Entwurf einer Geschichte von Olympia.
39
in ossenen Gauen wohnten; jeder städtische Synoikismos
war also das sicherste Mittel, Spartas Einssuss zu brechen.
Wie mächtig aber die Reformbewegung in Elis war, geht
daraus am deutlichsten hervor, dass man eine neue Glie-
derung von Land und Volk in Angrifs nahm, wie es bei
allen grossen Verfassungsänderungen im Altertum der
Fall war.
Elis ist bei seiner lang gestreckten Uferlage die Land-
schaft, welche am schwierigsten zu einem festen Ganzen
zu vereinigen war. Ihr fehlen die natürlichen Schranken,
innerhalb deren sich in Hellas die bürgerlichen Gemein-
schaften bildeten. Daher der Mangel an kantonaler Selb-
ständigkeit und das lange Verharren in den alten Formen
loser Gauverbände. Auch jetzt, da die Herrschaft des
alten Geschlechterkreises gebrochen war, ging die oberste
Staatsleitung nicht, wie bei den anderen Synoikismen,
an die Gesamtheit der freien Staatsangehörigen über.
Die Bauern, Hirten und Fischer waren unfähig, bürger-
liche Rechte auszuüben. Aber es wurde der Versuch
gemacht, eine staatliche Einheit anzubahnen, indem man
die Bevölkerung nach ihren Wohnsitzen gliederte, um
auf diele Weise das Gefühl landschaftlicher Zusammen-
gehörigkeit zu stärken. Während die Eleer bisher nur
durch den regierenden Adel vertreten waren, wurden
jetzt örtliche Phylen eingeführt und alle freien Bewohner
als Eleer anerkannt. Es war eine Reform, welche an
die Einführung der Kleisthenischen Phylen erinnert, und
da alle antilakonischen Volksbewegungen mit einer Hin-
neigung zu Athen zusammenhingen, so ist es nicht un-
wahrscheinlich, dass auch hier Attika vorbildlich gewesen
ist'). Die Phylen von Elis waren aber keine neu ge-
schafsenen Landbezirke, sondern sie beruhten auf der
alten Gliederung derLandschaft, welche aus demDionysos-
dienste hervorgegangen ist (s. S. 17).
Wie sich politische Ordnungen bei den Griechen an
den Götterdienst anschlossen, erkennen wir am deut-
lichsten in Patrai, wo die beim Dionysoskultus mit Ehren-
ämtern ausgezeichneten Familien auch zu bürgerlichen
Ämtern herangezogen wurden (Paus. VII 20). So hatte
sich aus dem Dienste derselben Gottheit auch in Elis ein
Kreis vornehmerer Familien gebildet. Diese Notabein des
Landes, deren Ansehen auf einer durchaus volkstümlichen
Grundlage beruhte, wurden also benutzt, um an Stelle der
engen Oligarchie einen neuen grösseren Kreis von Ge-
schlechtern zur Leitung der ösfentlichen Angelegenheiten
heranzuziehen. Die alte Kreisordnung blieb. Auch die
alte Zahl der Kreise blieb, vier für Nord-Elis, vier für
Pisatis. Das Zeusheiligtum in Olympia wurde aber jetzt in
neuer Weise Mittelpunkt und Kern der ganzen Landschaft.
Dies erkennen wir besonders darin, dass in der Lei-
tung des olympischen Festes plötzlich eine wesentliche
Veränderung eintrat. Die Zahl der Hellanodiken wird auf
einmal um mehr als das Vierfache erhöht, und wenn diese
durchgreifendste aller Reformen des olympischen Festes
auch nicht ausdrücklich mit der neuen Phylenordnung
in Zusammenhang gesetzt wird, so ist sie doch nur in
') Niebuhr hat die elischen Phylen mit den örtlichen
Tribus der Römer verglichen (Vorträge über röm. Geschichte I
S. 309).
Verbindung mit ihr verständlich. Denn mit der Aus-
dehnung des Territoriums von Elis wächst die Zahl
der Hellanodiken bis auf zwölf; infolge von Einbusse
an Landbesitz vermindert sie sich auf acht und ist end-
lich bei zehn flehen geblieben. Wenn also gleich zuerst
nach Beseitigung der Doppelzahl nicht acht, sondern
neun Hellanodiken eintreten, so können wir dies nur
so erklären, dass damals die landschaftlichen Grenzen
schon über die Pisatis hinaus ausgedehnt waren.
Wie aber die räumliche Erweiterung der Landschaft
mit der neuen Gliederung derselben zusammenhängt, das
lässt sich nur aus den geographischen und geschichtlichen
Verhältnissen von Elis begreifen.
Im Süden war keine natürliche Grenze, und das
Gebirge, welches am linken Alpheiosufer nach der West-
küste vorspringt, das Gebiet der Paroreaten, eine reich
bewässerte Hügellandschaft, war ein besonders dicht be-
völkertes Stück hellenischen Landes. Hier wohnten alt-
einheimische und eingewanderte Stämme nebeneinander,
Völkerschaften der verschiedensten Nationalität, wie der
Name Triphylien andeutet. Von den Eingewanderten
waren die wichtigsten die Minyer mit ihren sechs festen
Städten, welche im Poseidion von Samikon ihr Bundes-
heiligtum hatten und zur Erhaltung desselben wie zur
Feier seines Festes regelmässig Steuerten (Strabo 343).
