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köln: st. maria im kapitol.
die Namengebung nur im Drogosakramentar. Der Schlußakt des Johannesdramas kommt in der großen
karolingischen Buchmalerei noch nicht vor. Die Szene wird dafür in der ottonischen Kunst mit Vorliebe
und ausführlich geschildert und jetzt in die einzelnen Momente aufgelöst, so in der Evangelienhand-
schrift Ottos III. im Domschatz zu Aachen36 und im Cod. Cim. 58 zu München37; zuerst tanzt Salome vor
Herodes, dann wird das Gefängnis mit dem Leichnam sichtbar (in der Münchener Hs. steht der Henker
daneben), endlich überbringt Salome das Haupt des Johannes der Herodias. Erst vom Ende des 1. Jahr-
tausends stammt wohl auch die Folge in einem Evangeliar von Chartres, das den Tanz, die Hinrichtung, die
Darbringung desHauptes und endlich das Begräbniszeigt38(Fig. 177). Der Tanz der Salome, die Enthauptung
des Täufers, die Darbringung seines Hauptes und eine Szene, die nur als Begräbnis des Johannes
gedeutet werden kann, findet sich in der Bibel von Farfa (Rom, Cod. Vatic. lat. 5729)39. Wenn man
die Deutung der Wandgemälde in dem nördlichen Seitenschiff der Peterskirche zu Werden (s. o. S. 82)
auf Geschichten aus dem Leben des Vorläufers annehmen will, so haben wir schon aus dem 10. Jh. auch
eine erste monumentale Darstellung erhalten.
Auf einen sehr merkwürdigen und frühen Zyklus von Wandmalereien möchte ich hier hinweisen,
der wohl noch dem 11. Jh. ange-
hört und sich in der kleinen Kirche
zu S. Zeno bei Castellino am Gar-
dasee befindet. Das nördliche
Seitenschiff enthält hier eine
Reihe von Darstellungen aus dem
Leben des Täufers. Der Zyklus
ist nur zum Teil erhalten. Es
sind zwei Streifen mit Darstel-
lungen übereinander gegeben.
Das erste Bild zeigt die Ver-
kündigung. In dem Tempel, der
durch einen runden Bogen an-
gegeben ist, steht vor dem vier-
eckigen Altar in langem, bis auf
die Füße fallendem rotem Ge-
wand Zacharias, bezeichnet als
sachara, als weißbärtiger Greis,
beide Hände erhoben, in der Rechten ein Weihrauchfaß schwingend. Von oben rechts erscheint die Halb-
figur eines Engels in grauem Gewand, bezeichnet als Angelus domini, eine Tafel haltend mit der
Inschrift: . . . neti meas sacharia quoniam exaudi tret?s (so).
Links hinter der Pforte des Tempels eine Menge Volk in roten Beinlingen, lila Rock und braunrotem
Mantel. Daneben links am Rande ein Weib in grünem Rock, die rechte Hand erhebend.
Darunter das Martyrium des h. Johannes. Zur Linken steht hier ein Henker in blauschwarzen Bein-
lingen und rotem Knierock, in dem rechten Arm über dem Haupt das Schwert erhebend, mit der linken
Hand hält er beim Schopf den Täufer, der sein bärtiges Haupt neigt und sich aus der rundbogigen Tür
des Kerkers hervorbeugt. Seine beiden Hände sind gefesselt. In den oberen Ecken große geflügelte Engel.
Die oben befindliche Inschrift spiculatores deutet darauf hin, daß ursprünglich noch Zuschauer vor-
handen waren.
Über der Apsis sind dargestellt die Szenen der Geburt und der Namengebung. In der ersten Szene
unter einer Architektur mit rotem Dach, auf dem Lager langausgestreckt, ist die Mutter Elisabeth dargestellt,
die rechte Hand erhebend, vor ihr liegt eingewickelt der kleine Johannesknabe. Von rechts her nähern
Fig. 177. Legende Johannis des Täufers in einem Evangeliar von Chartres.
36 Abb. bei Beissel, Die Bilder der Handschrift des bibliothek München I, Taf. 28. Über die weiteren Szenen
Kaisers Otto im Münster zu Aachen, Taf. IX. aus der Gesch. d. Johannes in ottonischen Handschriften:
37 Vöge, Eine deutsche Malerschule um die Wende des Vöge S. 233.
1. Jahrtausends, S. 47 mit Gegenüberstellung der beiden 38 Daffner, Salome S. 43. Abb. danach oben Fig. 177.
Abb. — Leidinger, Miniaturen aus Hsn. der Hof-u. Staats- 39 Daffner, Salome S. 51.
