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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 11
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Göbel, Heinrich: Das Leben Urbans VIII.: die Pfeilerteppichserie aus der römischen Manufaktur des Kardinals Francesco Barberini
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0336
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die Pfeilerstücke. Über die Darstellung der in der Literatur bereits bekannten großen
Behänge und der schmalen Streifen eingehender zu sprechen, erübrigt sich hier1; von
Bedeutung sind für uns lediglich die Pfeilerteppiche.
Der Entwurf geht aller Wahrscheinlichkeit nach auf Lazzaro Baldi, den Schüler und
Nachfolger Pietro da Cortonas, zurück. Unter dem 6. August 1665 beauftragt Kar-
dinal Francesco den Meister mit der Durchführung der Friese, das heißt der langen,
niedrigen Streifen. Für Baldi als Entwerfer der Pfeilerteppiche spricht in erster Linie
die Art der Komposition, die allzu deutlich die Abhängigkeit von der Formensprache
Cortonas verrät. Die Fertigstellung der Serie zieht sich mehr als 20 Jahre hin. 1685
- nach dem Tode des Kardinals (1 679)— schmücken die ersten sechs großen Teppiche
die Fassade des Palazzo Barberini.
Insgesamt handelt es sich um acht Pfeilerstücke (Bes.: Margraf & Co., Berlin). Die
Höhe beträgt durchgängig (bis auf einen kurzen Streifen mit 4,65 m) 5,55 m, die
Breite 1,15 bis 1,25 m. Das ausgesprochen plastische Empfinden, der betont architek-
tonische Aufbau erinnern stark an die niedrigen langen Wirkereien, während die Rahmung
der großen Behänge sich auf einen Blattfries und ein architektonisches Glied beschränkt.
Die Farbengebung der Pfeilerstücke verrät eine gewisse Abhängigkeit von den Bild-
wirkereien der Pariser Ateliers der van den Planken und Comans — der Aufenthalt
des Kardinal-Legaten in Paris, den er zum eifrigen Studium der Bildteppichmanufak-
turen der französischen Metropole benutzte, ist nicht ohne Einfluß geblieben, ganz ab-
gesehen von den Pariser Serien, die König Ludwig XIII. dem einflußreichsten aller
Kardinale überreichen ließ, die später dem Barberinisclren Atelier als Vorlage dienten —;
typisch ist der grauweiße Ton mit den leuchtenden Seidenlichtern in den Maskarons,
in den herauswachsenden Voluten. Grau mit gelblichen Nuancen geben sich die Kon-
solen mit der Biene (dem Wappentier des Hauses Barberini) und den etwas schweren
Ranken- und Muschelmotiven. Das Medaillon ahmt vergoldete Bronze nach: gelb mit
braunen Schatten. Pfeiler und Rundbild werden trefflich gehoben durch den roten
Grund. Als farbige Werte erscheinen die naturalistisch erfaßten Blumen — zumeist
rote Rosen und Tulpen mit dunkelgrünem Laubwerk —■ in gelbbräunlichen Kübeln,
das rote bzw. blaue Tuchgehänge unter dem Maskaron und die seitlich an den Voluten
aufgehängten grünen Lorbeerfestons. Ein streng gezeichnet er Eierstab (grau und gelb-
lich) rahmt das Motiv. Die Gesamtwirkung ist monumental und herb, die Farben-
gebung von einer fein abgestimmten Ruhe, die gut mit dem etwas schweren architek-
tonischen Aufbau zusammengeht. Ob mit den vorhandenen acht Pfeilerteppichen die
Serie der »entrefenetres« — um den zeitgenössischen französischen Ausdruck zu ge-
brauchen — der Zahl nach vollständig ist, steht dahin. Die Tatsache, daß nur drei
Behänge mit bärtigen Maskarons gegenüber fünf Teppichen mit Frauenköpfen uns
überkommen sind, läßt vielleicht den Schluß zu, daß ursprünglich zehn »entrefenetres«
vorhanden waren.
Geschichtlich und kunsthistorisch gleich bedeutungsvoll sind in erster Linie die Me-
daillons mit den verschiedenen Szenen und Bildern, von lateinischen Legenden be-
gleitet. Es besteht kaum ein Zweifel, daß der Kardinal selbst sich eifrig der Vorlagen
annahm, daß er auf Naturtreue nachdrückliches Gewicht legte. Die Episoden aus
dem Leben Urbans VIII. — in den Medaillons verherrlicht. — gliedern sich in drei Ab-
schnitte: die Abstammung des Papstes, seine Ausbildung, seine Bauten. Leider sind die
Streifen bei der photographischen Aufnahme nicht so geordnet, daß sich die zwangs-
läufige Fortsetzung ergibt. Ein Springen der Buchstaben a bis h läßt sich nicht ver-
meiden :
a) Ein Flußgott (Arno) lagert neben einem Löwen; im Hintergründe erhebt sich eine
1 H. Göbel, Wandteppiche. II. Teil (Die romanischen Länder). Bd. I, S. 42off. Leipzig 1928.
 
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