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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 7
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Fierens, Paul: Die junge Kunst in Belgien
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0391

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und ihrer zu scharfen intellektuellen Auffassung zu erklären. Zwei Antwerpener
Maler, Floris Jespers und Paul Joostens, haben ihre Studien in der Richtung
der logischen Auflösung und freien Wiederzusammenfügung gemacht, ohne
sich je dazu zu entschließen, „die Farbe aufzuopfern“. Servranckx, der weiter
geht, verleugnet jede figürliche oder ornamentale Tendenz und hält die Form
für das Ziel an sich.
Aber dem starren Kubismus tritt zur Zeit ein ästhetischer entgegen, der ihm
übrigens seine Haupttugenden verdankt. Die anti-impressionistische Reaktion,
die zu einer Art von Kompromiß zwischen Kubismus und Fauvismus gelangt
ist, macht sich in dem Werk von etwa zehn Belgiern bemerkbar, deren Namen
sich zwischen Roger Parent und Ferdinand Schirren einordnen lassen. Der
eine dieser Maler verkörpert das Vernunftelement, der andere eine heute ge-
meisterte Wut.
Roger Parent, von Geburt Franzose, hatte den Mut, sich lange Zeit darauf zu
beschränken, Erfahrungen zu sammeln. Seine einsame Arbeit trägt nunmehr
endlich ihre Früchte. Er vollendet entschieden die Eroberung einer robusten
Technik und seine Kraft fängt an, sich harmonisch zu äußern. Er hat uns end-
lich die großen dekorativen Werke gegeben, deren Stil und Schönheit manche
beachtenswerte Versuche bereits ahnen ließen. Die Farbe ist düsterer ge-
worden und hat dabei mehr Nuancen bekommen, die vereinfachte Kompo-
sition reduziert sich auf Arabesken, aus denen sich eine rein plastische Er-
regung auslöst. Parent hat nichts von einem Lyriker; er ist ein Maler, der sich
in der Gewalt hat. Das Beispiel seiner Beharrlichkeit wird nicht vergeblich
gewesen sein.
Im umgekehrten Sinne ist Ferdinand Schirren, der durch orientalische Ab-
stammung eine unruhige und leidenschaftliche Seele überkommen hat, auf die
Suche nach positiver Freiheit gegangen. Sein Instinkt war sein erster Lehr-
meister, der wahre Instinkt eines Koloristen ohne Furcht und Tadel. Seinen
ganz spontanen Arbeiten hat eine gewisse Unordnung einen frischen und
heftigen Ton verliehen. Als ein wohltätiger, gleichzeitig aber gefährlicher
Meister — in bescheidenerem Maßstabe gewissermaßen der belgische Matisse —
hat Schirren mehr als einen Schüler auf die Bahn der Anarchie gebracht. Er
selbst fühlt heute die Notwendigkeit, sich zu bezähmen; er strebt nach der
neuen Ruhe, nach der teuer erworbenen Sicherheit. Ohne irgend etwas von
den Gaben zu verlieren, die keine Anstrengung ersetzen könnte, führt er jetzt
einen weniger kapriziösen Rhythmus in sein Werk ein.
Eine solche Entwicklung vom Extrem zum Gleichgewicht ist auch der Weg,
den einige Maler gegangen sind, die unter dem Stern James Ensors begonnen
haben. Mir fehlt jedoch die Muße, ihre Absichten genauer zu charakterisieren.
Es sind dies Edgar Tytgat, Charles Counhaye, Jos Albert, Paerels, Creten-
Georges, De Kat, Fernand Verhaegen und Ramah. Die einen wie die anderen
erscheinen bemüht, großzügigeren Figuren, synthetischer komponierten Land-
schaften und konzentrierteren Stilleben ein weniger äußerliches Leben, ein
größeres Gleichgewicht der Stimmung zu geben. Selbst bei reinen Koloristen
wie Hippolyte Daeye, Philibert Cockx oder Strebelle stört die Pracht des De-
tails kaum die Ordnung.
Da man unter dieser Gruppe eine Auswahl treffen muß, wollen wir beson-
ders Jan Brusselmans erwähnen, einen der originellsten dieser Brabanter.
Brusselmans ist ein manchmal etwas brutaler Zeichner, aber der denkbar
zarteste Maler. Er kommt aus dem Impressionismus wie van Gogh und 'be-
hauptet seine rauhe Unabhängigkeit. Aber unter dieser bäuerlichen Außenseite
verbirgt sich ein eigener Zauber. Frische Harmonien von wunderbarer Rich-

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