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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 8
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Freund, Frank E. Washburn: Ein neuentdeckter Ribera
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0434
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Ein neuentdec k t er Ribera

Mit einer Tafel

Von FRANK E. WASHBURN FREUND


or kurzem tauchte im amerikanischen Kunsthandel ein Gemälde auf, das

V alle Merkmale eines der „Bettlerphilosophen“ des Ribera an sich trägt und
seiner Malweise wie seiner außerordentlich hohen Qualität nach Ribera selber
zugeschrieben werden muß.
Das Bild stellt einen etwa fünfzigjährigen Mann mit dunklem Kopf- und
Barthaar dar, der, wiewohl nach rechts gewandt, dem Beschauer voll ins
Auge sieht. Ein Teil seines Gesichtes ist überschattet. Er hält mit beiden
Händen einen großen Folianten und seine Bekleidung besteht aus einem
weiten, mit großen, hellen Flecken besetzten, dunklen Mantel. Die Maße des
Werkes sind 43 inches hoch und 33 inches breit. Es befindet sich augenblick-
lich im Besitz des Kunsthändlers und Sammlers P. Jackson Higgs, New York.
Von seiner sonstigen Geschichte war nichts zu erfahren.
Dieser „Bettlerphilosoph“ stellt in einer Beziehung ein Rätsel dar. Stil und
Qualität der Malerei lassen etwa das Jahr 1638 als Entstehungszeit vermuten,
als Ribera die mehr äußerliche Darstellung seiner Bettler bereits verinnerlicht
und sich von dem auffallenden rötlichen Inkarnat jener Früh werke ent-
fernt hatte. Nun hängt aber genau derselbe „Bettlerphilosoph“, nur in etwas
größerem Format, 471 4* 373/8 inches, mit etwas breiterem Kopf und gröberen
Zügen und allen Merkmalen der ersten Periode des Meisters, im Prado (Num-
mer ing des Kataloges aus dem Jahre 1913), und die Frage taucht auf: Ist
das New Yorker Bild etwa eine vom Meister nach Jahren selbst ausgeführte und
seinem neuen Stil angepaßte Replik des im Prado hängenden Bildes oder ist
das Pradowerk etwa ein Schulbild?
Mir wird von Professor August L. Mayer versichert, daß die Qualität des
Pradobildes eine recht mäßige und grobschlächtige sei, so daß schon früher in
ihm Zweifel aufgetaucht seien, ob es sich bei dem Pradobild um ein eigen-
händiges Werk Riberas oder etwa nur um ein Schulstück handle.
Angenommen nun, daß es sich bei dem Pradowerk wirklich nur um ein
Schulbild handelt, und daß das New Yorker das Original ist: warum hat
ein Schüler Riberas dieses im deutlichen Früh Stil seines Meisters kopiert?
Wie ist dieses Rätsel zu lösen? Meine oben schon erwähnte Vermutung, daß
das New Yorker Bild vielleicht eine Neuaufnahme desselben Gegenstandes
seitens Riberas sei,'eventuell nach einem früheren eigenhändigen Bilde, das
nun vielleicht verschollen ist, und von dem dann das Pradowerk nur eine
Schulkopie darstellen würde, scheint deshalb schwer haltbar zu sein, weil, wie
mir Professor Mayer ausdrücklich mitteilt, ihm als Spezialforscher dieses
Meisters kein einziger Fall einer solchen Neuaufnahme eines alten Gegen-
standes im Oeuvre Riberas bekannt ist. Andererseits ist eben die Qualität des
New Yorker Bildes eine derartig hohe und sein' ganzer Habitus so vollkommen
der eines echten Riberawerkes, daß man sofort das Gefühl hat, vor der echten
und spontanen Handschrift eines Meisters zu stehen. Und sorgfältigste Unter-
suchung des Gemäldes bestätigt dann auch diesen ersten allgemeinen Eindruck
in jeder Einzelheit.
Ich setze zur Orientierung die wichtigsten Stellen aus A. L. Mayers Brief
hierher: „... Soweit ich nach dem Photo und Ihrer ausführlichen Beschreibung
ein Urteil abgeben kann, bin ich geneigt zu glauben, daß das New Yorker Bild
ein Original von Ribera ist, und ich werde sehr schwankend, ob an der Eigen-

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