nsere Villa gehörte zu jenen anmutigen Herrensitzen, die, an
sanfte Abhänge gelehnt, den Blick über die Rheinlandschaft
beherrschen. Der abfallende Garten war freigebig mit Zwergen,
Pilzen und allerlei täuschend nachgeahmtem Getier aus Steingut ge-
schmückt; auf einem Postament ruhte eine spiegelnde Glaskugel, welche
die Gesichter überaus komisch verzerrte, und auch eine Äolsharfe,
mehrere Grotten sowie ein Springbrunnen waren da, der eine kunst-
reiche Figur von Wasserstrahlen in die Lüfte warf und in dessen Becken
Silberfische schwammen. Um nun von der inneren Häuslichkeit zu
reden, so war sie nach dem Geschmack meines V aters sowohl lauschig
wie heiter. Trauliche Erkerplätje luden zum Sitjen ein, und in einem
davon stand ein wirkliches Spinnrad. Zahllose Kleinigkeiten: Nippes,
Muscheln, Spiegelkästchen und Riechflakons waren auf Etageren und
Plüschtischchen angeordnet; Daunenkissen in großer Anzahl, mit Seide
oder vielfarbiger Handarbeit überzogen, waren überall auf Sofas und
Ruhebetten verteilt, denn mein Vater liebte es, weich zu liegen; die
Gardinenfräger waren Hellebarden, und zwischen den Türen waren
jene luftigen Vorhänge aus Rohr und bunten Perlenschnüren befestigt,
die scheinbar eine feste Wand bilden, und die man doch, ohne eine
Hand zu heben, durchschreiten kann, wobei sie sich mit einem leisen
Rauschen oder Klappern teilen und wieder zusammenschließen. Uber
dem Windfang war eine kleine, sinnreiche Vorrichtung angebracht, die,
während die Tür durch Luftdruck aufgehalten, langsam ins Schloß zu-
rücksank, mit feinem Klingen den Anfang des Liedes „Freut euch des
Lebens“ spielte.“
So sah es in der Häuslichkeit des rheinischen Fabrikanten Engelbert
Krull aus, wie Thomas Mann sie mit Gottfried Kellerischer Freude am
Kleinleben und allen Schnurrpfeifereien des Alltags in den Bekennt-
nissen von Krulls verheißungsvollem Sohne Felix schildert. Die Rhein-
provinz hatte in der unseligen Gründerzeit und dem, was ihr folgte,
mehr als andere Gebiete des Reichs dem allgemeinen Ungeschmack
sich weit geöffnet, sie hatte besonders auf dem Gebiete der Baukunst
glorreichste Überlieferung vergessen und namentlich da gesündigt, wo
mit Anlehnung an romanische und gotische Formen neuzeitlichen Bau-
aufgaben wie Bahnhöfen und Brücken ein unzeitgemäßer Archaismus
angeklebt wurde. Schließlich hatte sich auch die eigentliche Gründer-
renaissance, von Berlin ausgehend, gerade in rheinischen Städten und
Städtchen, in engem Bunde mit dem allgemeinen Wohlstände und
den „Forderungen des Fremdenverkehrs“, mit wahrer Wut auf ganze
Straßenzeilen und offene Pläije gestürzt, von besonders verlebender
Wirkung dort, wo Anmut der Landschaft und die noch im Klassizistischen
sehr glückliche heimische Bauweise in bescheidenen Überbleibseln
kennerischem Blicke die fürchterliche Kluft zwischen damals und heute
offenbaren. Welche Wohltat, wenn etwa hinter den Prunkfassaden von
5