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Cohn-Wiener, Ernst
Alt-Nürnberg und das malerische Frankenland: 145 Bilder nach Naturaufnahmen — Berlin: Verlag für Kunstwissenschaft, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.56727#0009
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Alt-Nürnberg und das malerische Frankenland.
— wie die Fanfaren des Meistersingereinzuges tönt der Name in unser Ohr,
jubelnd und klingend und doch mit dem leisen Unterton romantischer Sehnsucht nach einer
Vergangenheit, die alle diese Schönheit geschaffen. War doch Nürnberg die Stadt, in der Peter
Vijcher lind Albrecht Dürer geschaffen, in der Hans Sachsens Lieder tonten rind die Treib-
hämmer der berühmtesten Waffenschmiede Deutschlands hell auf dem Metall der Harnische
klangen. Und diese Vergangenheit wird in Nürnberg zum Erlebnis der Gegenwart. Denn es
ist die einzige bedeutendere Kulturstätte des „heiligen römischen Reiches deutscher Nation", deren
unbesiegbar fester Mauerring anch dem Ansturm modernen Lebens widerstand und uns das ganze
alte Nürnberg mit Straßen und Plätzen, Kirchen und Häusern, Erkern nnd Brunnen als ein
Denkmal seiner selbst unangetastet überliefert hat.
Es ist ein Empfang ohnegleichen, wenn sich dein Fremden, der vom Bahnhof her der Stadt
ßch nähert, die trotzige Ouadermauer der Frauentorbastion drohend entgegenstellt und die runde
Mauermasse des Turmes ihn ungastlich abzuwehren scheint. Nur zögerud schreiten wir durchs
dunkle Tor. Innerhalb der Mauern drängen sich schmale Häuser mit hohen Dächern zu male-
rischen Gruppen zusammen, blicken mit neugierigen Erkern und Dachluken nach der Straße, mit
weitgeöffneten Hvlzgalerien zum Fluß hinab. Sie drängen sich, jedes Gebäude eigenwillig zum
eignen Zweck, in eigenen Formen gebaut, in Straßen zusammen, die hier und da Plätze dem
Marktverkehr freigeben, vor hochragenden Kirchen ehrerbietig zurückweichen und ihren Schwall
an der zackigen Krone der Burg brechen, wie Wellen am ragenden Fels. Das ganze Bild ist
so fvrmreich und dabei so einheitlich, daß unsere Phantasie uns unwillkürlich in jene Vergangen-
heit zurückträgt, da Nürnbergs Kaufleute in ihren Häusern die Schätze Italiens aufstapelten und
seine Handwerker die Straßen mit dem Lärm ihrer Gewerke erfüllten. Fast wundern wir uns, daß
nirgendwo ein ehrenfester Handwerker mit derbem Schritt durch diese krummen Gassen geht, das Schurz-
fell vvrgebunden, den Hammer in der Hand, wie Meister Vischer am Sebaldusschrein sich dargestellt hat.
Indessen, eine Stadt will nicht wie ein Gemälde angesehen sein, sondern ist ein Organismus,
den betriebsame Bürger schufen, um darin zu wohnen und ihrem Gewerbe nachzugehen. Sie
erwächst mit der Notwendigkeit eines Naturgebildes, entsprechend der Lage des Ortes und dem
Bedürfnis der Bewohner. Jeder ihrer Teile, Häuser, Straße, Plätze, Mauern, erhält seine
Gestalt durch den Zweck, zu dein er geschaffen wird. Die Rücksicht auf den Zweck bedingt auch
die Lage dieser einzelnen Teile zueinander und ihre Verknüpfung zu einem Ganzen, bedingt, kurz
gesagt, die Stadt. Der Deutsche der llrzeit wohnte in zerstreuten Gehöften, die ab und zu von
herumziehenden Händlern besucht wurden. Aber mit dem steigenden Bedürfnisse bildeten sich im
Schutze der Burgen Städte als feste Handelsplätze von stets wachsendem Reichtum aus. Der
Neid räuberischer Nachbarn zwingt sie, sich mit der starken Wehr fester Mauern zu umgürten.
Wie notwendig solche Vorsicht war, bezeugen die ständigen Fehden der deutschen Städte mit
Rittern und Nachbar,gemeinden, bezeugt für Nürnberg besonders die Erzählnng von der Gefangen-
nahme des Raubritters Eppelin von Gailingen durch die Städter, deren Warenzüge er angefallen
und beranbt, deren Bürger er niedergeworfen hatte, und deren Rache er sich selbst noch, als er

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