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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 19/20
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Kunst-Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0561
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Giulio Campagnola Die Venus in der Landschaft

Aus der Kupferstich-Versteigerung bei C. G. Boerner, Leipzig, am 11.—13. November

KUNST-LITERATUR

A. BLUM und PII. LAUER: LA MINIATURE
FRANCAISE AUX XV E ET XVI E SIEGLES.
Les Editions G. van Oest. Paris und Brüssel
ig3o.

Der neue Band der bekannten Serie des v. Oest-
Verlages ist in der gleichen Anordnung und Aus-
stattung wie die seither erschienenen gehalten. Text
(von A. Blum), Auswahl der Bilder und Tafelbe-
sclireibungen (von Ph. Lauer) gehen mit Vorsicht
und Zurückhaltung ans Werk. Die erst seit etwa
2 5 Jahren betriebene ernstere, wissenschaftliche
Durchforschung des Gebietes, die namentlich Cte
Durrieu, der selbst noch den vorliegenden Band
geplant und in seinen Umrissen angelegt hat, sehr
viel zu verdanken weiß, kann auch mit dem vor-
liegenden Bande nicht als abgeschlossen gellen.
Man wird es durchaus billigen, daß mit Reserve
und Skepsis verfahren ist und daß auch in schein-
bar gesicherteren Fällen — wie J.Fouquet’sOEuvre
'— mit großer Zurückhaltung — bei der Werkver-
teilung — gesprochen wird. Gegenüber dieser vor-
sichtig abwägenden Ilaltung fällt die Entschieden-
heit bei der Wertverteilung auf (namentlich in
Kap. VI: la decadence de la miniature sous la
Renaissance und im Schlußwort [conclusion]).
Dieser »Schönheitsfehler« berulit darauf, daß
Blum, der Fouquets und Bourdichons starke Ab-
hängigkeit von Italien (Renaissance) selbst entschie-
den betont, kein rechtes Verhältnis zum Manieris-
mus des 16. Jahrhunderts hat. Die decadence hat
mit Renaissance ebensowenig zu tun wie mit ita-
lienischen Einflüssen, sie ist eben lediglich eine
Stilwandlung — eine intereuropäische — wie alle
anderen auch.

Das Bueh beginnt mit Kapitel I: »les historieurs«
eine soziologische Grundlegung zu bieten. Von be-
kannteren Tatsachen (Tätigkeit an den Höfen,
Wanderleichtigkeit usw.) abgesehen, interessiert
hier die archivalisch belegte Trennung in enlumi-
neurs, die den Faßmalern oder Formschneidern
etwa vergleichbar eine mehr exekutive Tätigkeit
verfolgten, und liistorieurs, die die eigentlichen
entwerfenden Maler waren.

Die historische Darstellung beginnt mit Kap. II:
»Les traditions et les influences«, die die gegebene
und notwendige Grundlage für dieSchilderungdes
späteren 15. Jahrhunderts durch den Nachweis einer
Tradition liefern will. Für den Verf. (Blum) ist
diese Aufgabe um so dringlicher, als er in Fouquet
gleichsam den Fortsetzer des Stils der Briider Lim-
bourg — mit llecht übrigens — sieht. Die Auf-
gabe ist heikel, weil die vlämischen und italicni-
schen Einflüsse so etwas wie den Begriff einer
rein französischen Schule weder aus äußeren, wie
inneren Gründen recht zuzulassen scheinen und
zum Teil tatsächlich auch nicht zulassen.

Die nach Blum folgenden drei Hauptgruppen:
i. die Werke des Meisters der Breviere des Her-
zogs v. Bedford und Salisbury, 2. die des soge-
nannten Meisters der Grandes lleures de Rohan
und 3. die Jean Colombe zugeschriebenen sind un-
ableitbar von einer Quelle, ferner an die italieni-
schen Voraussetzungen stärker gebunden, als Blum
zugibt und so unvereinbar wie denkbar. Die erste
Gruppe bringt nichts Neues, der seltsame und große
Meister der heures de Rohan bedeutet für die Ent-
wicklung nicht viel, während Jean Colombe wie
ein Vorläufer Fouquets anmutet. Jean Fouquet ist

3g Der Cicerone, Jahrg. XXII, Heft 19/20

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