auf der Burg iu sicherem Gewahrsam gehalten wurde, durch einen kecken Sprung zu Pferde von
der steilen Burgmauer in die grausige Tiefe hinab entzogen haben soll.
Wie das Wachstum des Baumes an den Jahresringen läßt sich der zunehmende Reichtum
Nürnbergs an der ständigen Vergrößerung des Mauerringes verfolgen. Ursprünglich scheint
auch hier, wie so oft, der Fluß, die Pegnitz, als natürlicher Graben benutzt worden zu sein.
Die machtvollen viereckigen Türme an ihrem Ufer sind die ältesten Zeugen für Nürnbergs
Mauerschutz. Sie entstammen noch der ältesten Zeit deutscher Kunst, der sogenannten romanischen.
Allein über diese Grenze wuchs die Stadt bald hinaus, und heute steht der unheimliche viereckige
Mauerklotz am Henkersteg seltsam fremd zwischen den Hellen Wänden der Fachwerkhäuser. Die
vielgestaltigen Bastionen und Zwinger, die mächtigen Rundtürme des heutigen Mauerrings, deren
Formreichtum unseren Augen so malerisch erscheint, ist in Wirklichkeit in allen Teilen bereits zur
klugen Abwehr von Feuergeschütz gebaut. Auch die reizvolle Silhouette der Burg, deren feste
Mauermasse, wie verwachsen mit dem Fels, runde und eckige Türme drohend emporstreckt, ist
kraftvolles Zeugnis für die Stärke der Mächte, die sich an dieser Stelle bekämpften. Ursprünglich
war der westliche Teil mit seinem romanischen Kapellenturm, dessen Schwere ihn späteren
Geschlechtern wie ein Gebilde der Urzeit, als „Heidenturm" erscheinen ließ, kaiserlicher Besitz,
während der östliche dem Burggrafen von Nürnberg gehörte. Aber mitten hinein zwischen beider
Gewalten baut im 16. Jahrhundert die Stadt einen gewaltigen Rundturm, um ihrerseits im
ganzen Verteidigungsring frei schalten und walten zu können. Solche Keckheit ist nur in einer
Zeit möglich, in der die Stadt auf dem Gipfel ihrer Macht steht.
In der Tat bezeichnet das Jahr 1500 etwa den Höhepunkt von Nürnbergs Blüte. Seine
Handelsbeziehungen reichen nach Italien und Holland, ja, einer seiner Bürger, Martin Behaim,
nimmt teil an den großen Entdeckungsfahrten in der neuen Welt und schafft ihnen die
geographischen Hilfsmittel. Das Ansehen der Stadt im Reiche ist so groß, daß man ihrer Hut
die Reichskleinodien anvertraut. Sie ist in allen ihren Teilen ein Werkzeug des Reichtums und
des Handels. Dessen Bequemlichkeit verlangt, daß die Mauer im Zuge der alten Landstraßen
durch Tore unterbrochen wird, die dann als empfindliche Lücken in der Mauer besonders geschützt
werden müssen. Ihm dient die Anlage der Straßen und der Märkte, die nicht, wie heute, bloße
Wegkreuzungen sind, sondern, da die Straßen an ihren Rändern entlang geführt werden, die
Ruhe eines in sich geschlossenen Platzes haben. Hier kann an allen Ständen gekauft und ver-
kauft werden, ohne daß der Wagenverkehr den Handel oder auch nur den Bauer stört, der sein
Vieh am Marktbrunnen tränken will, und mit dem Reichtnm wächst das Bedürfnis der Bürger
nach Luxus und Bequemlichkeit in Haus und Wohnung.
In Italien schafft damals die Genußfreude der Renaissance dem Menschen eine Umgebung
von einziger Schönheit. Was die Nürnberger Kanfleute und Künstler in Italien gesehen, wollen
sie daheim nicht entbehren. Das älteste Haus in Nürnberg, das sogenannte Nassauer-Haus, das
aber Eigentum der Patrizierfamilie Schlüsselfelder war, wirkt in seinem Lurmartigen Aufbau mit
seinem Zinnenkranz und seinen dicken, nur von wenig Fenstern durchbrochenen Mauern düster
und festungsartig. Das Pellerhaus (1615 erbaut) dagegen ist außen geziert mit allem Reichtum
Italiens an Säulen, Bögen und Simsen, und wenn wir seine Einfahrt durchschritten haben.
