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Chronik für vervielfältigende Kunst — 1.1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.3767#0060
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Richtung, welche der Verfasser, der Kail'er selbst, ein-
schlug, das Streben, ein grosses, alle Interessen des Lebens
umfallendes Bild zu schafsen, weckt die Erinnerung an
die im späteren Mittelalter beliebten „Spiegel". Mit diesen
stimmt auch überein, dass die praktischen Seiten des
Lebens Rücksicht finden. Doch würde man irren, wenn
man deshalb den Kaiser in mittelalterlichen Anschauungen
befangen erachtete. Wohl plante der Kaiser einen Welt-
spiegel, aber von seinem perlonlichen, fürstlichen Stand-
punkte. Die eigene Persönlichkeit bleibt mittelbar oder
unmittelbar die Axe, um welche sich alle Schilderungen
drehen, auf sie strahlen alle Theile des Spiegels, mögen sie
noch so verschiedenartigen Inhaltes sein, zurück. Dieses
Betonen der Persönlichkeit
enthüllt uns den Renaissance-
zug im Charakter des Kaisers.
Er tritt noch deutlicher zu
Tage, wenn wir das grosse
Gewicht, welches auf die
„Triumphe" in dem Werke
des Kaisers gelegt wird, in
Betracht ziehen. SeitPetrarca
spielen die Triumphe in der
Poesie wie in der Kunst eine
grosse Rolle. Analysiren wir
noch weiter die uns erhal-
tenen Texte, in der ersten
Anlage sowohl wie in der
Ausführung, so stossen wir
auf eine stark ausgesprochene
Neigung zu einer realisti-
schen, auch im Einzelnen auf
scharfe Wahrheit bedachten
Darstellung. Den fingirten
Namen im Weisskönig und
Theurdank, den typischen
Figuren im Triumphzuge
zu Trotze bleiben wir doch
überall auf dem Boden der Wirklichkeit slehen und
werden über den äusseren Verlauf der Begebenheiten
peinlich genau unterrichtet. In gleichmässig ruhigem Tone
schreitet die Erzählung oder Beschreibung vorwärts, ohne
dramatische Hebung; aber auch die didaktische Tendenz
bildet nur den Untergrund, drängt sich nicht allzu stark in
den Vordergrund. Die Zergliederung der Natur der Texte
hilft uns, über die Wahl und den Werth des künstlerischen
Schmuckes unbefangen zu urtheilen. Dass ein solcher von
allem Anfange an in der Absicht des Kaisers lag, dieser
gleichzeitig ein literarisches und ein künstlerisches Denk-
mal sich stiften wollte, ist bekannt und wird durch des
Kaisers Gedenkbuch auch urkundlich sichergestellt. Hat er
sich in der Wahl des Schmuckes vergriffen?
Oft schon ist darüber Klage geführt worden, dass
Kaiser Maximilian, von seinem Grabmale abgesehen, der
grossen monumentalen Kunst hat keine Pflege angedeihen


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lasfen. Eine gewisse hastige Unruhe lag allerdings in seinem
Wesen. Er setzte nicht immer seine volle Kraft für einen
grossen Zweck ein, zersplitterte die erstere, indem er zu
vielerlei unternahm. Was aber sein Werk, das wir unter
den Namen Fürstenspiegel zusammenfassen möchten, be-
trifft, so kann man dem Plane vielleicht Weitschichtigkeit
vorwerfen, muss aber die Folgerichtigkeit anerkennen.
Die Klage, dass Kaiser Max sich zur Kunst nicht wie ein
Italiener verhielt, seinen Triumph nicht in grossen Fresken,
in mächtigen Palasthallen darstellen liess, ist müssig. Wir
müssen ihn als Deutschen auffassen, namentlich auch in
seinen künstlerisc,hen Anschauungen. Diese übten bereits
bei den literarischen Entwürfen einen entscheidenden
Einfluss. Der Realismus der
Schilderung, verbunden mit
behaglicher Breite, die ehr-
liche Genauigkeit in der
Wiedergabe auch der Ein-
zelheiten,das Verweilen auch
bei den kleinen Ereignissen
des Lebens wies dem Künst-
ler den Weg. Eine architek-
tonische Gliederung des Bild-
stoffes, eine stilisirte Composi-
tion waren ausgeschlossen.
Nur eine Kunstweise,
welche ihrer Natur nach auf
kernhafte Wahrheit los-
lteuert, die Mittel zu scharfer
Charakteristik in bequemer
Weise bereit hält, dabei sich
aber auch an das Wort eng
anzuschmiegen fähig ist,
konnte zur Mitwirkung her-
angezogen werden. Diese
Kunstweise ist der Holz-
schnitt. Von langer Hand
hatte er sich auf ähnliche
Aufgaben vorbereitet; jetzt war er, insbesondere in Augs-
burg und Nürnberg so hoch entwickelt, dass er auch die
grössten Ansprüche zu erfüllen vermochte. Halten wir
an den beiden Thatsachen fest, dass einerseits im Holz-
schnitte unser nationaler Kunstsinn sich am kräftigsten
verkörpert, anderseits das Werk Kaiser Maximilian's mit
klarer Absicht auf den Schmuck durch Holzschnitte (denn
die gemalten Vorlagen bilden nur eine vorbereitende
Stufe) angelegt ist, so wird das Urtheil über die Bedeutung
des letzteren in unterer alten Kunst ungleich günstiger
lauten, als er sich landläufig gestaltet. Wir müssen uns nur
bei dem Studium der deutschen Kunstgeschichte endlich
einmal den schielenden Seitenblick auf Italien abgewöhnen.
Der Himmel bewahre uns vor einer Geringsehätzung
der italienischen Kunst. Dazu ist bei einem Deutschen
ohnehin keine Gefahr vorhanden. Wir gönnen jedem Ein-
zelnen den höheren ästhetischen Genuss, welchen er von

>lt, Kayser, Frankreich, Hispanien."
nert.)
 
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