Neue Bücher
denen im Bilde kein optisches Äquivalent
korrespondieren soll („Das Erlebnis einer
Diagonalen und nicht ein optisches Schau-
spiel, nicht eine Diagonalen konstruk-
tion,“ Seite 41), der Sphäre der Sichtbar-
keit entnommen sind. War es denn nicht
der entscheidende Schritt vorwärts, wenn
z. B. Wölfflin oder Brinckmann ihre Kate-
gorien kunstwissenschaftlicher Erkenntnis
im sichtbaren Kunstwerk sinnlich auf zeig-
bar (optisch, haptisch oder motorisch) ver-
ankerten? Der Dünkel, im Besitze eines
vermeintlich höheren Erkenntnismittels (in
diesem Falle das Gefühl) zu sein, hat bis-
her manchmal Scheinerfolge, immer aber
desto gründlicheres Vergessenwerden nach
sich gezogen.
Das verschwenderisch gedruckte Buch
in einer unangemessenen Ausführlichkeit
zu besprechen, gebot nicht die Absicht,
den Verfasser zu belehren (denn dieser ist
unbelehrbar), sondern das kaufende Publi-
kum auch für die Zukunft vor Schaden zu
bewahren, indem frühzeitig ein Warnungs-
signal vor allen Ideologien des Dilettantis-
mus in kunstwissenschaftlichem Betracht
aufgezogen werden sollte.
Rud. Herrn. Walther.
Dr. Heinrich Saedler, Richard See¬
wald. Führerverlag, München-Gladbach.
Die vor uns liegende, kleine Monogra-
phie über Seewald ist aus Wärme und Ein-
fühlungskraft geboren. Mündliche und
schriftliche Aussagen des Künstlers wer-
den getreulich wiedergegeben. Sie bilden
das Fundament der entworfenen Lebens-
skizze.
Saedler schildert Seewald als einen Men-
schen, der bis jetzt das Sinnbildhafte in der
Landschaft und in dem Tier zu gestalten
bemüht war und erst von jetzt an zur
eigentlichen Darstellung des Menschen
schreiten will, um den Kreis der Schöp-
fung zu schließen. Wie weit ihm dies glük-
ken wird, bleibt eine offene Frage an die
Zukunft. S. Sch.
Hans Tietze, Alt-Wien in Wort und
Bild, vom Ausgang des Mittelalters bis
zum Ende des XVIII. Jahrhunderts. Mit
230 Abb. Kunstverlag A. Schroll & Co.
Wien 1924.
Hans Tietze, Das Vormärzliche Wien
in Wort und Bild. Mit 247 Abb. Kunst-
verlag A. Schroll & Co. Wien 1925.
Was uns Hans Tietze in diesen beiden
Büchern gibt, ist eine Auswahl von Aus-
zügen aus der auf das Wiener Leben der
damaligen Zeit bezugnehmenden zeitgenös-
sischen Literatur unter Beifügung gleich-
zeitiger Wiener Stadtansichten, die uns das
Leben und Treiben im alten Wien vor Au-
gen führen. Durch dieses Ineinandergreifen
trefflich gewählter literarischer und künst-
lerischer Zeugnisse erhalten wir ein ge-
treues Spiegelbild der Vergangenheit: vom
XV. Jahrhundert an, da in den Schilderungen
der Künstler und Literaten Wiens persönlh
ches Gepräge zum erstenmal hervortritt, bis
zu der Mitte des XIX. Jahrhunderts, von wo
an das typisch Österreichisch-Wienerische
allmählich hinter der Tünche eines moder-
nen Kosmopolitismus verschwindet und das
alte Stadtbild sich zugunsten eines neuen,
unpersönlichen aufzulösen beginnt.
Poglayen-Neuwall.
Leopold Zahn, Raffael von Urbino.
Allgemeine Verlagsanstalt. München 1924.
