tung. Er beginnt seine Laufbahn, 27 Jahre alt, mit den „Gänserupferm-
nen“. Der Sinn des Werkes hegt durchaus im Sehen, in der cha-
raktervollen Bewegung in hartem Licht. Stark einfallend hebt es aus dem
dunkeln Raum Bewegungen und Charakterköpfe arbeitender alter Frauen.
Das Bild ist fast noch Dunkelmalerei. 1881 kommt mit der „Schuster-
werkstatt41 das Licht ms Bild. Der Künstler weiß jetzt, daß es den
Innenraum voll durchströmt und, von den Wänden zurückgewor-
fen, ihm Luft und Perspektive gibt. Und so sitzen auch die Arbeitenden
ruhiger, selbstverständlicher an ihrem Tisch. Der Künstler ist be-
herrschter. Es ist nichts Gestelltes mehr im Werk. Zugleich erobert
Liebermann sich die Landschaft. Das war schwieriger. Denn das zer-
streute Licht gleitet weniger bestimmt die Formen ab und leuchtet stärker
und blendender. Aber auch diese Erkenntnisse werden erarbeitet. Lieber-
manns Landschaften sind in den siebziger Jahren vollkommen räumlich,
und die Menschen leben ebenso sicher in ihnen, wie in seinen Zimmern.
Der Höhepunkt ist die „Frau mit den Ziegen“. Em Bild der Arbeit, Abb. 162.
aber ohne Sentimentalität und ohne Pathos, nichts als eine Alte, die durch
die Dünen heimwärts stapft und eine Ziege am Strick führt. Aber in der
Bewegung, die mit der Straffung des Armes und dem gebeugten Nacken
das Bild beherrscht, hegt eine Größe, die keinem Zufall Spielraum läßt
und schlechtweg meisterhaft ist. Es ist das letzte Bild Liebermanns,
das noch einen thematischen Inhalt hat. Dann streift er auch ihn ab und
ist reiner Impressionist. Es war die logische Konsequenz dieser ganz ge-
meisterten Entwicklung. Jetzt malt er nur noch um der Schönheit der
Farbe willen, meist Landschaften in leuchtender Sonne. Seine Sicherheit
ist unerhört. Die schnellenden Bewegungen von Tennisspielern auf dem
sonnigen Platz, Reiter in der Sommeratmosphäre am Seestrande, das
Gegeneinander des Polospiels, des Ballspieles zu Pferde sind in ihren
erregendsten Momenten emgefangen. Und so auch das ruhige Leuchten
der Sonne über Garten und Haus.
Seme Entwicklung als Graphiker geht parallel. Die ersten Radie-
rungen sind hart gezeichnet, Werke der Arbeit. Das Blatt mit dem Weber
251
nen“. Der Sinn des Werkes hegt durchaus im Sehen, in der cha-
raktervollen Bewegung in hartem Licht. Stark einfallend hebt es aus dem
dunkeln Raum Bewegungen und Charakterköpfe arbeitender alter Frauen.
Das Bild ist fast noch Dunkelmalerei. 1881 kommt mit der „Schuster-
werkstatt41 das Licht ms Bild. Der Künstler weiß jetzt, daß es den
Innenraum voll durchströmt und, von den Wänden zurückgewor-
fen, ihm Luft und Perspektive gibt. Und so sitzen auch die Arbeitenden
ruhiger, selbstverständlicher an ihrem Tisch. Der Künstler ist be-
herrschter. Es ist nichts Gestelltes mehr im Werk. Zugleich erobert
Liebermann sich die Landschaft. Das war schwieriger. Denn das zer-
streute Licht gleitet weniger bestimmt die Formen ab und leuchtet stärker
und blendender. Aber auch diese Erkenntnisse werden erarbeitet. Lieber-
manns Landschaften sind in den siebziger Jahren vollkommen räumlich,
und die Menschen leben ebenso sicher in ihnen, wie in seinen Zimmern.
Der Höhepunkt ist die „Frau mit den Ziegen“. Em Bild der Arbeit, Abb. 162.
aber ohne Sentimentalität und ohne Pathos, nichts als eine Alte, die durch
die Dünen heimwärts stapft und eine Ziege am Strick führt. Aber in der
Bewegung, die mit der Straffung des Armes und dem gebeugten Nacken
das Bild beherrscht, hegt eine Größe, die keinem Zufall Spielraum läßt
und schlechtweg meisterhaft ist. Es ist das letzte Bild Liebermanns,
das noch einen thematischen Inhalt hat. Dann streift er auch ihn ab und
ist reiner Impressionist. Es war die logische Konsequenz dieser ganz ge-
meisterten Entwicklung. Jetzt malt er nur noch um der Schönheit der
Farbe willen, meist Landschaften in leuchtender Sonne. Seine Sicherheit
ist unerhört. Die schnellenden Bewegungen von Tennisspielern auf dem
sonnigen Platz, Reiter in der Sommeratmosphäre am Seestrande, das
Gegeneinander des Polospiels, des Ballspieles zu Pferde sind in ihren
erregendsten Momenten emgefangen. Und so auch das ruhige Leuchten
der Sonne über Garten und Haus.
Seme Entwicklung als Graphiker geht parallel. Die ersten Radie-
rungen sind hart gezeichnet, Werke der Arbeit. Das Blatt mit dem Weber
251