentalen Entwurf allmählich einbüßt. (Bekanntlich ist
das gleiche auch bei Architektur der Fall.) Nicht bloß im stets variierenden,
formenreichen Entwurf kehrt dieses Ornament immer wieder, auch stufen-
weise herab, selbst bis zur möglichst einfachen Liniengebung mit nur ein-
maligem Motiv, wie beispielsweise bei Türklopfern, läßt sich dasselbe im Zeit-
alter seiner stilreinen Entfaltung verfolgen.
1 Das Gebiet erstreckt sich von Salzburg bis zur Mondsee-, Aber- und Atterseegegend.
Die St. Wblfganger Kirche (früher zur ehemaligen Mondseer Benediktiner Abtei ge-
hörend) besitzt eine der Mondseer sehr ähnliche Sakristeipforte, deren obere, zeitgemäße,
der figürlichen Plastik ebenso als Rahmen dienende, architektonische Gliederung nach
außen hin mit barocken Zutaten empfindlich gestört wurde. Den unter Baldachinen
stehenden sind auf den Flächen an Stelle der abgenommenen Turmspitzen über die
ersteren weitere, zeitgemäße Figuren angegliedert worden (die knapp auf der Kreuzblume
des auslaufenden Spitzbogens stehende des Erzengels Michael ist eine barocke Zutat).
Die Gruppierung als solche ist im Gegensatz zum Mondseer Beispiel — dort der edlen,
schlanken Linie des Spitzbogens folgend — eine in Unordnung geratene.
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