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Clemen, Paul
Die romanische Monumentalmalerei in den Rheinlanden — Düsseldorf, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.22845#0814
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DIE RHEINISCHE MONUMENTALMALEREI.

tragen, fremdartige Elemente. Zwischen Köln und Mainz ersteht in dieser Zeit eine neue Schule von
Dekorationsmalern. Wir möchten sie gern an der Hand des Systems verfolgen, dessen sie sich bedienen:
Andernach, Limburg, auch Bonn gehören hierher — daneben tritt Boppard mit seinem ganz abweichenden
harten und kalten Farbenakkord, der in der Beschränkung der Palette aber eine so erstaunliche farbige
Wirkung erreicht. Im Figürlichen schließt sich diese Schule in ihren vollkommensten Leistungen noch
an den fließenden Stil an; hier bringt das schon ganz lebendige Erfassen einzelner byzantinischer Erschei-
nungen aber sofort eine ganz neue Schattierung und Durchsetzung.

Schon die Malereien im Münster zu Bon n (vgl. oben S. 433) gehören diesem Stil des Überganges an.
Die Malereien im Gewölbe des Hochchores zeigen eine Fortbildung jenes Stiles der fließenden Umrisse,
wie ihn zuerst der Meister von Schwarzrheindorf ausgebildet hat; zumal die am besten erhaltenen Brust-
bilder der beiden Könige (Fig. 511) offenbaren das dieser Schule eigentümliche Gefühl für Rhythmus der
Linien und für leichte Anmut der Bewegung. In den anderen Gestalten, in den drei Marien und den Engeln
zur Seite der Madonna, tritt uns aber eine seltsame Starrheit und Steifheit entgegen, die über die hölzerne,
unbefangene Art hinausgeht, wie wir sie in der Oberkirche zu Schwarzrheindorf sehen. In den steifen

Fig. 511. Bonn. Zwei heilige Könige im Chorgewölbe des Münsters.

Parallellinien der Gewänder bei den drei Marien am Grabe liegt unzweifelhaft eine bewußte künstlerische
Absicht. Es ist schwer, angesichts des heutigen Zustandes der Gemälde ein Urteil zu fallen: die Szene
scheint aus der Entwicklung der rheinischen Malerei herauszufallen, dafür zeigen uns aber die alten Auf-
nahmen der Prophetenfiguren in den Zwickeln (Abb. oben S. 436) deutlich, daß diese Gruppe von Gewölbe-
malereien noch an das Ende der Schule des fließenden zeichnerischen Stils gehört.

Das Wandgemälde in dem Tympanon über dem Portal im südlichen Querschiff, das zum Kreuzgang
führt (Abb. S. 438), zeigt gleichfalls noch den fließenden Stil. In seltsamem Gegensatz steht dazu die
Malerei der Madonna zwischen den Heiligen Cassius und Florentius an der Ostwand dieses Querschiffes
(S.437, Fig. 313). Wie hier in den beiden Märtyrern die Vorbilder der byzantinischen ritterlichen Heiligen
deutlich aufgenommen sind, wie in der Madonna mit dem über den Kopf gezogenen Schleier der byzan-
tinische Typus nachlebt, so zeigt auch die Zeichnung hier manche Eigentümlichkeiten, die aus der Formen-
sprache jenes Stiles der fließenden Umrisse herausfallen. Die aufgelösten Falten über der Schulter, die
in Spitzen fallenden Bäusche auf Schultern und Hüften erscheinen schon als die Vorboten und als die
erste Ankündigung jenes merkwürdigen unruhigen und zipfeligen Stiles, wie er dann in den dreißiger
Jahren des 13. Jh. sich entwickelt. Wir haben in Bonn ja in dem figürlichen Schmuck kein geschlossenes
System vor uns: wie die Ausschmückung bis weit in das 14. Jh. hinein in einzelnen Etappen geführt ist,
so haben wir eben auch hier das isolierte Werk eines schon unter dem Bann der neuen Formanschauung
vom Anfang des 13. Jh. stehenden Künstlers vor uns.
 
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