An Reibungen konnte es nicht fehlen, seit die Eleer
mit Einführung der örtlichen Phylen das ganze Land-
gebiet schärfer als zuvor ordneten und gliederten. Über-
ragte doch die nordöstlichste Minyerstadt Phrixa mit ihrer
Gipfelhöhe unmittelbar das Alpheiosthal, und das mit
Olympia so eng verbundene Skillus zeigt am deutlichsten,
wie Nord-Triphylien mit Pisatis unzertrennlich zusam-
menhing. An der Seeküste aber stiess das Gebiet der
Makistier, welche das alte Bundesheiligtum pflegten,
ohne natürliche Schranke an die elische Niederung.
Aus den unvermeidlichen Reibungen entspann sich
ein jahrelanger Krieg. Denn, während die alte Oligarchie
nichts im Sinne hatte, als die von Sparta verbürgten
Ehrenrechte der Eleer zu wahren und im Interesse des
Vororts die Bevölkerung in ihren behaglichen Zuständen
unverändert zu erhalten, lebte in den jüngeren Ge-
schlechtern, die der nationalen Partei angehörten, ein
kühner Geist, und ihr ehrgeiziger Thatendrang führte
sie dahin, dass sie neben der inneren Unabhängigkeit
auch Erweiterung der Landesgrenzen erstrebten.
In Triphylien sind die Eleer zu einem kriegerischen
Volke geworden, und während sie früher nur als Fest-
ordner und Friedensboten bekannt waren, haben sie
jetzt nach den ordnungsmässig gefeierten Olympiaden
wiederholte Feldzüge in das Nachbarland unternommen.
Die Minyer waren ohne Bundesgenossen; wie zähe aber
ihre Orte zusammenhielten, erhellt daraus, dass jede
der alten Burgstädte belagert und zerstört werden musste.
Von diesem Kriege in einem abgelegenen Bergwinkel
hören wir in der griechischen Geschichte nichts; nur
Herodot (IV 148) erwähnt ganz gelegentlich, dass zu seiner
Zeit die meisten dieser Minyerstädte durch die Eleer in
Trümmern lagen. Eine Ergänzung dieser Kunde bildet
die wechselnde Zahl der olympischen Hellanodiken. Die
Neunzahl bezeugt die Einverleibung des Nordrandes von
39
in ossenen Gauen wohnten; jeder städtische Synoikismos
war also das sicherste Mittel, Spartas Einssuss zu brechen.
Wie mächtig aber die Reformbewegung in Elis war, geht
daraus am deutlichsten hervor, dass man eine neue Glie-
derung von Land und Volk in Angrifs nahm, wie es bei
allen grossen Verfassungsänderungen im Altertum der
Fall war.
Elis ist bei seiner lang gestreckten Uferlage die Land-
schaft, welche am schwierigsten zu einem festen Ganzen
zu vereinigen war. Ihr fehlen die natürlichen Schranken,
innerhalb deren sich in Hellas die bürgerlichen Gemein-
schaften bildeten. Daher der Mangel an kantonaler Selb-
ständigkeit und das lange Verharren in den alten Formen
loser Gauverbände. Auch jetzt, da die Herrschaft des
alten Geschlechterkreises gebrochen war, ging die oberste
Staatsleitung nicht, wie bei den anderen Synoikismen,
an die Gesamtheit der freien Staatsangehörigen über.
Die Bauern, Hirten und Fischer waren unfähig, bürger-
liche Rechte auszuüben. Aber es wurde der Versuch
gemacht, eine staatliche Einheit anzubahnen, indem man
die Bevölkerung nach ihren Wohnsitzen gliederte, um
auf diele Weise das Gefühl landschaftlicher Zusammen-
gehörigkeit zu stärken. Während die Eleer bisher nur
durch den regierenden Adel vertreten waren, wurden
jetzt örtliche Phylen eingeführt und alle freien Bewohner
als Eleer anerkannt. Es war eine Reform, welche an
die Einführung der Kleisthenischen Phylen erinnert, und
da alle antilakonischen Volksbewegungen mit einer Hin-
neigung zu Athen zusammenhingen, so ist es nicht un-
wahrscheinlich, dass auch hier Attika vorbildlich gewesen
ist'). Die Phylen von Elis waren aber keine neu ge-
schafsenen Landbezirke, sondern sie beruhten auf der
alten Gliederung derLandschaft, welche aus demDionysos-
dienste hervorgegangen ist (s. S. 17).
