Heiligentaler Altar Hl. Laurentius
Lüneburg, Nikolaikirche
natürlich! ■—- nicht ganz ab, aber die tonige Yerbindung der Farbwerte und die ver-
trieben weichere Malweise der Einzelpartien (vgl. z. B. Gesichter, Brokatstoffe usw.)
lassen den erheblichen Fortschritt doch ohne weiteres erkennen. Weil es sich also in
erster Linie um wirklich malerische Werte und Stilwandlungen handelt, scheint auch
in diesem Falle ein nur indirekter, erneuter Kontakt mit den Niederlanden höchst un-
wahrscheinlich. Daß direkte niederländische Vorbilder nicht namhaft gemacht werden
können, ist bei der ungeheuren Dezimierung des dortigen ehemaligen Bestandes nicht
weiter erstaunlich; aber trotzdem wird kaum zu bezweifeln sein, daß die Darstellungen
der beiden Schächer direkt vom Meister von Flemalle ausgehen und nur von einem
verloren gegangenen Bilde vielleicht sogar eine zuverlässigere Yorstellung bieten als
die Kopie in Liverpool 1. Aber wichtiger als solche motivischen Beziehungen, bzw.
Entlehnungen ist unbedingt die ganze Bildanlage, die auf Spätwerke des Rogierkreises,
wie auf die Kreuzigung in Wien 2, verweist. Die mit dem mittelalterlichen Werkstatt-
betrieb zusammenhängende Tatsache, daß »Filiationen«, bzw. Kopien früher datiert
sein können als die Originale, kann in diesem Falle doch wohl kaum so gepreßt werden,
daß H. Bornemann solche oder ähnliche Lösungen auch schon um 1440 kennen gelernt
haben kann. Sicher haben wir, als Abhorcher geistig-künstlerischer Vorgänge, mehr
Möglichkeiten zuzugestehen, als sich eine schematisierende und sehr unkluge — d. h.
unzulängiiche — Schulweisheit träumen läßt. Die größtmögliche Reiseleichtigkeit
zugegeben, blei’bt immer auch noch die Frage, was auf solchenFahrten gesehen worden
ist (natürlich keineswegs unbedingt nur das »Neueste«). Gegenüber einer leichtfertigen
1 Vgl. E. Heidrich, Altniederländische Malerei, Jena 1910, Abb. 21.
J Vgl. M. J. Friedländer, Die altniederländische Malerei, Berlin 1924. S. 30 u. Taf.
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Lüneburg, Nikolaikirche
natürlich! ■—- nicht ganz ab, aber die tonige Yerbindung der Farbwerte und die ver-
trieben weichere Malweise der Einzelpartien (vgl. z. B. Gesichter, Brokatstoffe usw.)
lassen den erheblichen Fortschritt doch ohne weiteres erkennen. Weil es sich also in
erster Linie um wirklich malerische Werte und Stilwandlungen handelt, scheint auch
in diesem Falle ein nur indirekter, erneuter Kontakt mit den Niederlanden höchst un-
wahrscheinlich. Daß direkte niederländische Vorbilder nicht namhaft gemacht werden
können, ist bei der ungeheuren Dezimierung des dortigen ehemaligen Bestandes nicht
weiter erstaunlich; aber trotzdem wird kaum zu bezweifeln sein, daß die Darstellungen
der beiden Schächer direkt vom Meister von Flemalle ausgehen und nur von einem
verloren gegangenen Bilde vielleicht sogar eine zuverlässigere Yorstellung bieten als
die Kopie in Liverpool 1. Aber wichtiger als solche motivischen Beziehungen, bzw.
Entlehnungen ist unbedingt die ganze Bildanlage, die auf Spätwerke des Rogierkreises,
wie auf die Kreuzigung in Wien 2, verweist. Die mit dem mittelalterlichen Werkstatt-
betrieb zusammenhängende Tatsache, daß »Filiationen«, bzw. Kopien früher datiert
sein können als die Originale, kann in diesem Falle doch wohl kaum so gepreßt werden,
daß H. Bornemann solche oder ähnliche Lösungen auch schon um 1440 kennen gelernt
haben kann. Sicher haben wir, als Abhorcher geistig-künstlerischer Vorgänge, mehr
Möglichkeiten zuzugestehen, als sich eine schematisierende und sehr unkluge — d. h.
unzulängiiche — Schulweisheit träumen läßt. Die größtmögliche Reiseleichtigkeit
zugegeben, blei’bt immer auch noch die Frage, was auf solchenFahrten gesehen worden
ist (natürlich keineswegs unbedingt nur das »Neueste«). Gegenüber einer leichtfertigen
1 Vgl. E. Heidrich, Altniederländische Malerei, Jena 1910, Abb. 21.
J Vgl. M. J. Friedländer, Die altniederländische Malerei, Berlin 1924. S. 30 u. Taf.
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