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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 24
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#1214

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Sammlungen

unter eine sehr schöne, stark fränkisch be-
einflußte Grablegung in sehr zarter Linien-
führung aus Südböhmen. Drum herum in
Kästen und Vitrinen viel Kleinzeug, da-
runter einige Seltenheiten an Abtsinsignien,
Reliquiarien und Ringen. Weiter hinauf die
Zeiten schönes Steinzeug, Gläser und vor
allem gute Majolikas. Ein Provinzmuseum
kleinsten Ausmaßes also, dem man nur zu
sehr die zufällige Zusammensetzung ansieht.
Wieder ein Bruchstück mittelalterlicher
Kunst findet man im Kunstgewerbe-
museum. Dessen Stärke sind die böhmi-
schen Gläser, deren Grundstock die schöne
Lannasche Sammlung bildet. Die mittel-
alterlichen Stücke sind wieder nur Zufalls-
acquisitionen, die hier recht an die Seite
gedrückt wirken. Dabei sind aber schöne
Stücke darunter, so ein Schnitzaltar des
15. Jahrhunderts aus dem Schittenhofener
Bezirk im Böhmer Wald, dann eine unge-
fähr gleichzeitige Pieta, ebenfalls südböh-
mischen Ursprungs. Drumherum wieder
Kleinigkeiten, die hier zersplittern, in grö-
ßeren Rahmen gefaßt aber gutes Füllwerk
bilden könnten.
Wieder manches an mittelalterlicher
Kunst findet man im Städtischen Mu-
seum. Dieses liebevoll besorgte Museum
ist viel zu wenig bekannt. Zwar auch ein
erschröcklicher Kasten im klassischen Mu-
seumsstil, d. h. man ersäuft in den Räumen.
Und viel zu voll. Schuld daran ist der Man-
gel jeglicher Depoträume, so daß das Mu-
seum selbst zugleich Depot sein muß. Wo-
runter manches gute Stück zu leiden hat.
Hier findet man alles, was mit Prag nur
irgendwie in Beziehung gebracht werden
kann. Stadtansichten vom 13. Jahrhundert
bis heute; Zunftinsignien, Privilegien, Sie-
gel, Kästen, Sterbetücher, die Folterkam-
mer; Gläser in Fülle, darunter das älteste
Prager aus dem 14. Jahrhundert und die
schönen Doppelwandgläser, dann Porzel-
lan verschiedenster Manufakturen, wie es
eben in Prag zusammenkam. So ein rich-
tiges Lokalpatriotenmuseum also! Und
doch mehr. Dafür sorgt eben die in Prag
geschaffene Kunst. Die Plastik vor allem.
Da sind aus dem Mittelalter schöne Pietas,
Marienstatuen, eine Anna selbdritt, alle aus
dem 14. Jahrhundert, ein schöner Kruzifixus
aus dem 13. Jahrhundert und manches an-
dere, was gewichtigere Aufstellung ver-
diente. Dann die reiche Barockplastik, her-
vorzuheben zwei goldene Statuen des hl.
Thomas, überlebensgroßer hl. Wenzel, ein
Kruzifixus typisch Prager Barocks, Rah-
men, Gitter, Schlösser, Möbel. Genug, um
Prager Kunstschaffen würdigen zu lernen,

manches, was darüber hinausführt. Und da-
bei überall eine Art der Darbietung, die
Liebe verrät und erweckt. Nur alles er-
stickt im Allzuviel. Und so eben auch nur
Stückwerk.
Warum entschließt man sich hier in
Prag nicht, mit dieser Kleinleutesammelei
zu brechen. Warum konzentriert man
nicht! Und dies nach sinnvollen Ge-
sichtspunkten! Für eine mittelalterliche
Sammlung ansehnlichen Gehalts wäre
Material genug vorhanden. Die böhmi-
sche Malerei als Herz. Kramaf versucht
jetzt so etwas. Das aber im Rahmen
einer Galerie, in der Plastik doch stets An-
hängsel bleiben wird. (Noch dazu, wo nicht
einmal für die Gemälde Platz ist! Rudolfi-
num, in dem das Parlament tagt!) Nein,
eine selbständige mittelalterliche Samm-
lung! Unbenutzte Kirchen stehen genug her-
um, die sichmit wenig Mitteln zu solch einer
Stätte ausbauen ließen. Und man weiß ja:
ist erst mal ein richtiger Ort geschaffen,
so übt er magnetische Kraft aus. Manches
an mittelalterlicher böhmischer Kunst würde
zutage kommen, was heute in Kirchenwin-
keln oder noch unbeachteren Orten ver-
modert. Und dann ein Barockmuseum!
Welche Möglichkeiten in hiesigen Palä-
sten! Der Prager Barock verdient es. Das
Kunstgewerbemuseum — wie schrecklich
neutral schon der Name! — als Gläser-
sammlung spezialisiert! Die Galerie der
modernen Malerei! Das wären die Museen,
in denen Prag seine Physiognomie auf-
zeigte. So aber findet man mit bestem Wil-
len keine. Schürer.
CHEMNITZ
Der bekannte Corinthsammler Erich Goe-
ritz schenkte der Städtischen Kunstsamm-
lung seiner Vaterstadt eine Sammlung von
1000Lithographien Daumiers aus dem „Cha-
rivari“. Neben Einzelblättern sind 31 z. T.
vollständige Serien vertreten, unter denen
die Darstellungen aus dem Bürgerleben vor-
herrschen. So besitzt sie: fimotions pari-
siennes, Les Carottes, Croquis parisiens,
Les Strangers ä Paris, Meers conjugales,
Les Papas, La Comete de 1857, La Journee
du celibataire, Tout ce qu’on voudra. Un-
ter den politischen Serien seien genannt:
Physionomie de l’assemblde, Idylles par-
lementaires und Actualites. Das erst vor
3 Jahren ins Leben gerufene Graphikkabi-
nett, das seine Sammeltätigkeit hauptsäch-
lich der modernen Graphik gewidmet hat,
erhält durch die Goeritzsche Schenkung
eine Bereicherung, wie es sie aus eigenen
Mitteln nie hätte schaffen können.

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