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Curtius, Ernst [Hrsg.]; Adler, Friedrich [Hrsg.]
Olympia: die Ergebnisse der von dem Deutschen Reich veranstalteten Ausgrabung (Textband 1): Topographie und Geschichte — Berlin, 1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.778#0106
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Geschichte des Unterganges der Baudenkmäler zu Olympia.

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Geschichte des Unterganges der Baudenkmäler zu Olympia.
Von Friedrich Adler.

Wenn von den Um- und Erweiterungsbauten, bei
denen es erfahrungsmässig ohne Zerflörung nicht ab-
geht, abgesehen wird, so ergiebt eine nähere Prüfung
die Thatsache, dass der Untergang einzelner Baudenk-
mäler nicht erst nach dem Erlöschen der Festspiele
in altchristlicher Zeit, sondern sehr viel früher, schon
im vierten Jahrhundert v. Chr., begonnen hat.
König Philipp von Makedonien war es, der, auf
der Höhe seiner Macht slehend, nach der Schlacht von
Chäroneia 338 in der Altis von Olympia ein Anathem
zu stiften beschloss, welches unter dem Scheine der
Dankbarkeit gegen den Göttervater gleichzeitig von
seiner versöhnlichen Stimmung für Hellas ein öfsent-
liches und allgemein gewürdigtes Zeugnis ablegen sollte.
Mit klugem Sinne an alte lokale Überlieferungen an-
knüpfend, flirtete er ein Schatzhaus in der Form eines
peripteralen Centralbaues mit dem echt königlichen
Inhalte von fünf chryselephantinen Standbildern auf
gemeinsamer Basrs. Für sein Philippeion einen wür-
digen Standplatz zu finden, war bei der Überfüllung
der Altis mit Bau- und Bildwerken nicht leicht, doch
muss die Entscheidung bald gefallen sein. Wahr-
scheinlich hat eine andere, damals schon lange schwe-
bende Frage zur raschen und glücklichen Lösung bei-
getragen, weil er auch bei ihr als Gönner und Wohl-
thäter sseh zeigen konnte. Das alte Stadion war für
den mächtig angewachsenen Festverkehr zu klein ge-
worden und bedurfte dringend einer Vermehrung sei-
ner Zuschauerplätze. Ohne eine Verbreiterung der
inneren Wallböschungen, d. h. ohne Erhöhung und
Verlegung der Wallkronen nach aussen, und zwar an
allen vier Seiten, war dies nicht zu machen. Und
da ergab sseh auf der Ostseite der Konssikt, dass die
dort — hart auf der Grenze der Altis — flehende
alte Wandelbahn, die Stoa poikile, jede Erweiterung
behinderte. Sie musste fallen, aber weil sse unent-
behrlich war, sofort — mehr nach innen geschoben —
wieder aufgebaut werden.
Zur Ausgleichung des Flächenverlufles, den die
Altis an der Oflseite erlitt, hat man ihre Westgrenze
erweitert, und zwar geschah dies so, dass man des
heiligen Festthores halber die Südweflecke sehr wenig
verschob, aber die alte Nordwestecke um mehr als 30 m
nach dem Kladeos hinaus verlegte. Dadurch wurden
drei Vorteile erreicht, die Altis wuchs um 800 qm
Grundfläche, das Prytaneion gewann mit seiner Haupt-
front den unmittelbaren Anschluss an den heiligen Hain
und das Philippeion erhielt einen vortresflichen Stand-
platz in der Nähe vielbesuchter Heiligtümer l).

') Vergl. hierzu die Baubeschreibungen von der Echo-
halle und dem Philippeion im Textbande S. 72 und S. 133.

Daher eröffnet der Abbruch der alten Stoa poikile
den Reigen der untergegangenen Bauwerke.
Der zweite Verlust, den die Altis dreihundert
Jahre später erlitt, war der brutale Abbruch des in
mehrfacher Beziehung höchst wertvollen sogenannten
Südostbaues, des Hellanodikeion, an ihrer Südostecke.
Auch dieser edle dorische Bau aus dem Anfange des
vierten Jahrhunderts musste fallen, damit der an Grö-
ssenwahnssnn längst schwer erkrankte Weltherrscher
Nero auf seiner Künstlerreise durch Hellas im Jahre 67
ein seiner Stellung würdiges Heim vorfinden konnte.
Lange hat sein Palast nicht gestanden; er ist in spät-
römischer Zeit zum Teil zerstört und durch das grosse
gewölbte Gebäude überbaut worden, dessen Kern die
östlich sseh anschliessende Oktogonruine bildet1).
Eine ähnliche Lücke im Bestande der Bauwerke,
aber eine kleinere und mit belTerem Ersatze, riss fast
hundert Jahre nach Nero der reiche Sophist Herodes
Atticus, indem er mindestens zwei auf der The-
saurenterrasse weltlich vom Altare des thebanischen
Herakles slehende kleinere Gebäude abbrechen und
durch seinen slolzen, mit 22 lebensgrossen marmornen
Standbildern besetzten Halbkuppelbau, der für die bei-
den letzten Jahrhunderte ein Glanzpunkt in der Altis
wurde, überbauen liess. Höchstwahrscheinlich ist ihm
damals — 154 bis 157 — auch gestattet worden, die
beiden östlich vom Sikyonier Schatzhause gestandenen
Schatzhäuser niederlegen zu dürfen, welche Pausanias
später nicht mehr vorfand und überliefern konnte.
Diese Vermutung beruht auf der Erwägung, dass zum
Aufbau eines so grossen und schwierigen Werkes, wie
die Exedra es ist, ein geräumiger Arbeits- und Mate-
rialien-Lagerplatz ganz unentbehrlich ist. Am Fusse
der Terrasl'e war ein solcher nicht einzurichten, dort
standen Altäre und Tempel, und oben am Abhänge
des Kronion hätten tiefe Anschneidungen stattfinden
mussen, deren Gefährlichkeit nahe lag2). Es blieb also
nichts anderes übrig, als die oben erwähnte Zerslörung
auf der Terrasse vorzunehmen.
Was ausserdem noch in spät antiker Zeit ausser-
halb der Altis, besonders im Werten untergegangen ist,
sei es durch Abstürze an den Bergen von Druva, an
deren Fusse Pausanias noch die Reste der Ställe des
Oinomaos sah, sei es durch Unterwaschungen des
Kladeos an seinem linken Ufer, entzieht sseh unserer

') Dieser Bau entslammt nach meiner Ansicht ebenso
wie der Umbau des Leonidaion der Epoche des Kaisers
Hadrian.
2) Die Abspülungen und Erdrutsche am Kronion haben
früh begonnen, denn die oberste Futtermauer hoch über der
Schatzhäuserterrasse lag schon verschüttet, als die Bau-
Ingenieure des Herodes den Hauptleitungskanal bauten.
 
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