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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 14
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Waldschmidt, Ernst: Frühmittelalterliche Kunst in Chinesisch-Turkistan
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0722

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zusammengelegt, stehen die Damen mit ihren Kronen in offenem kragenlosen
Rock da. Von den in der Mitte gescheitelten Haaren ziehen sich zwei Ringel-
löckchen in die Stirn, und vor den Ohren fällt je eine unten geringelte Locke
herab, die auf andern Bildern deutlicher zu sehen ist. — Der vorderasiatische
Charakter ist bei diesen Damen besonders deutlich und der Einfluß antiker
Malschulen gleichsam greifbar.
Verschiedene Bilder wechselvoller Stilrichtungen sind vor unseren Augen
vorbeigezogen, zumeist Stifterbilder oder Charakterköpfe, denen der Bedeutung
nach nur eine begleitende Rolle bei der Ausschmückung der Tempel zuzu-
schreiben ist. Zunächst und im wesentlichen war die Kunst nämlich religiös.
Eine hohe Kunst weltlichen Inhalts hat es in Türkistan nach den bisherigen
Feststellungen nicht gegeben. Bevor wir alsdann einen Begriff von den
Tempelanlagen, ihrer Ausschmückung und dem Inhalte der religiösen Darstel-
lungen zu gewinnen versuchen, sei es gestattet, einige Bemerkungen rein
technischer Beziehung über die Ausführung der Malereien zu machen.
Schon mehrfach sind Pausen erwähnt worden, und man könnte mit einiger
Berechtigung von einer bloßen Pausenmalerei sprechen. Pausen sind für
Wandgemälde und Tempelfahnen sowohl wie für Buchrollen in Anwendung
gewesen, und zwar nicht nur solche für vollständige Bilder, sondern auch
für einzelne Körperteile und bestimmte Attribute. Auf Papier entworfen,
durchlocht und mit Kohle überrieben, wurden die Umrisse auf die mit einem
Gemisch aus Lehm, Kamelmist u. a. beworfene und mit einer dünnen Stuck-
schicht überzogene Wand übertragen, nachgezogen und ausgemalt. Dabei er-
laubten sich die Maler nicht selten Freiheiten, so daß sich die nachgezogene
Linie mit der durchgepausten vielfach nicht deckt. Eine große Ungebundenheit
des Linienschwunges zeigt sich in der späteren Periode. Gelegentlich mag
hier sogar aus freier Hand gearbeitet sein. Zu bedenken sind zur Beurteilung
dabei die manchmal recht bedeutenden Flächen, welche die Maler zu
schmücken hatten, und das Halbdunkel der Höhlen, in denen sie zumeist
arbeiteten. Die Farben sind durchweg Temperafarben, welche, sehr empfind-
lich, mit feuchtem Finger sich heute leicht abreiben lassen. Auf einige in
echter al fresco-Malerei bemalte Fußböden wird später zurückzukommen sein.
Die zu diesem Artikel abgebildeten Skulpturen und Zeichnungen befinden sich im Museum für
Völkerkunde in Berlin.



Dame im Schellenmieder
(nach Grünwedel)
 
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