Der Text über das „Glückskind“ Raffael
liest sich flüssig wie eine literarische Ar-
beit. Da er keine wissenschaftlichen Am-
bitionen erhebt, so ist dies gewiß kein Ta-
del. Hingegen sollte ein Werk nicht still-
schweigend den verheißungsvollen Namen
eines ersten Malers als Titel tragen, wenn
nur Reproduktionen von Zeichnungen des
Meisters beigegeben sind. Man sollte dem
Laien entweder Abbildungen von Bildern
bieten oder ein solches Buch auf das
Thema „Zeichnungen“ einstellen, in diey
sem speziellen Falle also „Zeichnungen
von Raffael von Urbino“.
Der vorliegende Text beschränkt sich im
wesentlichen auf die Erzählung des Lebens
mit den bekannten Ereignissen und wich-
tigsten Daten, wobei unter Hinweis auf
Wölfflin die formale Entwicklungslinie
an den Madonnenbildnissen aufgezeichnet
wird. Ein angeschlossenes Kapitel über
„Die klassische Kunst, Epoche und Per-
sönlichkeit“ ist sehr allgemein gehalten
und bietet infolgedessen keine neuen Ge-
sichtspunkte. S.Sch.
Georg Dehio, Handbuch der deut-
schen Kunstdenkmäler. Erster Band:
Mitteldeutschland. Berlin, verlegtbei Ernst
Wasmuth A.-G., 1924.
Nachdem der erste, Mitteldeutschland um-
fassende Band vonDehiosKunstdenkmälern
seit längerem vergriffen war, ist er jetzt in
dritter Auflage neu erschienen. Gegenüber
der zweiten Auflage ist der Umfang nicht
gewachsen, sondern um etwa 40 Seiten ver-
ringert worden. Dabei enthält der neue Band
eine Reihe von wichtigen Verbesserungen.
Wenn er trotzdem die auf ihn gesetzten Er-
wartungen nicht ganz erfüllt, so liegt das vor
allem an der Unzulänglichkeit der Inventare
besonders für die Provinz Sachsen und die
574
denen im Bilde kein optisches Äquivalent
korrespondieren soll („Das Erlebnis einer
Diagonalen und nicht ein optisches Schau-
spiel, nicht eine Diagonalen konstruk-
tion,“ Seite 41), der Sphäre der Sichtbar-
keit entnommen sind. War es denn nicht
der entscheidende Schritt vorwärts, wenn
z. B. Wölfflin oder Brinckmann ihre Kate-
gorien kunstwissenschaftlicher Erkenntnis
im sichtbaren Kunstwerk sinnlich auf zeig-
bar (optisch, haptisch oder motorisch) ver-
ankerten? Der Dünkel, im Besitze eines
vermeintlich höheren Erkenntnismittels (in
diesem Falle das Gefühl) zu sein, hat bis-
her manchmal Scheinerfolge, immer aber
desto gründlicheres Vergessenwerden nach
sich gezogen.
Das verschwenderisch gedruckte Buch
in einer unangemessenen Ausführlichkeit
zu besprechen, gebot nicht die Absicht,
den Verfasser zu belehren (denn dieser ist
unbelehrbar), sondern das kaufende Publi-
kum auch für die Zukunft vor Schaden zu
bewahren, indem frühzeitig ein Warnungs-
signal vor allen Ideologien des Dilettantis-
mus in kunstwissenschaftlichem Betracht
aufgezogen werden sollte.
Rud. Herrn. Walther.
Dr. Heinrich Saedler, Richard See¬
wald. Führerverlag, München-Gladbach.
Die vor uns liegende, kleine Monogra-
phie über Seewald ist aus Wärme und Ein-
fühlungskraft geboren. Mündliche und
schriftliche Aussagen des Künstlers wer-
den getreulich wiedergegeben. Sie bilden
das Fundament der entworfenen Lebens-
skizze.
