1.
In ähnlicher Weise, wie von einer alt-christlichen, kann
man von einer alt-buddhistischen Kunst sprechen.
Die Fülle der gleich gerichteten Strebungen und Strö-
mungen hier und dort aufzuzeigen, gäbe ein reiches
Thema für sich. Man übersehe jedoch die Verschieden-
heiten nicht. In dem Augenblick, wo in Ostasien (China
im vierten, Japan im siebenten nachchristlichen Jahr-
hundert) eine buddhistische Kunst faßbar erscheint, lebte
Buddha schon an ein Jahrtausend nicht mehr. Und die
Vergöttlichung und philosophisch-kosmologische Um-
bildung des Erleuchteten dürfte zu gewaltigerer Höhe
emporgetrieben worden sein, als die des Heilands. Ein
unübersehbares Pantheon hatte sich gebildet. Neben
den historischen Buddha war ein Heer mythologischer
Buddhas, Bodhisattvas1 und Schutzgottheiten getreten,
meist bereits in Indien der neubrahmanischen Welt
entliehen, zum Teil erst im fernen Osten geprägt.
Man pflegt bei uns auf den späteren Buddhismus, der
in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten in Indien
sein besonderes Gesicht erhielt und den man gewöhnlich
Mahayana2 nennt, verächtlich herabzublicken. Ganz
ohne Grund. Die Veränderungen sind im wesentlichen
keine anderen, als die, die das Christentum durchzu-
machen hatte. Nicht ohne Berechtigung bestehen die
Gläubigen des Mahayana darauf, daß auch sie Buddhas
Wort predigen, nurumfassenderverstanden und in neuem
Lichte gesehen. Das Mahayana, weit davon entfernt eine
Entartungserscheinung zu sein, zeugt für die unerschöpf-
liche Kraft, die dem Buddhismus innewohnt. Wie sich
von selbst versteht, fehlen Verzerrungen und Verknöche-
1 Die Unterscheidung zwischen Buddha (Titel, kein Name) und Bodhisattva
(Buddha-Anwärter) ist meist nur theoretisch. In der Praxis werden viele Bodhisattvas
ebenso hoch wie der historische Buddha verehrt und demnach in der Kunst dargestellt.
2 „Das größere Fahrzeug", das den Gläubigen zur Erlösung trägt, im Gegen-
satz zum „kleineren Fahrzeug" (Hinayäna)
B.D.K.13
3
In ähnlicher Weise, wie von einer alt-christlichen, kann
man von einer alt-buddhistischen Kunst sprechen.
Die Fülle der gleich gerichteten Strebungen und Strö-
mungen hier und dort aufzuzeigen, gäbe ein reiches
Thema für sich. Man übersehe jedoch die Verschieden-
heiten nicht. In dem Augenblick, wo in Ostasien (China
im vierten, Japan im siebenten nachchristlichen Jahr-
hundert) eine buddhistische Kunst faßbar erscheint, lebte
Buddha schon an ein Jahrtausend nicht mehr. Und die
Vergöttlichung und philosophisch-kosmologische Um-
bildung des Erleuchteten dürfte zu gewaltigerer Höhe
emporgetrieben worden sein, als die des Heilands. Ein
unübersehbares Pantheon hatte sich gebildet. Neben
den historischen Buddha war ein Heer mythologischer
Buddhas, Bodhisattvas1 und Schutzgottheiten getreten,
meist bereits in Indien der neubrahmanischen Welt
entliehen, zum Teil erst im fernen Osten geprägt.
Man pflegt bei uns auf den späteren Buddhismus, der
in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten in Indien
sein besonderes Gesicht erhielt und den man gewöhnlich
Mahayana2 nennt, verächtlich herabzublicken. Ganz
ohne Grund. Die Veränderungen sind im wesentlichen
keine anderen, als die, die das Christentum durchzu-
machen hatte. Nicht ohne Berechtigung bestehen die
Gläubigen des Mahayana darauf, daß auch sie Buddhas
Wort predigen, nurumfassenderverstanden und in neuem
Lichte gesehen. Das Mahayana, weit davon entfernt eine
Entartungserscheinung zu sein, zeugt für die unerschöpf-
liche Kraft, die dem Buddhismus innewohnt. Wie sich
von selbst versteht, fehlen Verzerrungen und Verknöche-
1 Die Unterscheidung zwischen Buddha (Titel, kein Name) und Bodhisattva
(Buddha-Anwärter) ist meist nur theoretisch. In der Praxis werden viele Bodhisattvas
ebenso hoch wie der historische Buddha verehrt und demnach in der Kunst dargestellt.
2 „Das größere Fahrzeug", das den Gläubigen zur Erlösung trägt, im Gegen-
satz zum „kleineren Fahrzeug" (Hinayäna)
B.D.K.13
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