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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 19/20
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0548
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und oft emphatische Maler sich als großer Künst-
ler entpuppt. Herr Pierre Renoir konnte ein Bild
seines Yaters leihen, das dieser in Algier gemalt
hat.

Es war bedauerlich, daß zur gleichen Zeit in Paris,
im Petit Palais, ebenfalls eine Gedächtnisausstel-
lung zur Eroberung Algiers stattfand, die auch —
da die Materie künstlerisch unbedeutend ist, zur
Ausstellung der Maler des Orients geworden ist. So
sind z. B. Chasseriaus und Fromentins Bilder zwi-
schen den beiden Ausstcllungen verteilt. Beiden
Museen haben der Louvre wie auch der Baron
Chasseriau (ein Nachkomme des Malers) Leihgaben
gesandt. Es ist die falsche französische Gewohn-
heit, alles nur in Paris und für Paris zu behalten:
in Algier wäre eine großartige Ausstellung des
Orientalismus viel besser am Platze gewesen.

Wenig hekannt ist es, daß Algier für die Fortset-
zung der Überlieferung sorgt. In Algiers Nähe er-
hält die Villa Abd-El-Tif, wie die Villa Medici in
Rom, Persionäre, die aber ganz frei von dem aka-
demisclien Drill blciben. Namhafte Kiinstler hlie-
ben da einige Jahre: dcr Maler Dufresne — der
jedoch diese Zeit vollkommen vcrleugnet — die
Bildhaucr Poisson und Pommier. P. C.

DIE BILDERGALERIE VON SANSSOUCI
Eine der wenigen Galerien des 18. Jahrhunderts,
deren Bau nahezu unverändert auf unsere Tage ge-
kommen ist, die von Johann Gottfried Büring in
den Jahren 1755—1764 beim Schloß Sanssouci er-
baute Galerie, ist nach durchgreifender Neuord-
nung der Sammlung wieder zugänglich gemacht
worden. Der wohlproportionierte, eingeschossige
Bau, dessen Schönheit sich vollends im Innern cnt-
hüllt, ist von Friedrich II. zur Aufnahme seiner
neuen Erwerbungen bestimmt worden. Die Wand-
lung seines Geschmacks von der französischen Ro-
kokokunst zur Barockmalerei italienischer undflä-
mischer llerkunft unterstützte gewiß den Wunsch
nach geeigneten Räumen. So entstand bei Sans-
souci eine der typisch fürstlichen Galerien, deren
Wirkung auf der Harmonie des dekorativen Rah-
mens mit dem heroischen Inhalt der Darstellun-
gen beruht. In dieser Eigenart ist einzig die Galerie
von Sanssouci erhalten gcblieben, ein Dokument
von unschätzbarem Wert.

Die Sammlung selbst hat im Laufe der Zeit große
Veränderungen erfahren. Von den fünfzig Gemäl-
den, die die Franzosen 1806 nach Paris entführ-
ten, ist der größte Teil wieder zurückgegeben wor-
den. Lediglich drei Bilder sind verschollen, wäh-
rend sich zwei andere heute in der Brera in Mai-
land befinden. Verhängnisvoller für die Galerie
war die Gründung des Alten Museums in Berlin,
wohin sie ihren schönsten Besitz ausliefern mußte,
ein Ereignis, das der Sammlung jeden selbständi-
gen Wert nahm. Das Verdienst der Wiederherstel-
lung und Neuordnung der Sammlung Friedriohs
des Großen ist es, alle erreichbaren Stücke wieder

vereinigt zu haben. Trotz mancher Lücken im alten
Bestande macht die Sammlung einen einheitlichen
Eindruck. Am geschlossensten istdie Kollektion der
flämischen Gemälde des 17. Jahrhunderts. Rubens
selbst ist noch mit fünf, van Dyck mit drei eigen-
händigen Werken vertreten. Von Boeyermans,
Janssens, Thulden, Cornelis de Vos besitzt die Ga-
lerie Hauptwerke. Unter den italienisohen Bildern
sind Werke von Giulio Romano, Domenichino,
Maratti und Luca Giordano hervorzuheben. Von
den holländischen Gemälden interessieren beson-
ders die Werke von Bloemaert, Cornelisz van Haar-
lem, Ferdinand Bol, Lievens, Aert de Gelder,
Adriaen van der Werff; von den Franzosen Vignon
und Lancret.

Zur Wiedereröffnung erschien ein kurzer Führer
und ein reich illustrierter Katalog der Galerie,
beide von Elisabeth Henschel-Simon mit Sorgfalt
bearbeitet. Der Besitz der übrigen Schlösser an
Gemälden und Skulpturen soll in gleicher Weise
katalogisiert werden. S.

NEUES AUS DEM MUSEUM BOYMANS
Das Museum Boymans in Rotterdam durfte sich
in der letzten Zeit verschiedener wertvoller Ge-
schenke erfreuen. An erster Stelle steht ohne Zwei-
fel das schöne Kircheninterieur von P i e t e r
Saenredam, von dem die Sammlung bislang
nur die Außcnansicht einer Kirche besaß. Es ist
eine typisch kalvinistische Auffassung eines Gottes-
hauses; eine kühle, positive, rein verstandesmäßige
Stimmung weht einem daraus entgegen. Das Ge-
mälde befand sich frülier im deulschen Privatbe-
sitz, in der Sammlung Dr. E. Kulenkampf in Bre-
men; dargestellt ist das Interieur der noch heute
bestehenden Sint-Jans-Kerk in Utrecht, einerjPfei-
lerbasilika aus der Mitte des 11. Jahrhunderts. Die
i636 datierte Zeichnung Saenredams zu diesem
Bild befindet sicli in der Kunsthalle zu Hamburg.
Auch die graphische Sammlung des Museums
wurde durcli Schenkung mit verschiedenen bemer-
kenswerten Zeichnungen bereichert, u. a. einer Pa-
noramalandschaft von Joost de Momper, die
der Amsterdamer Kunsthändler P. de Boer gestif-
tet hat, sodann einem Skizzenbuch von 4o Blättern
des Rotterdamer Marinemalers A. van Beest
(1820—1860) und ferner mehreren Einzelblättern
einiger moderner und halbmoderner holländischer
und französischer Künstler, wie II. J. Ilaver-
man (Bildnis von Dr. Joh. Dyserinck), Willem
d e Z w a r l (Interieur mit Figuren), .1 o h. T h o r n
Prikker (Heuschober), A. Decamps (Studien-
blatt), P. Puvis de Chavannes (Studie dreier
Frauenköpfe).

Außerdem erwarb die Sammlung aus eigenenMit-
teln zwei Zeichnungen von Rotterdamer Künst-
lern, eine Silhouette von Scheveningen von Wil-
lem Buytewech, die um 1616 entstanden sein
mag, ungefähr in derselben Zeit wie die schöne
Dünenlandschaft, früher in der Sammlung Becke-

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