bekannten Gandharaschule bildet. Diesem Stil gehören, von den betrachteten,
die Gemälde der Pfauen-, Seefahrer-, Schatz- und Hippokampenhöhle an. Die
zweite Stilart zeigt stärkere iranische Einflüsse und eine fast vollkommene
Umsetzung in eine Malweise, welche wir, bis uns weitere Aufschlüsse werden,
als für das Türkistan dieser Zeit eigentümlich in Anspruch nehmen wollen. Sie
überrascht uns durch den Verzicht auf alle Naturnähe und zeigt eine auffallende
Bevorzugung eines kostbaren Ultramarinblau. Die Höhlen dieses Stiles gehören
zum überwiegenden Teil dem Typus mit der Stuparückwand an, den wir aus
der Höhle der Maya kennengelernt haben. Die Gemälde dieser Höhle, die Reste
aus der Höhle mit dem Musikerchor und andere betrachtete Einzelstücke, auch
die vorgeführten tocharischen Stifterbilder gehören dem zweiten Stile an. Ab-
schied nehmend, begrüßen wir noch einmal seine Höhepunkte in zwei Darstel-
lungen, welche dem modernen Empfinden auch des diesen Dingen ferner Stehen-
den näher treten können. — Der nackte Unterkörper eines Dschaina-Asketen
(Taf. 9, b), der sich vor erotischen Wallungen ausschweifender Art heroisch ge-
schützt hat, stellt sich in legerer Positur unseren Augen bloß. Der leichte Fluß
der Linien, die weichliche Behandlung der Formen, die Tänzerinnenstellung
ist ihm gemeinsam mit dem Taf. 9, c abgebildeten Gott, welcher unter einem
prachtvoll stilisierten Baume, mit ebenso geziert übereinandergelegten Unter-
schenkeln, den linken Arm leicht auf die Schulter einer die Bügelharfe spielenden,
dunkelhäutigen (himmlischen) Musikantin gelehnt, uns in vertrauter Unterhaltung
entgegentritt. Kunstvoll geschlungene, schalartige Gewänder verhüllen nur an
wenigen Stellen die weiße Gestalt des Gottes. Die Musikantin trägt ein Mieder,
ihren Unterkörper bedeckt ein blaues Gewand mit nach hinten zurückfallender
Schleppe. Reicher Schmuck und viele Zierbänder umschlingen die Glieder beider.
Im Lockenansatz des Gottes zeigen sich antike Erinnerungen.
Bereits Grünwedel hat nach einer Betrachtung der Darstellungsinhalte und
der Verteilung der Gemälde auf die Wände der Höhlen des zweiten Malstiles,
im Hinblick auf den von uns später zu besprechenden dritten Stil der uigurischen
Epoche, davon gesprochen, daß, wie die Stifter einem anderen Volke angehörten,
auch die Religion eine andere sei. Unser an geeigneter Stelle in breiterem Zu-
sammenhänge zu führender Nachweis, daß einzelne Höhlen nach den Texten
einer ganz bestimmten buddhistischen Sekte ausgemalt worden sind, ermöglicht,
im Verein mit Tatsachen, welche sich aus den Geschichtsquellen und den auf-
gefundenen qyziler Handschriften ergeben, den angedeuteten Gedanken klarer
dahin zu fassen, daß die Mönche der Ming-öi von Qyzil und wahrscheinlich der
ganzen Umgebung von Kutscha bis in das 8. (?) Jahrhundert hinein Anhänger der
Schule der Sarvastivadins gewesen sind, daß ihre Kunst also eine Hinayana-
Kunst ist. Die einmal deutlich auszusprechende Tatsache, daß die Kunst von
Kutscha kaum eine Spur der für das Mahayana charakteristischen Elemente auf-
weist, möge dazu beitragen, dem längst verstummt sein sollenden, auf über-
holten Ansichten beruhenden Gerede von einem nördlichen (Mahayana-) und
einem südlichen (Hinayana-)Buddhimus ein verdientes Ende zu bereiten. In
Türkistan ist die Verteilung der buddhistischen Sekten eher umgekehrt, im Süden,
in Choten, haben wir seit früher Zeit Anhänger des Mahayana. Wie es s;ch
nun in der Gegend von Turfan verhält, werden wii sehr bald zu betrachten
haben.
