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IlI. Die helleniſche Runſt

Drittes Rapitel.

Die helleniſche Kunſt.
Und nun iſt es, als käme Ordnung in ein Chaos, wenn m nächſten
Jahrtauſend auf helleniſchem Boden der doriſche Tempel feſtgefügt vor
uns ſteht. Die erſte rchitektur, die alle Wucht des Monuments begrün-
det in der Gliederung der Einzelform, in der klaren Scheidung von Kraft
und Caſt, tragendem und getragenem Gliede und ſie wieder vereinigt
durch den edlen Rhythmus des Ganzen. Der Poſeidon⸗Tempel von Pä-
ſtum (lbb. 11) iſt nicht nur ein Bau von ungeheurer Kraft: zum erſten-
mal tritt das Verhältnis der Bauglieder zueinander, der Rhythmus
der Proportionen, tritt die Schönheit als Meiſter des Baues ein. Sein
tektoniſches Gewiſſen hebt ihn weit über die Kunſt der kretiſchen Pa-
läſte, ſeine Eurhythmie weit über die ägyptiſche Maſſenhaftigkeit. lber,
ſo edel die Erſcheinung des Tempels auch iſt, fehlt ihm heute vieles,
um uns ſeinen urſprünglichen Sinn verſtehen zu laſſen; es fehlen ihm
die Skulpturen im leeren Giebelfeld, die Reliefs im Fries, die Farben,
die alle Glieder dieſes Organismus überzogen. Er ſcheint zu ernſt, zu
ſtreng, zu herb. Die Zeit hat die Feſtlichkeit zerſtört, die der helle—
niſchen Runſt wie dem helleniſchen Ceben die harmonie mit dem Ernſt
des Daſeins gab.
Es iſt bei dem eindringlichen Studium gerade der helleniſchen Kunſt
natürlich, daß wir eine ganze lnzahl von Rekonſtruktionen griechiſcher
Tempel haben. Wenn in Bauwerken, wie dieſem Tempelvon Päſtum etwa,
die Grundelemente des Stils völlig erhalten ſind, ſchien es nicht ſchwer
zu ſein, die Einzelheiten zu ergänzen. lber gerade das Empfinden für
dieſe Einzelheiten verlangt ein feines Stilgefühl, wie es wenige be-
ſitzen. Erſt ſeit wenigen Jahren, ſeit Furtwängler, als er lgina für
die Kunſtgeſchichte gewann, eine Rekonſtruktion des vorher lthena-
Tempel genannten Kphaia⸗Tempels gab, beſitzen wir eine vollendete
Nachſchöpfung, gegründet auf ſtrengſte Forſchung, geſchaffen mit feinſtem
Stilgefühl (bb. 12).
Es iſt die Giebelſeite, die alle Eigenſchaften des Baues am ener-
giſchſten konzentriert; die Säulenreihen der Längsſeiten ſind nur Ver-
bindungen zwiſchen ihnen. Hier drücken Säulenreihe und Giebel das
Verhältnis der Baumaſſe zum Dach, der Kraſt zur Caſt mit vollkom-
mener Klarheit aus. Was bei der ägyptiſchen Pyramide rohe Maſſe
 
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