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Scholz, Hartmut
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Mittelfranken und Nürnberg (extra muros): Text — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 10,1, Teil 1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.52869#0061
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KUNSTGESCHICHTLICHE EINLEITUNG


Textabb. 21. Hll. Vitus, Wenzel und Sigismund im Mühlhausener Altar. Stuttgart, Staatsgalerie.
Prag, um 1385.


Textabb. 22. Maria mit Schmerzensmann.
Federzeichnung (Ausschnitt). Nürnberg,
GNM, Hz 38v. Böhmen (?), um 1380.

jedenfalls vor 1370 verstorben war91. Wenn dieser Maler, über dessen Werk aus den Quellen bislang nichts bekannt
geworden ist, zwar selbst kaum mit der späteren Fensterstiftung des Böhmenkönigs in Hersbruck, doch ebensowenig
mit der Chorverglasung in St. Sebald, verbunden werden kann, so ist mit ihm jedenfalls einer der Protagonisten
benannt, der den anderen Künstlern der Stadt die neuen Stilströmungen vermittelt haben könnte. Unter den inner-
städtischen Aufträgen ist für einen kaiserlichen Hofmaler wohl zuallererst die Ausmalung der Moritzkapelle mit Sze-
nen aus dem Leben Karls IV. und der Kindheit Wenzels in Betracht zu ziehen, die im Bereich der Bildarchitektur mit
ihren schräggestellten Gehäusen, den identischen Kassettendecken, Rundbogenfriesen, mit Maßwerkkreisen durch-
brochenen Architraven und gewirtelten Säulen überdies die erstaunlichsten Parallelen sowohl zum Tabernakelaltar
der Nürnberger Klarissen als auch zu den Glasmalereien in St. Sebald aufzuweisen hat (vgl. Textabb. 27-2<))92. Daß
der im Zweiten Weltkrieg zerstörte Zyklus noch in die sechziger Jahre zu datieren ist, wird durch die Darstellung
Wenzels im Kindesalter - als Täufling und als Schulkind beim ersten Unterricht - nahegelegt. Doch selbst wenn
Sebald Weinschröter nicht mehr selbst an der Ausführung der Fresken beteiligt war, so ist mit dem zweiten Maler glei-
chen Namens (Sohn oder Bruder?) doch eine Werkstatt-Tradition angedeutet, die auch die fraglichen Zusammenhänge
mit dem Hochaltar von St. Jakob und den Nürnberger Klarenaltären erklären könnte (vgl. Textabb. 23, 27, 30)93.
Auch der Jakobsaltar verrät freilich in seinem spektakulärsten (leider total ruinierten) Bild - der »Reiselandschaft«, in
der die Anbetung der Könige mit dem herannahenden Reiterzug und der Hirtenverkündigung verbunden ist - eine
derart souveräne Verarbeitung westlicher bzw. italienischer Vorbilder, daß die Vorstellung, nur ein sekundäres Werk
vor uns zu haben, nicht recht überzeugen kann94. Während Beenken die Eigenständigkeit des Malers gegenüber der
Prager Hofkunst betont und eher an eine umgekehrte Einflußnahme dachte, hat sich Stange vehement für eine solche
Abhängigkeit ausgesprochen. In jedem Fall dürften die betreffenden Werke der Wand- und Tafelmalerei der sechziger
und siebzigerJahre nicht ohne Einfluß auf die Glasmaler der Sebalder Chorverglasung gewesen sein.
 
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