Stadt fehlen, sind so angeordnet, daß das Stadtbild als wirkungsvolle
Einheit erscheint. Die Stadtmauer fehlte natürlich auch hier nicht.
Aber dies war auch die Zeit, in der Gemeinde und Gebet ihre ersten
Formen fanden, in der die Schriftgelehrten die Lehre und die Ethik des
Judentums ausbauten. Der Tempel von Jerusalem und der Opferdienst
sind dahm — jetzt schaffen sich die Gemeinden ihren Mittelpunkt in der
Synagoge und dem Gebet. Und nun kann man sagen, daß gerade die
Zerstreuung, die Diaspora, für die Kunst außerordentlich schöpferisch
wurde. Es klingt fast blasphemisch und ist doch buchstäblich wahr,
daß erst durch sie eine jüdische Kunst möglich wurde. Denn während
der Nationaltempel nur zwei- oder dreimal em Bauproblem stellte und
sein Bestand an Gerät und Schmuck verhältnismäßig gering war, verviel-
facht sich jetzt die Aufgabe und die Leistung, überall in der bewohnten
Welt von Spanien bis Indien gibt es jüdische Gemeinden. Viele von
ihnen sind außerordentlich bedeutend, manche sehr wohlhabend. Ent-
sprechend groß sind ihre Aufwendungen für den Gottesdienst. Lehr-
häuser und Synagogen — beide waren wohl im Anfang identisch — Grüfte,
Geräte, Bücher werden gebraucht. Und diese schmuckfrohe Zeit hat
vor den Aufgaben des jüdischen Kultus nicht halt gemacht. Sie wurden
geschmückt, wurden Kunstwerke, wie die aller anderen Religionen, man
zierte sie, weil man sie liebte. So eng auch die Grenzen waren, die Gesetz
und Gebrauch zogen, so war doch diese Zeit künstlerisch die wertvollste
im ganzen Verlauf der Geschichte der Juden. Lebten sie auch nicht mehr
als freie Nation auf eigenem Boden, so doch als freie Bürger in fremden
Städten und in ihrer Kultursphäre. An Haß und Verfolgung hat es
gerade im Beginn der Römerzeit nicht gefehlt. Was es aber nicht gab,
das war die menschenunwürdige Abschließung und die hohnvolle Ver-
achtung des christlichen Mittelalters, das mit der äußeren Freiheit auch
die innere erstickte, durch die allein Kunst möglich ist. Dazu kam
der entschiedene Wille zur Selbstbehauptung, der die jüdische Welt-
anschauung dieser Zeit bestimmt. Religion und Lehre sind an Stelle des
Tempels getreten, die eigene Gedanken- und Gefühlswelt wird energisch
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Einheit erscheint. Die Stadtmauer fehlte natürlich auch hier nicht.
Aber dies war auch die Zeit, in der Gemeinde und Gebet ihre ersten
Formen fanden, in der die Schriftgelehrten die Lehre und die Ethik des
Judentums ausbauten. Der Tempel von Jerusalem und der Opferdienst
sind dahm — jetzt schaffen sich die Gemeinden ihren Mittelpunkt in der
Synagoge und dem Gebet. Und nun kann man sagen, daß gerade die
Zerstreuung, die Diaspora, für die Kunst außerordentlich schöpferisch
wurde. Es klingt fast blasphemisch und ist doch buchstäblich wahr,
daß erst durch sie eine jüdische Kunst möglich wurde. Denn während
der Nationaltempel nur zwei- oder dreimal em Bauproblem stellte und
sein Bestand an Gerät und Schmuck verhältnismäßig gering war, verviel-
facht sich jetzt die Aufgabe und die Leistung, überall in der bewohnten
Welt von Spanien bis Indien gibt es jüdische Gemeinden. Viele von
ihnen sind außerordentlich bedeutend, manche sehr wohlhabend. Ent-
sprechend groß sind ihre Aufwendungen für den Gottesdienst. Lehr-
häuser und Synagogen — beide waren wohl im Anfang identisch — Grüfte,
Geräte, Bücher werden gebraucht. Und diese schmuckfrohe Zeit hat
vor den Aufgaben des jüdischen Kultus nicht halt gemacht. Sie wurden
geschmückt, wurden Kunstwerke, wie die aller anderen Religionen, man
zierte sie, weil man sie liebte. So eng auch die Grenzen waren, die Gesetz
und Gebrauch zogen, so war doch diese Zeit künstlerisch die wertvollste
im ganzen Verlauf der Geschichte der Juden. Lebten sie auch nicht mehr
als freie Nation auf eigenem Boden, so doch als freie Bürger in fremden
Städten und in ihrer Kultursphäre. An Haß und Verfolgung hat es
gerade im Beginn der Römerzeit nicht gefehlt. Was es aber nicht gab,
das war die menschenunwürdige Abschließung und die hohnvolle Ver-
achtung des christlichen Mittelalters, das mit der äußeren Freiheit auch
die innere erstickte, durch die allein Kunst möglich ist. Dazu kam
der entschiedene Wille zur Selbstbehauptung, der die jüdische Welt-
anschauung dieser Zeit bestimmt. Religion und Lehre sind an Stelle des
Tempels getreten, die eigene Gedanken- und Gefühlswelt wird energisch
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