Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Cremer, Albert
Das neue Anatomie-Gebäude zu Berlin: Mit 10 Kupfertafeln — Berlin, 1866

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.8770#0007
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Die zu der Friedrich-Wilhelms-Universität gehörende Ana-
tomie war bisher in einem Gebäude hinter der Garnisonkirche
untergebracht und entsprach weder in ihren inneren Einrich-
tungen dem Zweck eines derartigen wissenschaftlichen Insti-
tuts, noch weniger aber genügte dieselbe in ihrer räumlichen
Ausdehnung den immer gröfser werdenden Anforderungen,
welche die gesteigerte Frequenz der hiesigen Universität be-
dingte. Der Neubau einer Anatomie, seit Jahren von dem
Königlichen Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Me-
dicinal-Angelegenheiten als dringendes Bedürfnifs anerkannt,
verzögerte sich indessen durch die Schwierigkeit, einen geeig-
neten Bauplatz in nicht zu weiter Entfernung von der Uni-
versität ausfindig zu machen, bis im Herbst 1860, bei Gele-
genheit der 50jährigen Jubiläumsfeier der hiesigen Hochschule,
des Königs Majestät der Universität den Bau einer neuen
Anatomie als Allerhöchstes Festgeschenk zusagten, und zu
diesem Zweck als Baustelle ein Theil des Thierarzneischul-
gartens disponibel gestellt wurde.

Abgesehen von der ganz freien Lage des Gebäudes, um-
geben von schönen Parkanlagen, gewährte die Baustelle auch
noch viele andere nicht hoch genug zu schätzende Vortheile.
Sie liegt nicht allzuweit von der Universität, sie befindet sich
in möglichst geringer Entfernung von der Charite, der chi-
rurgischen Universitäts-Klinik, der pathologischen Anatomie
und der Pepiniere; aufserdem aber wird durch die den Park
der Thierarzneischule durchströmende Panke die Entwässe-
rung des Gebäudes auf dem kürzesten Wege zulässig, und ge-
währte endlich die Baustelle einen ganz vorzüglich guten Bau-
grund, durchschnittlich aus grobem Sande bestehend.

Da das neue Institut in jeder Beziehung eine Muster-
anstalt werden sollte, so wurde der Unterzeichnete beauftragt,
die vorzüglichsten anatomischen Anstalten Deutschlands zu
besichtigen und darüber einen Reisebericht auszuarbeiten. Als
bemerkenswert!) waren die Anatomien zu Würzburg, München,
Giefsen, Heidelberg und Göttingen in Aussicht genommen
worden. Die auf Blatt 10 gezeichneten Grundrifsskizzen ent-
halten die Raum - Dispositionen der vier zuletzt genannten
Anatomien; sie besitzen alle das herausgebaute anatomische
Amphitheater mit hochgelegenem Seitenlicht, sowie die er-
forderlichen Räume für die anatomischen Sammlungen, und
sind in ihren räumlichen Dimensionen der Gröfse der be-
treffenden Universität angepafst. Dagegen enthalten sämmt-
liche Anstalten keine Vorrichtungen zur Ventilation, wenn
man von einer Oeffnung in der Decke des Präparirsaales der
Heidelberger Universität absieht; in keiner Anatomie ist fer-
ner auf die Möglichkeit Rücksicht genommen worden, Decken
und Wände derartig mit Wasser täglich abspritzen und rei-
nigen zu können, um den widerlichen Leichengeruch mit Er-
folg aus der Anstalt zu entfernen. Nichtsdestoweniger mufs
hier die Anordnung, welche in der Heidelberger Anatomie ge-
troffen worden ist, als bemerkenswerth hervorgehoben werden,
dafs man für die Präparirsäle, worin der Haupt-Verwesungs-
procefs der Leichen vor sich geht, ein besonderes Gebäude
errichtet hat, welches mit dem Auditorium durch einen von
Holz construirten Gang in Verbindung steht.

Abweichend von der Anlage der Anatomien für kleinere
Universitäten, sollte die hiesige Anstalt die anatomischen Samm-
lungen, welche in der Universität untergebracht sind, nicht
in sich aufnehmen, weil diese wie die übrigen Universitäts-
Sammlungen im Laufe der Zeit so bedeutend geworden, dafs
sie Landes-Sammlungen genannt werden können, für welche
dereinst ein besonderes Museum errichtet werden dürfte.

Bauprogramm.
Nach dem von dem Director des anatomischen Instituts,
Geheimen Medicinalrath Professor Dr. Reichert aufgestellten
Bauprogramm sollte das neue Institut nachstehende Räumlich-
keiten enthalten:

1) einen grofsen Präparirsaal von circa 2000 bis 2300
□Fufs Gröfse,

2) einen kleinen Präparirsaal von circa 1100 bis 1200
□Fufs Gröfse,

3) einen Saal von etwa 40 Fufs Länge und 20 Fufs
Breite zur Aufstellung der für die Vorträge erforderlichen Prä-
parate,

4) das Auditorium für 250 bis 280 Zuhörer,

5) ein Zimmer für unvollendete Präparate,

6) ein Sectionszimmer des Directors von etwa 400 QFufs.

7) ein Studirzimmer desselben von derselben Gröfse,

8) ein Zimmer für die Bibliothek desselben, von circa
200 QFufs,

9) ein Zimmer von 400 QFufs für den ersten Prosector,

10) ein desgleichen, eben so grofs, für den zweiten Pro-
sector,

11) ein chemisches Laboratorium von derselben Gröfse,

12) ein physikalisches Cabinet von etwa 200 QFufs,

13) ein Zimmer von derselben Gröfse für den Oberarzt
des Friedrich-Wilhelms-Institnts,

14) zwei Zimmer von je 400 QFufs für die mikrosko-
pischen Beobachtungen, möglichst nahe bei dem Zimmer des
Directors,

15) zwei Zimmer von 400 und 200 QFufs für die Staats-
prüfungen,

16) ein Zimmer von 200 QFufs für den beaufsichtigenden
Lehrer,

17) ein Zimmer von 400 QFufs für die anatomischen Ar-
beiten der Cursisten,

18) ein ebenso grofses Zimmer für die akiurgischen Ope-
rationen,

19) ein ebenso grofses Auditorium für die Kunstakademie,

20) ein daneben belegenes Cabinet des vortragenden
Lehrers,

21) die erforderlichen Garderoben für die Studirenden.

22) ein Pissoir in der Nähe der Präparirsäle,

23) die Appartements,

24) die anatomische Küche,

25) die anatomische Waschküche,

26) ein Zimmer zum Zerlegen der Leichen.

27) einen Leichenkeller,

28) einen Eiskeller,

29) eine Wohnung für den Anatomiediener,

30) die erforderlichen Keller zur Aufbewahrung von Heiz-
materialien, Utensilien etc.,

31) ein besonderes Gebäude für die Maceration, zugleich
die Remise der Leichenwagen enthaltend,

32) ein Portierhaus.

Grundrifsdisposition.
Bei dem Entwurf des Grundrisses wurden nachstehende
Punkte als maafsgebend von dem Unterzeichneten zunächst
ins Auge gefafst, da die Baustelle eine vollständige freie Stel-
lung des Gebäudes zulässig machte:

1) Vollkommene Beleuchtung aller Räume.

2) Vollständige Lüftung derselben durch Ventilation.

3) Aufrechterhaltung der möglichst gröfsten Reinlichkeit.
 
Annotationen