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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 17/18
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0507
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Walter Gropius Modell eines Wohnhochbaues. Südseite. 1930

Zu nebenstehendem Beitrag: »Walter Gropius«

RUNDSCHAU

AUSSTELLUNG ALTER KIRCHLICHER KUNST
IN BUDAPEST

Aus Anlaß der 900. Jahreswende des Todes des
lil. Emmerich — des Sohnes des hl. Stephan,
ersten Königs von Ungarn — wurde im Rudape-
ster Kunstgewerbemuseum eine Ausstellung alter
kirchlicher Kunst eröffnet, dercn Protektorat der
Kardinal Fürstprimas v. Ungarn übernahm. —
Letzterem Umstande ist es in erster Linie zu dan-
ken, daß dic katholischen Kirchen Rumpfungarns
mit ihren sorgsam betreutcn Schätzen die Ausstel-
lung beschicklen, daß Panzerschränke, Sakristeien
und Vitrinen der öf f cntlichen und privaten Samm-
lungen sich im Wetteifer leerten, um mit ihren
besten Stücken den Erfolg des Unternehmens zu
sichern.

Prinzipieil wurde die Ausstellung auf kunstge-
werbliche Arbeiten, die mit dem katholischenKult
in Beziehung stehen, beschränkt. Neuzeitliche Kir-
chenkunst (nacli 1800) war ausgeschlossen. —

Es liandelt sich hauptsäcblich um vier Abteilun-
gen: Plastik (Groß- und Klcinplastik in Stein,
Holz, Elfenbein, Bronze), eigentliche Kult-
gegenstände in edlen und unedlen Metallen
(Kelche, Monstranzen, Reliquiare usw.), Texti-
lien (Meßgewänder, Gobelins usw.) und 111 u-
minierte Pergamenthandschriften und
Frühdrucke. Glas, Keramik, Lederarbeiten und
Möbel fehlen auf der Ausstcllung. Aber innerhalb
dieser ziemlich engen Grenzen ist eine strenge und
wohltuende Auswahl getroffen worden, mit dem
Erfolg, daß die ausgestellten Kunstwerke, mit ganz

wenigen Ausnahmen, hohen und höchsten Anfor-
derungen entsprechen.

Wir erwähnen einige Raritäten: Ein mit »Cund-
p a 1 d F e c i t« signierter, mit graviertem Flechtwerk
verzierter, Kupfer vergoldeter Kelch des 8. Jahr-
hunderts, ein ebenbürtiger Konkurrent des Tas-
silo-Kelches. — Ein Silberkelch des i2.Jahrhun-
derts, mit gravierter Palene — die Gotteshand in
einem Maeander-Kranz. — Eine silbcrne Krümme
eines Bischofsstabes des 12. Jahrhunderts, in den
einfachen Formen der Zeit in einem Drachen-
kopf endigend. — Das Kopfreliquiar des lil. Ladis-
laus, um 14oo, Silber vergoldet —- der wunder-
volle Charakterkopf mit stilisierter Ilaar-und Barl-
tracht, die Büste in Rautenfelder geteilt und mit
vielfarbigem transluzidem Email verzicrt. — Dic
nacli einer Zeichnung des Pollaiuolo für den Kö-
nig Matthias Corvinus angefertigte Casel, ein
Samtbrokat (die Zeichnung in grünen Konturen
auf Goldnoppengrund) so edel in der Komposition
und Ausfiihrung und so gut erhalten, daß er als
repräsentatives Stück seiner Epoche und Gattung
gclten, und überhaupt eines der schönstcn Er-
zeugnisse der Samtweberei genannt werden darf.
Die an den Wänden des großen Schauraumes des
Kunstgewerbemuseums ringsum aufgehängten Ve-
netianischen und Florentiner Samtbrokatgewän-
der mit ihren leuchtenden Farben und den in fein-
ster Nadclmalerei, Perlenstickerci und Tambourir-
arbeit ausgeführten Stäben und Kreuzen geben der
Ausstellung einen farbenprächtigen llahmen.

Die Plastik ist mit vorzüglichen Werken der un-

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