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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 1
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0066

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RUNDSCHAU

Sammlungen
SAMMLUNG NEUER KUNST
HELLERAU BEI DRESDEN
In der Bildungsanstalt Hellerau bei Dres-
den hat Dr. A. Schardt eine lange vorberei-
tete Sammlung moderner Kunst eröffnet,
die trotz ihres geringen Umfangs einzigartig
ist. Schardt ist vor zwei Jahren vom Kron-
prinzenpalais in Berlin mit vielen Plänen
nach Hellerau gekommen, deren Verwirk-
lichung zunächst zurückgestellt werden
mußte. Heute ist die Zukunft der Bildungs-
anstalt überhaupt in Frage gestellt, und viel-
leicht ist die Eröffnung der Galerie der An-
fang und das Ende einer ernsthaften Bemü-
hung. Es sind Leihgaben deutscher und
russischer Künstler, die Schardt durch per-
sönliche Initiative zusammengebracht und
im rechten Flügel des Festspielhauses aus-
gestellt hat. Die Zusagen von Seiten der
französischen Künstler sind bereits vorhan-
den, so daß im Falle der Erhaltung des Hau-
ses die Franzosen den linken Flügel erhal-
ten könnten.
Nach drei Seiten ist Schardts Leistung
außergewöhnlich. Er hat erstens den Mut
^gehabt, nur die Kunst unserer Zeit zu sam-
meln, die Kunst also, die im Wesen und in
der Form dem vorwärts gerichteten Bewußt-
sein unserer Tage entspricht, die aus dem-
selben Geist geboren ist, dem wir auf ande-
ren Gebieten (Ethik, Pädagogik usw.) gülti-
ge Leistungen verdanken. Zweitens hat
Schardt bei der Auswahl sich darauf be-
schränkt, aus der noch umstrittenen Kunst
das unbedingt Wertvolle heranzuschaffen,
Dinge, die beweisbar sind, die für seine ge-
planten kunstpädagogischen Kurse als un-
anfechtbares Material in Frage kamen. Drit-
tens hat er mit einfachsten Mitteln die Räu-
me so herrichten lassen, daß die Bilder mit
ihren wesentlichen Farbwerten restlos zur
Wirkung kommen. Der Raum mit den Klee-
Aquarellen hat ein Braun, auf dem die ge-
heimnisvollen Abstrakta des Malers das kon-
kreteste Leben führen, dessen sie fähig sind.
In zwei Sälen wechselt die Farbe derWand,
entsprechend den gehängten Bildern.
Ein großfiguriger Thorn Prikker (Christus
mit dem Kreuz) füllt die Halle des Treppen-
hauses. Im ersten Raum hängen neben ei-
nem großen, bunten Tanzbild Noldes und
einem Heckel aus seiner guten Zeit (1912)
zwei G emälde von Franz Marc, „Tierschick-
sale“ und „Rehe im Walde“, letzteres von
einer Unmittelbarkeit und Überzeugungs-
kraft, die an seine Aquarellpostkarten erin-
nern. Im zweiten Raum Schmidt-Rottluff,

selten gute Aquarelle aus letzter Zeit (Landt-
schaft 1924) und ein Ölbild „Neubau“, von
einem überraschend vereinfachten Aufbau
aus starken Farben. Von Pechstein eine an-
ständige Südseelandschaft (1915), von Otto
Müller ein Figurenbild. E. L. Kirchner,
der wesentlichste, fehlt leider noch. Im
dritten Raum 10 Aquarelle von Paul Klee,
darunter das bekannte „Nächtliche Fest“,
(abgebildet im letzten Jahrgang), aus dem
Jahre 1924 der „Dünenfriedhof“ und die „Of-
ficinale Flora“, Blätter, die aufs neue die
Unerschöpflichkeit seiner Einbildungskraft
beweisen. Im vierten Architekturbilder von
L. Feininger und Rohlfs, ein Kopf von Jaw-
lensky aus dem Jahre igi8 und ein Gemälde
der Werefkin, „Beleuchtetes Karussell“. Im
letzten mehrere Bilder von Lissitzky und
Moholy-Nagy. Zwei wichtige Gemälde Kan-
dinskys aus den Jahren 1914 und 1923 hän-
gen im Umgang des Treppenhauses, ihnen
gegenüber das bekannte Werk Chagalls
„Meiner Braut gewidmet“. In den Verbin-
dungsgängen Aquarelle und Graphiken der
vertretenen Künstler. — Eine kleine Samm-
lung also, aber von größter Sauberkeit und
Klarheit, ohne Schielen nach rechts und
links von Schardt vereinigt mit einem für
unsere Zeit ganz seltenen Verantwortlich-
keitsgefühl. Es wäre ein großer Verlust
nicht nur für Dresden, wenn die Auflösung
der Bildungsanstalt ein Unternehmen zer-
störte, das bereits in seinen Anfängen vor-
bildlich ist. Qrohmanti.

AUS MOSKAUER MUSEEN
Es gehört schon zur Tradition der Feier
des Jahrestags der Ssowjetrepublik, daß
auch die Museen zu derselben das ihrige
in Form einer speziellen Ausstellung oder
Eröffnung eines neuen Saals beitragen.
Heuer war die Beteiligung der Moskauer
Museen an der offiziellen Feier sogar eine
besonders rege.
In erster Reihe ist über die Eröffnung der
Gemäldegalerie im „Museum der Schö-
nen Künste“ zu berichten. Wie bereits
seinerzeit an dieser Stelle mitgeteilt, lag es
seit langem im Plan des „Glawmusej“, die
Sammlung alter Meister aus dem Rumjant-
zoff-Museum in das geräumigere, obenge-
nannte Museum zu überführen und ihr die
Kollektion Dmitrij Schtschukin, so-
wie die aus den Petersburger Sammlungen
zu Gunsten Moskaus ausgeschiedenen Bil-
der anzugliedern. Dies ist nunmehr gesche-
hen, und am 10. November fand die vorerst
allerdings nur provisorische Eröffnung die-
ser neuen Moskauer Galerie alter Meister

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