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der steilen Burgmauer in die grausige Tiefe hinab entzogen haben soll.
Wie das Wachstum des Baumes an den Jahresringen läßt sich der zunehmende Reichtum
Nürnbergs an der ständigen Vergrößerung des Mauerringes verfolgen. Ursprünglich scheint
auch hier, wie so oft, der Fluß, die Pegnitz, als natürlicher Graben benutzt worden zu sein.
Die machtvollen viereckigen Türme an ihrem Ufer sind die ältesten Zeugen für Nürnbergs
Mauerschutz. Sie entstammen noch der ältesten Zeit deutscher Kunst, der sogenannten romanischen.
Allein über diese Grenze wuchs die Stadt bald hinaus, und heute steht der unheimliche viereckige
Mauerklotz am Henkersteg seltsam fremd zwischen den Hellen Wänden der Fachwerkhäuser. Die
vielgestaltigen Bastionen und Zwinger, die mächtigen Rundtürme des heutigen Mauerrings, deren
Formreichtum unseren Augen so malerisch erscheint, ist in Wirklichkeit in allen Teilen bereits zur
klugen Abwehr von Feuergeschütz gebaut. Auch die reizvolle Silhouette der Burg, deren feste
Mauermasse, wie verwachsen mit dem Fels, runde und eckige Türme drohend emporstreckt, ist
kraftvolles Zeugnis für die Stärke der Mächte, die sich an dieser Stelle bekämpften. Ursprünglich
war der westliche Teil mit seinem romanischen Kapellenturm, dessen Schwere ihn späteren
Geschlechtern wie ein Gebilde der Urzeit, als „Heidenturm" erscheinen ließ, kaiserlicher Besitz,
während der östliche dem Burggrafen von Nürnberg gehörte. Aber mitten hinein zwischen beider
Gewalten baut im 16. Jahrhundert die Stadt einen gewaltigen Rundturm, um ihrerseits im
ganzen Verteidigungsring frei schalten und walten zu können. Solche Keckheit ist nur in einer
Zeit möglich, in der die Stadt auf dem Gipfel ihrer Macht steht.
In der Tat bezeichnet das Jahr 1500 etwa den Höhepunkt von Nürnbergs Blüte. Seine
Handelsbeziehungen reichen nach Italien und Holland, ja, einer seiner Bürger, Martin Behaim,
nimmt teil an den großen Entdeckungsfahrten in der neuen Welt und schafft ihnen die
geographischen Hilfsmittel. Das Ansehen der Stadt im Reiche ist so groß, daß man ihrer Hut
die Reichskleinodien anvertraut. Sie ist in allen ihren Teilen ein Werkzeug des Reichtums und
des Handels. Dessen Bequemlichkeit verlangt, daß die Mauer im Zuge der alten Landstraßen
durch Tore unterbrochen wird, die dann als empfindliche Lücken in der Mauer besonders geschützt
werden müssen. Ihm dient die Anlage der Straßen und der Märkte, die nicht, wie heute, bloße
Wegkreuzungen sind, sondern, da die Straßen an ihren Rändern entlang geführt werden, die
Ruhe eines in sich geschlossenen Platzes haben. Hier kann an allen Ständen gekauft und ver-
kauft werden, ohne daß der Wagenverkehr den Handel oder auch nur den Bauer stört, der sein
Vieh am Marktbrunnen tränken will, und mit dem Reichtnm wächst das Bedürfnis der Bürger
nach Luxus und Bequemlichkeit in Haus und Wohnung.
In Italien schafft damals die Genußfreude der Renaissance dem Menschen eine Umgebung
von einziger Schönheit. Was die Nürnberger Kanfleute und Künstler in Italien gesehen, wollen
sie daheim nicht entbehren. Das älteste Haus in Nürnberg, das sogenannte Nassauer-Haus, das
aber Eigentum der Patrizierfamilie Schlüsselfelder war, wirkt in seinem Lurmartigen Aufbau mit
seinem Zinnenkranz und seinen dicken, nur von wenig Fenstern durchbrochenen Mauern düster
und festungsartig. Das Pellerhaus (1615 erbaut) dagegen ist außen geziert mit allem Reichtum
Italiens an Säulen, Bögen und Simsen, und wenn wir seine Einfahrt durchschritten haben.
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