900
die Gemälde der Pfauen-, Seefahrer-, Schatz- und Hippokampenhöhle an. Die
zweite Stilart zeigt stärkere iranische Einflüsse und eine fast vollkommene
Umsetzung in eine Malweise, welche wir, bis uns weitere Aufschlüsse werden,
als für das Türkistan dieser Zeit eigentümlich in Anspruch nehmen wollen. Sie
überrascht uns durch den Verzicht auf alle Naturnähe und zeigt eine auffallende
Bevorzugung eines kostbaren Ultramarinblau. Die Höhlen dieses Stiles gehören
zum überwiegenden Teil dem Typus mit der Stuparückwand an, den wir aus
der Höhle der Maya kennengelernt haben. Die Gemälde dieser Höhle, die Reste
aus der Höhle mit dem Musikerchor und andere betrachtete Einzelstücke, auch
die vorgeführten tocharischen Stifterbilder gehören dem zweiten Stile an. Ab-
schied nehmend, begrüßen wir noch einmal seine Höhepunkte in zwei Darstel-
lungen, welche dem modernen Empfinden auch des diesen Dingen ferner Stehen-
den näher treten können. — Der nackte Unterkörper eines Dschaina-Asketen
(Taf. 9, b), der sich vor erotischen Wallungen ausschweifender Art heroisch ge-
schützt hat, stellt sich in legerer Positur unseren Augen bloß. Der leichte Fluß
der Linien, die weichliche Behandlung der Formen, die Tänzerinnenstellung
ist ihm gemeinsam mit dem Taf. 9, c abgebildeten Gott, welcher unter einem
prachtvoll stilisierten Baume, mit ebenso geziert übereinandergelegten Unter-
schenkeln, den linken Arm leicht auf die Schulter einer die Bügelharfe spielenden,
dunkelhäutigen (himmlischen) Musikantin gelehnt, uns in vertrauter Unterhaltung
entgegentritt. Kunstvoll geschlungene, schalartige Gewänder verhüllen nur an
wenigen Stellen die weiße Gestalt des Gottes. Die Musikantin trägt ein Mieder,
ihren Unterkörper bedeckt ein blaues Gewand mit nach hinten zurückfallender
Schleppe. Reicher Schmuck und viele Zierbänder umschlingen die Glieder beider.
Im Lockenansatz des Gottes zeigen sich antike Erinnerungen.
Bereits Grünwedel hat nach einer Betrachtung der Darstellungsinhalte und
der Verteilung der Gemälde auf die Wände der Höhlen des zweiten Malstiles,
im Hinblick auf den von uns später zu besprechenden dritten Stil der uigurischen
Epoche, davon gesprochen, daß, wie die Stifter einem anderen Volke angehörten,
auch die Religion eine andere sei. Unser an geeigneter Stelle in breiterem Zu-
sammenhänge zu führender Nachweis, daß einzelne Höhlen nach den Texten
einer ganz bestimmten buddhistischen Sekte ausgemalt worden sind, ermöglicht,
im Verein mit Tatsachen, welche sich aus den Geschichtsquellen und den auf-
gefundenen qyziler Handschriften ergeben, den angedeuteten Gedanken klarer
dahin zu fassen, daß die Mönche der Ming-öi von Qyzil und wahrscheinlich der
ganzen Umgebung von Kutscha bis in das 8. (?) Jahrhundert hinein Anhänger der
Schule der Sarvastivadins gewesen sind, daß ihre Kunst also eine Hinayana-
Kunst ist. Die einmal deutlich auszusprechende Tatsache, daß die Kunst von
Kutscha kaum eine Spur der für das Mahayana charakteristischen Elemente auf-
weist, möge dazu beitragen, dem längst verstummt sein sollenden, auf über-
holten Ansichten beruhenden Gerede von einem nördlichen (Mahayana-) und
einem südlichen (Hinayana-)Buddhimus ein verdientes Ende zu bereiten. In
Türkistan ist die Verteilung der buddhistischen Sekten eher umgekehrt, im Süden,
in Choten, haben wir seit früher Zeit Anhänger des Mahayana. Wie es s;ch
nun in der Gegend von Turfan verhält, werden wii sehr bald zu betrachten
haben.
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