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die Namengebung nur im Drogosakramentar. Der Schlußakt des Johannesdramas kommt in der großen
karolingischen Buchmalerei noch nicht vor. Die Szene wird dafür in der ottonischen Kunst mit Vorliebe
und ausführlich geschildert und jetzt in die einzelnen Momente aufgelöst, so in der Evangelienhand-
schrift Ottos III. im Domschatz zu Aachen36 und im Cod. Cim. 58 zu München37; zuerst tanzt Salome vor
Herodes, dann wird das Gefängnis mit dem Leichnam sichtbar (in der Münchener Hs. steht der Henker
daneben), endlich überbringt Salome das Haupt des Johannes der Herodias. Erst vom Ende des 1. Jahr-
tausends stammt wohl auch die Folge in einem Evangeliar von Chartres, das den Tanz, die Hinrichtung, die
Darbringung desHauptes und endlich das Begräbniszeigt38(Fig. 177). Der Tanz der Salome, die Enthauptung
des Täufers, die Darbringung seines Hauptes und eine Szene, die nur als Begräbnis des Johannes
gedeutet werden kann, findet sich in der Bibel von Farfa (Rom, Cod. Vatic. lat. 5729)39. Wenn man
die Deutung der Wandgemälde in dem nördlichen Seitenschiff der Peterskirche zu Werden (s. o. S. 82)
auf Geschichten aus dem Leben des Vorläufers annehmen will, so haben wir schon aus dem 10. Jh. auch
eine erste monumentale Darstellung erhalten.
Auf einen sehr merkwürdigen und frühen Zyklus von Wandmalereien möchte ich hier hinweisen,
der wohl noch dem 11. Jh. ange-
hört und sich in der kleinen Kirche
zu S. Zeno bei Castellino am Gar-
dasee befindet. Das nördliche
Seitenschiff enthält hier eine
Reihe von Darstellungen aus dem
Leben des Täufers. Der Zyklus
ist nur zum Teil erhalten. Es
sind zwei Streifen mit Darstel-
lungen übereinander gegeben.
Das erste Bild zeigt die Ver-
kündigung. In dem Tempel, der
durch einen runden Bogen an-
gegeben ist, steht vor dem vier-
eckigen Altar in langem, bis auf
die Füße fallendem rotem Ge-
wand Zacharias, bezeichnet als
sachara, als weißbärtiger Greis,
beide Hände erhoben, in der Rechten ein Weihrauchfaß schwingend. Von oben rechts erscheint die Halb-
figur eines Engels in grauem Gewand, bezeichnet als Angelus domini, eine Tafel haltend mit der
Inschrift: . . . neti meas sacharia quoniam exaudi tret?s (so).
Links hinter der Pforte des Tempels eine Menge Volk in roten Beinlingen, lila Rock und braunrotem
Mantel. Daneben links am Rande ein Weib in grünem Rock, die rechte Hand erhebend.
Darunter das Martyrium des h. Johannes. Zur Linken steht hier ein Henker in blauschwarzen Bein-
lingen und rotem Knierock, in dem rechten Arm über dem Haupt das Schwert erhebend, mit der linken
Hand hält er beim Schopf den Täufer, der sein bärtiges Haupt neigt und sich aus der rundbogigen Tür
des Kerkers hervorbeugt. Seine beiden Hände sind gefesselt. In den oberen Ecken große geflügelte Engel.
Die oben befindliche Inschrift spiculatores deutet darauf hin, daß ursprünglich noch Zuschauer vor-
handen waren.
Über der Apsis sind dargestellt die Szenen der Geburt und der Namengebung. In der ersten Szene
unter einer Architektur mit rotem Dach, auf dem Lager langausgestreckt, ist die Mutter Elisabeth dargestellt,
die rechte Hand erhebend, vor ihr liegt eingewickelt der kleine Johannesknabe. Von rechts her nähern
Fig. 177. Legende Johannis des Täufers in einem Evangeliar von Chartres.
36 Abb. bei Beissel, Die Bilder der Handschrift des bibliothek München I, Taf. 28. Über die weiteren Szenen
Kaisers Otto im Münster zu Aachen, Taf. IX. aus der Gesch. d. Johannes in ottonischen Handschriften:
37 Vöge, Eine deutsche Malerschule um die Wende des Vöge S. 233.
1. Jahrtausends, S. 47 mit Gegenüberstellung der beiden 38 Daffner, Salome S. 43. Abb. danach oben Fig. 177.
Abb. — Leidinger, Miniaturen aus Hsn. der Hof-u. Staats- 39 Daffner, Salome S. 51.