Karolingiſche und romaniſche Runſt
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Deutſchlands Volkskraſt die mächtigſte, und ihre Stärke konzentriert
ſich in den innerſten Gebieten des Candes, in den Cändern am harz
und an der Elbe. hier iſt die heimat der kräftigſten Kaiſergeſchlechter
der deit, hier gründen ſie ihre Burgen und ihre kirchen, hier hat auch
der romaniſche Stil ſeine vollkommenſte lusbildung erfahren. Es iſt un-
gemein intereſſant zu verfolgen, wie der antile Jmpreſſionismus noch
in der Buchmalerei der erſten Sachſenkaiſer, der Ottonen, nachlebt, ſich
aber von antiker lrt immer weiter entfernt, immer zeichneriſcher wird,
bis er ſchließlich, ganz linear geworden, ſich dem Stil der romaniſchen
Kunſt vollkommen eingliedert.
Das iſt der Weg der allgemeinen Zeitkultur. War in karolingi-
ſcher Zeit der lerus die geiſtliche, wie der Staat die weltliche Macht,
war die Bildung mannigfaltig, das Erbteil der Antike noch nicht ganz
verzettelt, ſo ſtellen ſich nun Kirche und Staat immer ſchärfer gegen-
einander, bis Kaiſermacht und Papſttum, ldel und Klerus einander als
Feinde gegenüberſtehen, die um die Macht in der Welt ringen. Da
aber die irche den Geiſt der Menſchen völlig beherrſcht, iſt ſie nun
der einzige Träger deſſen geworden, was man damals unter Bildung
verſtehen kann, und dieſe Bildung ſelbſt wird vollkommen kirchlich.
Wenn bis in die ottoniſche Zeit die Geſchichtſchreibung blüht, wenn
noch unter Otto dem Großen die Nonne Roswitha ihre geiſtlichen Dramen
nach antikem Vorbild ſchreibt, ſo wird weiterhin die Citeratur voll-
kommen chriſtlich, und ihre Themen werden nicht einmal mehr der Bibel
entnommen, ſondern der heiligenlegende. Und die Geſchloſſenheit dieſer
kirchlichen Weltanſchauung, die immer ärmer, aber auch immer feſter
wird, ſteht im engſten õuſammenhang mit der Geſchloſſenheit der Stil-
anſchauungen.
Der romaniſchen Kirche liegt die lnlage der altchriſtlichen Baſilika
zugrunde. Was ſie von dieſem Vorgänger unterſcheidet, iſt die kon-
ſequentere Durchbildung, die organiſchere Geſtaltung. Die Vorhalle
wird verkleinert und in den Bau miteinbezogen, das Querſchiff energiſch
ausgebildet, der Chor als Raum für die Geiſtlichkeit zum wichtigſten
Teil der Kirche gemacht und über das Niveau des Schiffes erhoben,
ſo daß unter ihm in einer lrt Untergeſchoß Platz für die Gruftkirche,
die Krypta, bleibt. Dem wichtigen Oſtchor wird oft im Weſten noch
ein zweiter Chor gegenübergeſtellt.
So bedeutet die romaniſche Kirche in allen Teilen eine Steigerung
der altchriſtlichen Bautendenz. Grundriß und lufbau, Nußenbau und
uG 3i7: Cohn-wiener, Stilentwickl. i. d. bild. RunſtI. 2. ufl. 6
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Deutſchlands Volkskraſt die mächtigſte, und ihre Stärke konzentriert
ſich in den innerſten Gebieten des Candes, in den Cändern am harz
und an der Elbe. hier iſt die heimat der kräftigſten Kaiſergeſchlechter
der deit, hier gründen ſie ihre Burgen und ihre kirchen, hier hat auch
der romaniſche Stil ſeine vollkommenſte lusbildung erfahren. Es iſt un-
gemein intereſſant zu verfolgen, wie der antile Jmpreſſionismus noch
in der Buchmalerei der erſten Sachſenkaiſer, der Ottonen, nachlebt, ſich
aber von antiker lrt immer weiter entfernt, immer zeichneriſcher wird,
bis er ſchließlich, ganz linear geworden, ſich dem Stil der romaniſchen
Kunſt vollkommen eingliedert.
Das iſt der Weg der allgemeinen Zeitkultur. War in karolingi-
ſcher Zeit der lerus die geiſtliche, wie der Staat die weltliche Macht,
war die Bildung mannigfaltig, das Erbteil der Antike noch nicht ganz
verzettelt, ſo ſtellen ſich nun Kirche und Staat immer ſchärfer gegen-
einander, bis Kaiſermacht und Papſttum, ldel und Klerus einander als
Feinde gegenüberſtehen, die um die Macht in der Welt ringen. Da
aber die irche den Geiſt der Menſchen völlig beherrſcht, iſt ſie nun
der einzige Träger deſſen geworden, was man damals unter Bildung
verſtehen kann, und dieſe Bildung ſelbſt wird vollkommen kirchlich.
Wenn bis in die ottoniſche Zeit die Geſchichtſchreibung blüht, wenn
noch unter Otto dem Großen die Nonne Roswitha ihre geiſtlichen Dramen
nach antikem Vorbild ſchreibt, ſo wird weiterhin die Citeratur voll-
kommen chriſtlich, und ihre Themen werden nicht einmal mehr der Bibel
entnommen, ſondern der heiligenlegende. Und die Geſchloſſenheit dieſer
kirchlichen Weltanſchauung, die immer ärmer, aber auch immer feſter
wird, ſteht im engſten õuſammenhang mit der Geſchloſſenheit der Stil-
anſchauungen.
Der romaniſchen Kirche liegt die lnlage der altchriſtlichen Baſilika
zugrunde. Was ſie von dieſem Vorgänger unterſcheidet, iſt die kon-
ſequentere Durchbildung, die organiſchere Geſtaltung. Die Vorhalle
wird verkleinert und in den Bau miteinbezogen, das Querſchiff energiſch
ausgebildet, der Chor als Raum für die Geiſtlichkeit zum wichtigſten
Teil der Kirche gemacht und über das Niveau des Schiffes erhoben,
ſo daß unter ihm in einer lrt Untergeſchoß Platz für die Gruftkirche,
die Krypta, bleibt. Dem wichtigen Oſtchor wird oft im Weſten noch
ein zweiter Chor gegenübergeſtellt.
So bedeutet die romaniſche Kirche in allen Teilen eine Steigerung
der altchriſtlichen Bautendenz. Grundriß und lufbau, Nußenbau und
uG 3i7: Cohn-wiener, Stilentwickl. i. d. bild. RunſtI. 2. ufl. 6