Metadaten

Scholz, Hartmut
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Mittelfranken und Nürnberg (extra muros): Text — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 10,1, Teil 1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2002

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.52869#0179
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
174

GROSSGRÜNDLACH • PFARRKIRCHE

nur die roten, braunen und violetten Farbgläser zeigen rückseitig
Ansätze punktförmiger Korrosion. Die subtile Bemalung der
Innenseite mittels nadeldünner Pinselzeichnung über verlaufen-
den, in den Lichtern trocken gestupften Halbtonlasuren ist in
weiten Teilen vorzüglich intakt. Von ehemals vorhandenen rück-
seitigen Lasuren sind dagegen nur noch Spuren in den Engels-
flügeln zu erkennen. Bleinetz erneuert; vereinzelt störende
Sprungbleie, insbesondere im Oberkörper der Jungfrau; wenige
Sprünge. Breite Kittränder entlang der Bleie.


Fig. 70. Maria am Webstuhl.
London, British Museum.
Hans Leu d.J., 1510
(nach Hans Baldung Grien).

Fig. 69. ES Chorl, la.


Ikonographie, Komposition: Das Leben der Jungfrau Maria als
Tempeldienerin, die Arbeit am Webstuhl, das Verrichten der
Gebete am Altar und die himmlische Speisung durch einen Engel
ist in diversen apokryphen Schriften - am ausführlichsten bei
Pseudo-Matthäus, knapper im Protevangelium des Jacobus oder
später in der Legenda aurea und den Meditationes vitae Christi -
erzählt14. Während die Handarbeiten Sondergut der abendländi-
schen Kunst vor allem des späteren Mittelalters waren und hier
in großer Zahl und Vielfalt in allen Gattungen dargestellt wur-
den15, begegnet die Speisung durch den Engel in Erweiterung der
Tempelgangsszene auch in den älteren Bildzyklen des Ostens16.
Das Großgründlacher Bild rückt den Besuch der Engel mit der
himmlischen Nahrung (Sinnbild der Eucharistie) in den Vorder-
grund, der zugleich die Arbeit Marias am Webstuhl unterbricht.
Die kleine Nebenszene im Hintergrund schließlich zeigt Maria
beim Gebet kniend vor dem Altar.
Eine maßstäbliche, 1510 datierte Nachzeichnung der Visierung
Hans Baldung Griens von der Hand des Zürcher Malers und
Zeichners Hans Leu d.J. befindet sich im British Museum in
London (Fig. 70)17. Obwohl das Blatt bis auf die Ansätze der
architektonisch-vegetabilen Rundbogenrahmung ausgeschnitten
wurde, vermittelt es doch eine klare Vorstellung von der ehe-
maligen Ausdehnung der Szene: Demzufolge sind die stärksten
Beschneidungen oben und auf Seiten der Engel, dagegen unten
und auf Seiten der Jungfrau nur minimale Verluste zu verzeich-
nen.
Farbigkeit: Den Hauptakkord bilden das blaue Gewand Marias
und die diversen Gelbtöne, größerflächig in der Albe des Engels
(dort mit kleinen roten und hellblauen Stulpen an den Ärmeln)
und beim Webstuhlrahmen, sowie in verteilten Akzenten der
Haare, Nimben und Kerzenleuchter. In den Hintergrund tritt
das dunklere Grün und Rot der Engelsflügel, die grünen Flügel
mit grauvioletten Deckfedern. Weiß herrscht in den Gesichtern
und Händen, der Albe des zweiten, verdeckten Engels, Teller

und Kanne in Händen des ersten, Kopftuch und Webstück der
Jungfrau und in der kleinen Szene im Hintergrund. Grüngrauer
Fliesenboden; rechts im Hintergrund rotbraune Begrenzungs-
wand mit rundbogigem Durchgang; rotes Rippengewölbe; links
hinter dem Engel eine rote Säule vor hellblauem Himmel. Wap-
pen in schmutzigem Graubraun, grauer Stechhelm mit rot-sil-
bernen Decken; Kleinod: Widderrumpf zwischen roten Büffel-
hörnern. Restzwickel einer weißen Astwerkrahmung.
Technik: Ausschliff rückseitig im Wappen Petz (der ursprüngli-
che Rotüberfang im Schild heute total abgewittert).
Stil, Datierung: Nürnberg, um 1505. Ausführung in der Hirs-
vogel-Werkstatt nach Entwurf von Hans Baldung Grien. Die
nadeldünne, stecherische Manier der Binnenzeichnung steht
dem frühen Zeichenstil Baldungs so auffallend nahe, daß zumin-
dest mit einem exakt durchgezeichneten Karton und mit der
Ausführung durch die beste Kraft der Werkstatt, vermutlich
Hans Hirsvogel d.J., zu rechnen ist (vgl. S. 548 f.)
CVMA A 12235, Großdia A 99/47, Details MF
schriftlicher Mitteilung von Bertold Frhr. von Haller wäre die Allianz
auf eine Tochter von Hans Leitgeb (Elisabeth?) zu beziehen, die mit dem
Läufer Spitalpfleger Georg Petz (f vor 1509?), dem reichen Besitzer
mehrerer Mühlen und Hammerwerke, verheiratet war. Die Frau Anton
Schürstabs, eine geborene Petz (aus Lauf), dürfte die Schwester von
Georg Petz gewesen sein (vgl. ib).
14 Schneemelcher, H990, S. 342; Benz, Ä979, S. 681.
15 Robert L. Wyss, Die Handarbeiten der Maria, in: Artes minores, Dank
an Werner Abegg, Bern 1973, S. 113-188; Schiller, IV, 1980, S. 72-74.
16 Schiller, IV, 1980, Abb. 527-531.
17 Inv. Nr. 1909-1-9-16; vgl. John Rowlands, with the assistance of Giu-
lia Bartrum, Drawings by German Artists in the Department of Prints
and Drawings in the British Museum: The Fifteenth Century and the
Sixteenth Century by Artists born before 1530, London 1993, I, S. 199,
Nr. 421, II, PI. 269.
 
Annotationen