Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Chronik für vervielfältigende Kunst — 3.1890

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3813#0086
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
82

ÜBER DIE TECHNIK DES ALTEN HOLZSCHNITTES.


err Inspector Joses Schönbrunner hat in Nr. 12 des II. Jahr-
? ganges dieser Chronik (S. 91) Bemerkungen über den Schrot-
RBHi schnitt und die Technik des alteren Holzschnittes verössent-
licht, die an meinen in Nr. 9 (S. 65 sf.) desselben Jahrganges abgedruck-
ten Auslatz über ,.Schrotblatter" anknüpfen. Ich bin Herrn Schönbrunner
»ewiss sehr dankbar sür die sreundliche Kenntnisnahme meines Artikels
und sür die Unterstützung, welche er meinen Anssehten durch die Auto-
rität seines Namens angedeihen lässt. Dennoch aber möchte ich mir
erlauben, einige der von ihm besprochenon Punkte etwas näher zu
betrachten und, wo es mir nüthig scheint, von seinen Schlußsolgerungen
abzuweichen.
Nach Herrn Schönbrunner's Ansicht wären viele der besten allen
Holzschnitte aus Hirnholz ausgesührte Grabstichelarbeiten, also eigentlich
Holzstiche. Um das beweisen zu können müssten wir willen: 1. Wie
der Grabstichel anfangs gestaltet war; 2. ob sich Abbildungen von Grab-
slicheln auf alten Reliesschnitten nachweisen lasfen; 3. wann zuerst Hirn-
holz angewandt wurde. Derartige Untersuchungen in Amerika anzu-
slehen hat seine besonderen Schwierigkeiten, und wenn ich versuche
etwas zur Lösung der angeregten Fragen beizutragen, so geschieht das
nur als ein vorläufiger Versuch, dem glücklicher gestellte Forscher viel-
leicht festeren Boden sehaffen können. Das beste Material liesern hier die
Stecher- und Holzschneidermarken mit Werkzeugdarsteilungen, wie sie
unter anderen Nagler in seinen „Monogrammisten" gesammelt hat.
Zur Beantwortung der Frage: „Wie war ansangs der Grabstichel
gestaltet?" mussen wir uns natürlich an die Kupferstecher halten, aber
das Resultat einer solchen Untersuchung ist nicht sehr ausgiebig. Die
älteste von Nagler beigebrachte Darsteilung eines Werkzeugs aus einem
Kupserstiche findet sich aus der gegenseitigen Copie von Dürers „Vier
nackten Weibern" mit dem Zeichen H ^Nagler III, Nr. 512), könnte aiso

Nagler III, Nr. 512
vom Ende des XV. Jahrhunderts fein. Herr Dr. Max Lehrs (Nr. 10 dieses
Blattes für 1889, S. 75) nennt dieses Werkzeug allerdings ein Messer,
sür das Schneidemesser eines Holzsehneiders ift aber die Klinge zu lang.
Aus dem zweiten Drucke derselben Copie hat nach Nagler (III, Nr. 1083)

Nagler III, Nr. 1083.
das Werkzeug seine Geslalt etwas verändert und wurde in diele Ver-
änderung, nach Herrn Dr. Lehrs, Hans Schäusselein zuzuschreiben sein.
Ein Instrument, welches im Prineip einem anderen Grabstichel schon
ähnlicher ist, sür unsere heutigen Stecher aber trotzdem sehr unbequem
fein würde, sindet sich nach Nagler III, Nr. 567. aus der Copie des heiligen

Nagler III. Nr. 567.
Scbaftian von Dürer von einem unbekannten Stecher. Um 1550 sügt der
deutsehe Stecher I. V. M, den Ansangsbuchstaben seines Namens (nach
Nagler IV, Nr. 608) ein Inftrument bei, welches als Grabslichel mit nach

Nagler IV, Nr. 608.

oben gewendeter Bahn gedeutet werden kann. Im Jahre 1575 endlich
sindet sich bei einem Wiener Kupserftecher A. F. (Nagler I, Nr. 541) ein

Nagler I, Nr. 541.
ganz unverkennbarer Grabstichel. Zu Ansang des XVII. Jahrhunderts
dagegen kommt bei Hans Conrad Wörle, Goldschmied und Kupser-
stecher in Nördlingen, wieder eine abweichende Form vor, und felbst

Nagler III, Nr. 802.
noch Grüner (nach Nagler III, Nr. 96) aus seinem ,,Kops eines alten

Nagler III, Nr. 00.
Weibes mit Pelzmütze", nach August Krasft gibt feinem Stichel eine
absonderliche Form. Das merkwürdige bei allen diesen Sticheln ist, dass
sie, mit Ausnahme von Nagler III, Nr. 567, keine nach unten abge-
platteten Heste haben, dass also bei der Arbeit die Bahn sehr fchies
gegen die Plattenebene gestanden haben muss. Ob dies auch von I,
Nr. 541, gilt, lässt sich nicht sagen, da der Stichel in Obenansicht dar-
gestellt ist. Die Einsührung der abgeplatteten Grisfe wäre demnach als
eine verhältnismässig spätere, bedeutende Verbesserung anzusehen, die
sehr zur Erleichterung der Sticheltechnik beigetragen haben muss. Dass
übrigens zum minderten seit Mitte des XVII. Jahrhunderts die heutige
Form des Grabstichels im allgemeinen giltig war, lieht sest. Als Belege

Qtite

können die Abbildungen in Bosse's ,,Traite" von 1645 und fpäter,
Evelyn's „Sculptura", 1662 und 1769, und der Stichel aus dem zweiten
Zustande von Schmidt's „Esterhazy de Galantha" dienen.
Fragen wir nun, ob sich aus alten Holzschnitten Werkzeuge
abgebildet rinden, welche sich den von den Kupserstechern gebrauchten
vergleichen lassen, so Hellt sich die Antwort solgendermassen: Von unge-
sähr 170 Holzschneidermarken mit Werkzeugdarsteilungen, welche
Nagler vom XV. bis XIX. Jahrhundert aus Deutsehland, den Nieder-
landen, Frankreich, England und Italien beibringt, lassen sich hochstens
vier aus Stichel deuten, die anderen bieten sämmthch Messer dar, die bei
aller Verschiedenheit sich aus wenige Typen reduesren lassen. Manchmal
sind es hakensörmige Mefserchen, dann und wann kommt eine blatt-
Nagler IV, Nr. 17u:;.
sörmige Klinge vor, meistens aber ist die Klinge dreieckig, mit gerader

aO^

Nagler IV, Nr. MS.

Nagler I, Nr. 231 u. s. w. Nagler 1, Nr. 1237 u. s. <

Schneide oder etwas gefchwungen. Es sei hier erwähnt, dafs auch das
Schneidemesser der Japaner, defsen Abbildung nach einem mir vor-
liegenden Exemplare S. 83 gegeben ist, diesen alten europäischen Messern
 
Annotationen