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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 14
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Waldschmidt, Ernst: Frühmittelalterliche Kunst in Chinesisch-Turkistan
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0721

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„Geheimschrift“ oder auch in den landesüblichen Schriftarten mit schwarzer
Tusche auf Papier, Seide oder Leder geschrieben. Der Titel ist in Zierschrift
und leuchtenden Farben gewöhnlich über mehrere Seiten verteilt. Oft wur-
den auch die schwarz geschriebenen Zeilen durch solche in Rot unterbrochen
oder noch mehr Farben herangezogen. Blümchen, Schnörkel, Punkte und
Striche in leuchtenden Farben sorgten zudem für Belebung. Man vermutet,
daß die z. T. aus dem 8.—g. Jahrhundert stammenden Miniaturen uns noch
eine gute Vorstellung von der Kunst des Mani, dessen Art der Darstellung
man möglichst getreu nachzuahmen versucht haben wird, geben können. Die
Malereien sogar der großen Wandgemälde haben einen gewissen miniaturen-
haften Charakter.
Taf.7a zeigt uns ein Stück von dem Blatte eines manichäischen Buches:
die Reste eines in manichäischer Schrift geschriebenen mittelpersischen
Textes, in sechs Zeilen erhalten und durch einen Miniaturstreifen verziert.
Wir sehen auf diesem noch zwei Dämonen, welche vor blauem Hintergründe
auf einer roten Lotusblume knien. Die beiden Hauer in den Mundwinkeln
bei dem linken, die weit aufgerissenen Augen bei beiden kennzeichnen sie als
Dämonen. Die Kleidung des einen besteht in einem mißverstandenen, in ein
Stoffkleid aufgelösten Panzer. Der Wehrkragen ist in Goldblatt aufgesetzt,
um Hüften und Oberschenkel legt sich ein breiter Plättchenschurz. Seine
Waffe ist ein blaues Hammerbeil mit goldenem Stiel. Der andere trägt nur
einen roten Umhang und ein grünes Hüfttuch, in der Hand hält er eine
goldene Schale, auf der ein grüner Fisch liegt. Beide haben stark gekrümmte
Adlernasen, Kronen zieren die schwarzen Locken. Das Gesicht des Halb-
nackten umrahmt ein blauer Vollbart, während das des Gepanzerten geringelte
Bart- und Haarlöckchen bedecken. — Auf der Rückseite desselben Blattes
(Taf. 7 b) ist eine noch unerklärte, vielleicht allegorische Handlung dargestellt.
Wir sehen drei männliche Gestalten, von denen zwei nur mit einem Hüft-
schürz bekleidet sind. Zwischen diesen beiden bemerkt man ein grünes
Garbenbündel. Der eine der beiden ist gefesselt und trägt einen Stierkopf an
einer weißen Schnur um den Hals gehängt. Die sehr zerstörten Züge seines
Gesichtes drücken Verstocktheit aus, während sein Kamerad schon in seiner
ganzen Haltung Entsetzen zur Schau trägt. Zwischen ihnen liegt ein Paar
fleischfarbener Fußsohlen. Vor dem Gefesselten steht ein Mann in rotem
Überrock, der in der Rechten einen über die Schultern gelegten Stock trägt,
während er die Linke mit erhobenem Zeigefinger warnend gegen die beiden
halbnackten Personen hebt.
Taf. 7 c gibt einen Ausschnitt aus einem großen, beiderseits illuminierten
Buchblatt, welches wahrscheinlich eine kirchliche Feier, und zwar die Er-
innerungsfeier an den Märtyrertod des Mani, darstellt. In der Mitte unseres
Ausschnittes erblicken wir einen auf einem Teppich stehenden roten Tisch,
auf dem Weizenbrote aufgeschichtet sind. Diese haben die Gestalt der
Sonnenscheibe mit einer darum gelegten Mondsichel. Links hinter dem Tisch
steht eine dreifüßige goldene Schale, in welcher Melonen und Weintrauben^
liegen. Rechts vom Tisch kniet der amtierende Geistliche in weißem Gewände,
in der Hand ein kostbares, prächtig gebundenes Buch haltend. Hauptperson
und Mittelpunkt des vollständigen Bildes ist der bei uns links z. T. noch sicht-
bar werdende Hohepriester, der auf einem mit einem roten Tuch bedeckten
Gestell sitzt. Das Bild wird dann nach beiden Seiten von Reihen von Geist-
lichen verschiedenen Ranges eingefaßt. — Das nicht ganz zweifellos mani-
chäische Bruchstück einer Miniatur aus einer Buchrolle, Taf. 7 d, stellt fünf
vornehme Damen dar, welche zu einer Reihe von Zuschauern gehört haben
mögen, die irgendeine Ereignisdarstellung umgeben. Die Hände vor der Brust

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