Saedler schildert Seewald als einen Men-
schen, der bis jetzt das Sinnbildhafte in der
Landschaft und in dem Tier zu gestalten
bemüht war und erst von jetzt an zur
eigentlichen Darstellung des Menschen
schreiten will, um den Kreis der Schöp-
fung zu schließen. Wie weit ihm dies glük-
ken wird, bleibt eine offene Frage an die
Zukunft. S. Sch.
Hans Tietze, Alt-Wien in Wort und
Bild, vom Ausgang des Mittelalters bis
zum Ende des XVIII. Jahrhunderts. Mit
230 Abb. Kunstverlag A. Schroll & Co.
Wien 1924.
Hans Tietze, Das Vormärzliche Wien
in Wort und Bild. Mit 247 Abb. Kunst-
verlag A. Schroll & Co. Wien 1925.
Was uns Hans Tietze in diesen beiden
Büchern gibt, ist eine Auswahl von Aus-
zügen aus der auf das Wiener Leben der
damaligen Zeit bezugnehmenden zeitgenös-
sischen Literatur unter Beifügung gleich-
zeitiger Wiener Stadtansichten, die uns das
Leben und Treiben im alten Wien vor Au-
gen führen. Durch dieses Ineinandergreifen
trefflich gewählter literarischer und künst-
lerischer Zeugnisse erhalten wir ein ge-
treues Spiegelbild der Vergangenheit: vom
XV. Jahrhundert an, da in den Schilderungen
der Künstler und Literaten Wiens persönlh
ches Gepräge zum erstenmal hervortritt, bis
zu der Mitte des XIX. Jahrhunderts, von wo
an das typisch Österreichisch-Wienerische
allmählich hinter der Tünche eines moder-
nen Kosmopolitismus verschwindet und das
alte Stadtbild sich zugunsten eines neuen,
unpersönlichen aufzulösen beginnt.
Poglayen-Neuwall.
Leopold Zahn, Raffael von Urbino.
Allgemeine Verlagsanstalt. München 1924.
Der Text über das „Glückskind“ Raffael
liest sich flüssig wie eine literarische Ar-
beit. Da er keine wissenschaftlichen Am-
bitionen erhebt, so ist dies gewiß kein Ta-
del. Hingegen sollte ein Werk nicht still-
schweigend den verheißungsvollen Namen
eines ersten Malers als Titel tragen, wenn
nur Reproduktionen von Zeichnungen des
Meisters beigegeben sind. Man sollte dem
Laien entweder Abbildungen von Bildern
bieten oder ein solches Buch auf das
Thema „Zeichnungen“ einstellen, in diey
sem speziellen Falle also „Zeichnungen
von Raffael von Urbino“.
Der vorliegende Text beschränkt sich im
wesentlichen auf die Erzählung des Lebens
mit den bekannten Ereignissen und wich-
tigsten Daten, wobei unter Hinweis auf
Wölfflin die formale Entwicklungslinie
an den Madonnenbildnissen aufgezeichnet
wird. Ein angeschlossenes Kapitel über
„Die klassische Kunst, Epoche und Per-
sönlichkeit“ ist sehr allgemein gehalten
und bietet infolgedessen keine neuen Ge-
sichtspunkte. S.Sch.
Georg Dehio, Handbuch der deut-
schen Kunstdenkmäler. Erster Band:
Mitteldeutschland. Berlin, verlegtbei Ernst
Wasmuth A.-G., 1924.
Nachdem der erste, Mitteldeutschland um-
fassende Band vonDehiosKunstdenkmälern
seit längerem vergriffen war, ist er jetzt in
dritter Auflage neu erschienen. Gegenüber
der zweiten Auflage ist der Umfang nicht
gewachsen, sondern um etwa 40 Seiten ver-
ringert worden. Dabei enthält der neue Band
eine Reihe von wichtigen Verbesserungen.
Wenn er trotzdem die auf ihn gesetzten Er-
wartungen nicht ganz erfüllt, so liegt das vor
allem an der Unzulänglichkeit der Inventare
besonders für die Provinz Sachsen und die
574