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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 5
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Schmidt, Paul Ferdinand: Ein neuer Ziesenis
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0262

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Von Paul FERD. SCHMIDT
Mit einer Tafel

Ein neuer Ziesenis

IN der Galerie von Schulte in Berlin war im November v. J. ein stattliches
Bildnis Friedrich des Großen ausgestellt; stehend, in Halb- oder vielmehr
Dreiviertelfigur, mit Feldherrngebärde, die rechte Hand rückwärts streckend,
das Gesicht dem Betrachter fast en face zugekehrt; auffallend besonders die sehr
frische koloristische Behandlung, in der das klar modellierte Gesicht sich über
dem kräftigen Blau des Samtrockes und dem Rot des hermelingefütterten Man-
tels gut behauptete. Alles in allem ein sehr gutes Galabildnis des späteren
Rokoko von vorzüglicher Erhaltung, eines Meisters von Rang würdig. Da es aus
englischem Besitz stammt, war die Autorschaft vollkommen ungewiß. Nur die
Taufe auf einen Engländer, etwa Cunningham, wie sie von Osborn vorge-
schlagen wurde, war schon aus sachlichen, mehr noch aus stilistischen Grün-
den von vornherein abzulehnen.
Das Bild war von L. Reidemeister (siehe Zeitschrift für bildende Kunst,
1924, Heft 3/4) dem Lisiewski und der Anna DorotheaTherbusch zugeschrieben
worden; auf Grund eines Wahrscheinlichkeitsbeweises, der die echten Stilmerk-
male unberücksichtigt ließ und sich auf Daten und Alibifakten der beiden
Künstler stützte. Da die Zuweisung eines so ausgesprochenen koloristischen
und von der sonstigen Malweise der deutschen Rokokoporträtisten abweichen-
den Werkes, in erster Linie aber beim Mangel aller anderen Beweise sich stili-
stisch einstellen muß, so lag gar kein Grund vor, an die Lisiewskis und ihre lang-
weilige Tugendhaftigkeit zu denken. In Betracht kommen kann nur Jo h. Georg
Ziesenis.
Mit den uns bekannten Spätwerken des Ziesenis hat das Friedrichbildnis ge-
meinsam die Anordnung im Raum, als Kniestück etwas zur (rechten) Seite
gerückt, mit dem Ausblick auf eine weich in malerischem Grau behandelte
Landschaft; die kräftige blühende Farbe und glasklare modellierende Behand-
lung des Gesichts; die außerordentliche Leuchtkraft und koloristische Kühn-
heit der beiden Hauptfarben Blau und Rot im Gewände, die von aller übrigen
Malergewohnheit so auffallend abweicht und geradezu das wesenbestimmende
Merkmal von Ziesenis ist; endlich der Versuch, Friedrich von seiner geistigen
Bedeutung her zu erfassen.
Dieses Bemühen um Menschlichkeit im Ausdruck fürstlicher Gestalten, das
Ziesenis zum bedeutendsten Porträtisten Deutschlands neben und vor Anton Graff
erhebt, ist hier freilich etwas äußerlich geraten, auf das Imposante der be-
fehlenden Geste und die klare Energie der Kopfhaltung gestellt; aber es strahlt
doch aus dem Antlitz eine solche Kraft persönlicher Bedeutung, daß wir dieses
Friedrichbildnis wohl als das beste zeitgenössische Denkmal des Königs an-
sehen dürfen: besser auch als die authentischen Brustbilder, für die Ziesenis
als Autor bezeugt ist. Augenscheinlich ist es ein repräsentatives Ergebnis jener
Studien nach der Natur, ein Staatsbild, das der Maler vielleicht in hannover-
schem Auftrag gemalt hat, und das dann, wie so viele Dinge, von Hannover nach
England gekommen ist. Nun hat es seinen Weg nach Deutschland zurückge-
funden und wird uns hoffentlich an öffentlicher Stelle erhalten bleiben.
Denn wir besitzen sehr wenig an authentischen Darstellungen Friedrichs des
Großen; unsere Vorstellung von ihm haben lange nach seinem Tode Gottfried
Schadow und Menzel bestimmt. Des Königs Abneigung gegen das Porträt war
so stark, daß er, abgesehen von seinen ihm aufgenötigten Jugendbildnissen, nie-
mand eine Sitzung gewährt hat, außer im späten Alter dem Bildhauer Cava-

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