Wie sich politische Ordnungen bei den Griechen an
den Götterdienst anschlossen, erkennen wir am deut-
lichsten in Patrai, wo die beim Dionysoskultus mit Ehren-
ämtern ausgezeichneten Familien auch zu bürgerlichen
Ämtern herangezogen wurden (Paus. VII 20). So hatte
sich aus dem Dienste derselben Gottheit auch in Elis ein
Kreis vornehmerer Familien gebildet. Diese Notabein des
Landes, deren Ansehen auf einer durchaus volkstümlichen
Grundlage beruhte, wurden also benutzt, um an Stelle der
engen Oligarchie einen neuen grösseren Kreis von Ge-
schlechtern zur Leitung der ösfentlichen Angelegenheiten
heranzuziehen. Die alte Kreisordnung blieb. Auch die
alte Zahl der Kreise blieb, vier für Nord-Elis, vier für
Pisatis. Das Zeusheiligtum in Olympia wurde aber jetzt in
neuer Weise Mittelpunkt und Kern der ganzen Landschaft.
Dies erkennen wir besonders darin, dass in der Lei-
tung des olympischen Festes plötzlich eine wesentliche
Veränderung eintrat. Die Zahl der Hellanodiken wird auf
einmal um mehr als das Vierfache erhöht, und wenn diese
durchgreifendste aller Reformen des olympischen Festes
auch nicht ausdrücklich mit der neuen Phylenordnung
in Zusammenhang gesetzt wird, so ist sie doch nur in
') Niebuhr hat die elischen Phylen mit den örtlichen
Tribus der Römer verglichen (Vorträge über röm. Geschichte I
S. 309).
Verbindung mit ihr verständlich. Denn mit der Aus-
dehnung des Territoriums von Elis wächst die Zahl
der Hellanodiken bis auf zwölf; infolge von Einbusse
an Landbesitz vermindert sie sich auf acht und ist end-
lich bei zehn flehen geblieben. Wenn also gleich zuerst
nach Beseitigung der Doppelzahl nicht acht, sondern
neun Hellanodiken eintreten, so können wir dies nur
so erklären, dass damals die landschaftlichen Grenzen
schon über die Pisatis hinaus ausgedehnt waren.
Wie aber die räumliche Erweiterung der Landschaft
mit der neuen Gliederung derselben zusammenhängt, das
lässt sich nur aus den geographischen und geschichtlichen
Verhältnissen von Elis begreifen.
Im Süden war keine natürliche Grenze, und das
Gebirge, welches am linken Alpheiosufer nach der West-
küste vorspringt, das Gebiet der Paroreaten, eine reich
bewässerte Hügellandschaft, war ein besonders dicht be-
völkertes Stück hellenischen Landes. Hier wohnten alt-
einheimische und eingewanderte Stämme nebeneinander,
Völkerschaften der verschiedensten Nationalität, wie der
Name Triphylien andeutet. Von den Eingewanderten
waren die wichtigsten die Minyer mit ihren sechs festen
Städten, welche im Poseidion von Samikon ihr Bundes-
heiligtum hatten und zur Erhaltung desselben wie zur
Feier seines Festes regelmässig Steuerten (Strabo 343).
An Reibungen konnte es nicht fehlen, seit die Eleer
mit Einführung der örtlichen Phylen das ganze Land-
gebiet schärfer als zuvor ordneten und gliederten. Über-
ragte doch die nordöstlichste Minyerstadt Phrixa mit ihrer
Gipfelhöhe unmittelbar das Alpheiosthal, und das mit
Olympia so eng verbundene Skillus zeigt am deutlichsten,
wie Nord-Triphylien mit Pisatis unzertrennlich zusam-
menhing. An der Seeküste aber stiess das Gebiet der
Makistier, welche das alte Bundesheiligtum pflegten,
ohne natürliche Schranke an die elische Niederung.
Aus den unvermeidlichen Reibungen entspann sich
ein jahrelanger Krieg. Denn, während die alte Oligarchie
nichts im Sinne hatte, als die von Sparta verbürgten
Ehrenrechte der Eleer zu wahren und im Interesse des
Vororts die Bevölkerung in ihren behaglichen Zuständen
unverändert zu erhalten, lebte in den jüngeren Ge-
schlechtern, die der nationalen Partei angehörten, ein
kühner Geist, und ihr ehrgeiziger Thatendrang führte
sie dahin, dass sie neben der inneren Unabhängigkeit
auch Erweiterung der Landesgrenzen erstrebten.
In Triphylien sind die Eleer zu einem kriegerischen
Volke geworden, und während sie früher nur als Fest-
ordner und Friedensboten bekannt waren, haben sie
jetzt nach den ordnungsmässig gefeierten Olympiaden
wiederholte Feldzüge in das Nachbarland unternommen.
Die Minyer waren ohne Bundesgenossen; wie zähe aber
ihre Orte zusammenhielten, erhellt daraus, dass jede
der alten Burgstädte belagert und zerstört werden musste.
Von diesem Kriege in einem abgelegenen Bergwinkel
hören wir in der griechischen Geschichte nichts; nur
Herodot (IV 148) erwähnt ganz gelegentlich, dass zu seiner
Zeit die meisten dieser Minyerstädte durch die Eleer in
Trümmern lagen. Eine Ergänzung dieser Kunde bildet
die wechselnde Zahl der olympischen Hellanodiken. Die
Neunzahl bezeugt die Einverleibung des Nordrandes von