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Clemen, Paul
Die gotischen Monumentalmalereien der Rheinlande: mit Beiträgen von Burkhard Frhrn. v. Lepel und Margot Remy (Text) — Düsseldorf, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.28108#0051
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haben121. Auch an Fraurombach darf man dabei schon
denken (Fig. 32 u. 33).

Graf Vitzthum hat sowohl Reuthngen wie Ober-
winterthur an die über Lothrmgen m Süddeutschland
eindrmgende belgisch-nordfranzösische Kunst ange-
schlossen und die schwäbischen Malereien direkt mit
der einen Flaupthandschnft einer m Metz zu lokahsieren-
den Gruppe, der Somme le Roi 1m Britischen Museum
(Cod. Addit. 28162) in Verbindung gebracht, und er
sieht auch hier auf diesem Wege starke Beeinflussung
von England her — ist das mcht etwas zu weit ge-
gangen122? Ich vermag nur den allgemeinen Stilcharak-
ter einer Peripheriekunst zu sehen, die die westhchen
und nordwestlichen Anregungen rasch rezipiert und ver-
arbeitet hat — und dieser Stil führt m einem Bogen von
der norddeutschen Küste über die Rheinhme bis m die
Schweiz herunter.

Der zeichnerische Stil der rheinischen
F rühgotik.

Es mußte vorgreifend der ganze Rahmen der Monu-
mentalmalerei lm westlichen Deutschland abgesteckt
werden, es mußten ebenso die Bedingungen, die Ent-
wicklung und das Auskhngen der enghschen Malerei
als des geheimmsvollen neuen Faktors bis zur Mitte
des 14. Jh. umnssen werden, ehe die Reihe der Werke
der mederrheimschen Malerei selbst hintereinander auf-
gezählt und der Versuch unternommen werden konnte,
sie in eine Entwicklungsfolge, mit der gleichzeitigen Aus-
bildung derNachbarschulen verflochten, einzubeziehen.

Der Reigen der nun für die ganze westdeutsche und
zugleich die deutsche Malerei epochemachenden Werke
aus der ersten Hälfte des 14. Jh. beginnt mit den Male-

reien von St. Cäcilia, auf die wir nun noch einmal zurückgreifen dürfen. Sie stehen doch mcht ganz so lsohert vor uns, das
Auftreten des Cäcihenmeisters lst mcht völhg unvorbereitet. Dausenau zeigt, wenn wir auch hier eine entstellte Quelle haben,
den Weg zu diesem Stil, Brauweiler und St. Castor m Koblenz geben deuthch die Vorbereitung. Es scheint mir mcht nötig zu
sein, hier, wie Graf Vitzthum das nnt solcher Bestimmtheit versucht hat, eine Abhängigkeit von der enghschen Kunst zu sehen.
Die äußeren Grundlagen des Verhältmsses der enghschen Kunst zur kontinentalen lagen um das Jahr 1300 so, daß ebensogut
und ebenso stark das Rheinland und Flandern nach England hinüberwirken wie umgekehrt Rheinland nach Flandern und dem
weiteren Belgien hin wirken konnten. Wir dürfen m St. Cäcilia eine Stilstufe sehen, die mit der belgischen Buchmalerei wie
der niederländischen in Gent und Brügge zu uns sprechenden Wandmalerei innerlich verwandt ist. Es lst nur die parallele

Fig. 32. Mühlheim am Eis (Pfalz), Pfarrkirche. Blick m die Turmhalle.

1~l Die Wandgemälde sind von dem um ihre Aufdeckung und Erhaltung sehr verdienten kunstsinnigen Pfarrer Daniel Weber in Mühlheim wiederholt besprochen und pu-
bhziert (Die gotischen Wandmalereien in der Kirche zu Mühlheim am Eis, Frankenthal 1924. — Pfälzisches Museum XLII, 1923, Heft 5. — Das obere Eistal: Der Worms-
gau, Vierteljahrshefte I, 1926, S. 9), seltsamerweise mit dem Versuch einer viel späteren Datierung. Der kunsthistorische Wert lst angesichts des frühen Datums natürlich
erheblich größer. Die Kirche ist vermutlich nach der Trennung der Leiningenschen Familie um 1318 neuerbaut. Eine erste beiläufige Erwähnung 1343 (Baur, Hessische
|99 ^rkunden Nr. 1155). Vgl. unten bei Koblenz, St. Florin.

122 Nach Vitzthum, a. a. O. S. 230, zeigen die Gestalten des h. Christophorus und der h. Katharina in Reutlingen ,,m der Posierung, den Proportionen, den Stellungen und
Formen der Köpfe, ganz unwiderleglich aber in den Händen und lm Gewand eine Fülle von Berührungspunkten“ mit den Mimaturen (vgl. Taf. 47, 48 bei Vitzthum).
Die Zusammenstellung eines der beiden Christophori von Reutlingen (Fig. 187) mit einem typisch englischen Riesen aus Ms. Royal 2 A XXII des Brit. Mus. (Fig. 188
nach Millar, La miniature anglaise I, pl. 90) bringt wohl im Gegensatz zu den sonstigen deutschen Darstellungen des Heihgen die bewegte schreitende Form, das Auf-
geben der frontalen Strenge, aber doch einen grundsätzlich ganz anderen, viel schwereren Duktus. Eine Verwandtschaft mit dem Stil der Buchmalereien lassen besser als
die Malereien von Reutlmgen die von Gri'iningen bei Villingen erkennen, die Chr. Roder, Die Pfarrkirche zu Grüningen: Zs. f. Gesch. d. Oberrheins, N. F. VI, 1891,
s. 635, pubhziert hat.

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