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INDISCHE KOLONIALLÄNDER
Resultat der jüngsten Entwicklung. Mit ihrem Aufkommen geht das Ende der
großen religiösen Kunst zusammen.*
10.
Zum indischen Kunstgebiet gehört, wie schon betont, die Kunst der indi-
schen Kolonialländer - dies W ort vor allem im Sinne kultureller Durchdringung
gebraucht - also die Kunst von Ceylon, KashmTr, Nepal, Burma (Pegu),
Champa, Kambodja (Khmer), Siam und Java, um nur die wichtigsten Staaten-
bildungen zu nennen. Alle diese Länder sind voll von Denkmälern, deren
Zusammenhang mit irgend einem indischen Stile zweifelsfrei sein dürfte. Es
ist keineswegs, wie man vielfach denkt, allein der Buddhismus, der indische
Kultur über so weite Strecken verbreitete. Im Gegenteil, fast überall be-
kannten sich die ersten indischen Kolonisten ursprünglich zum Brahmanismus,
so in Käshmir, in Burma, in Kambodja, in Java. Erst meist in viel späterer
Zeit, als der Buddhismus in seinem Mutterlande bereits auszusterben begann,
hatte er außerhalb Indiens gewisse Missionserfolge. Heute herrscht der Bud-
dhismus, wenn auch nicht ausschließlich, so doch als wichtigste Religion in
Tibet, Nepal, Ceylon, Burma und Siam.
Eine Übersicht über die Kunst der indischen Kolonialländer würde in ge-
wisser Hinsicht die Kunst des Mutterlandes überstrahlen, weniger auf dem
Gebiete der Plastik, als auf dem der Baukunst. Was im Mutterlande, man
möchte sagen, wie ein wucherndes Naturgebilde wild und fast zufällig auf-
wuchs — übrigens in ähnlicher Weise, wie die großen Epen und Puränas
entstanden —, in den Kolonien wird es nach einem einheitlichen, wohl
durchdachten Plane in großartiger Harmonie geschaffen. Unsere Kennt-
nisse der hinduistischen Kunst außerhalb Indiens sind meist noch viel
lückenhafter als im Falle Indiens selbst. Man hat oft noch nicht einmal
die Anfänge einer Gesamtübersicht. Was zufällig an den Hauptstraßen des
Verkehrs liegt, ist bekannter. Eine Ausnahme macht die Kunst von Ceylon,
Kambodja und Java, wo wenigstens die Hauptdenkmäler in einigermaßen
annehmbaren Veröffentlichungen zugänglich sind und man nicht hinsichtlich
fast aller Daten in der Luft schwebt. Nur diese drei Kunstkreise sollen hier
kurz berührt werden.
* Ananda K. Coomaraswamy, ßronzes from Ceylon, chiefly in the Colombo Museum,
Ceylon 1914. — O. C. Gangoly, South Indian ßronzes, London 1915,
INDISCHE KOLONIALLÄNDER
Resultat der jüngsten Entwicklung. Mit ihrem Aufkommen geht das Ende der
großen religiösen Kunst zusammen.*
10.
Zum indischen Kunstgebiet gehört, wie schon betont, die Kunst der indi-
schen Kolonialländer - dies W ort vor allem im Sinne kultureller Durchdringung
gebraucht - also die Kunst von Ceylon, KashmTr, Nepal, Burma (Pegu),
Champa, Kambodja (Khmer), Siam und Java, um nur die wichtigsten Staaten-
bildungen zu nennen. Alle diese Länder sind voll von Denkmälern, deren
Zusammenhang mit irgend einem indischen Stile zweifelsfrei sein dürfte. Es
ist keineswegs, wie man vielfach denkt, allein der Buddhismus, der indische
Kultur über so weite Strecken verbreitete. Im Gegenteil, fast überall be-
kannten sich die ersten indischen Kolonisten ursprünglich zum Brahmanismus,
so in Käshmir, in Burma, in Kambodja, in Java. Erst meist in viel späterer
Zeit, als der Buddhismus in seinem Mutterlande bereits auszusterben begann,
hatte er außerhalb Indiens gewisse Missionserfolge. Heute herrscht der Bud-
dhismus, wenn auch nicht ausschließlich, so doch als wichtigste Religion in
Tibet, Nepal, Ceylon, Burma und Siam.
Eine Übersicht über die Kunst der indischen Kolonialländer würde in ge-
wisser Hinsicht die Kunst des Mutterlandes überstrahlen, weniger auf dem
Gebiete der Plastik, als auf dem der Baukunst. Was im Mutterlande, man
möchte sagen, wie ein wucherndes Naturgebilde wild und fast zufällig auf-
wuchs — übrigens in ähnlicher Weise, wie die großen Epen und Puränas
entstanden —, in den Kolonien wird es nach einem einheitlichen, wohl
durchdachten Plane in großartiger Harmonie geschaffen. Unsere Kennt-
nisse der hinduistischen Kunst außerhalb Indiens sind meist noch viel
lückenhafter als im Falle Indiens selbst. Man hat oft noch nicht einmal
die Anfänge einer Gesamtübersicht. Was zufällig an den Hauptstraßen des
Verkehrs liegt, ist bekannter. Eine Ausnahme macht die Kunst von Ceylon,
Kambodja und Java, wo wenigstens die Hauptdenkmäler in einigermaßen
annehmbaren Veröffentlichungen zugänglich sind und man nicht hinsichtlich
fast aller Daten in der Luft schwebt. Nur diese drei Kunstkreise sollen hier
kurz berührt werden.
* Ananda K. Coomaraswamy, ßronzes from Ceylon, chiefly in the Colombo Museum,
Ceylon 1914. — O. C. Gangoly, South Indian ßronzes, London 1915,