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Rheinischer Buch-Anzeiger: Mitteilungen d. Buchhandlung Friedrich Cohen in Bonn am Rhein: Periodica — Jg. 1.1924/​1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.69785#0010
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gen Man glaubt die hellen Kinderltimmen zu hören, wie sie
diele prachtvollen Worte unisono [kandieren.
Der Katechismus, in beinahe zentimeterhohen Buchltaben gedruckt
und mit plumpen, handwerksmäßigen Holzlchnitten geziert, blieb
zugleich mit der Bibel Schullesebuch bis zum Jahre 1772. Da erlt,
also vor nur 150 Jahren, verfaßte Eberhard von Rochow, ein
märkischer Junker, sein Lesebuch zum Gebrauche in Landschulen,
den „Kinderfreund", 2 Theyle für 16 Kreuzer.
Dies bahnbrechende Unternehmen fällt mit dem Aufblühen aller
Jugendliteratur zusammen. Der Kinderfreund Rochows darf aber
nicht mit seinem ungefähr gleichzeitigen Namensvetter, dem
Kinderfreund Weißes, verwediselt werden. Rochows kleines
und doch so bedeutendes Werk ist ein Schulbuch, das andere eine
Jugendschrift für den Hausgebrauch. Der wackere Mann war kein
Pädagoge und erbarmte sich der in starrem Banne gehaltenen
Jugend. Er schuf das erlte Lesebuch mit unterhaltenden kleinen
Geschichten, das neben einigen religiösen Texten, Gebeten und
Liedern in der Hauptsache ganz einfache Erzählungen aus dem
Alltagsleben enthielt: Die Mäusefalle, der Baumsverderber, All-
zuviel ist ungesund, Das entdeckte Gespenlt. Alle sind natürlich
nur moralisierenden Inhalts, und dazwischen gibt es Gespräche
lehrreicher Art, wie sie sich fürs Landvolk am beiten eignen.
Aus diesem Schullesebudie entwickelten sich zahlreiche andere, von
denen das von F. P. Wilmsen— die erlte Aussage 1802, und 1834
die 2Örte — einigen Ruf erlangt hat. Wlmsen, ein auch sonst frucht*
barer Jugendschrifilteller, lieferte für sein Buch, gleich Rochow, wohl
nur eigene Texte, während Andere gute Leseltücke verschiedenster
Herkunft aus Klassikern und volkstümlichen Dichtern zusammen-
trugen. Diese Männer folgten Eberhard v. Rodiow in der Er-
kenntnis, daß kindlichem Sinn auch kindliche Lektüre not tat. Das
Lesen ging lustiger und damit leichter vonstatten, es wurde
demgemäß auch nadi der Schule, und gewissermaßen zum Ver-
gnügen betrieben.
Der Anfang zur Jugendliteratur war gemacht, und es
folgte eine Flut neuer, ähnlicher Bücher, die nicht mehr in der Schul-
stube, sondern in den Freiltunden gelesen wurden. Was es früher
davon gab, können wir nur als vereinzelte Vorläufer bezeichnen.
Dieter Aufsatz bildet das erste Kapitel des reizvollen, reich illustrierten Buches
von Karl Hobrecker, Alte vergessene Kinderbücher. Berlin 1924
(Ladenpreis im illustrierten Pappbande M. 14.—>

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