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Scholz, Hartmut
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Mittelfranken und Nürnberg (extra muros): Text — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 10,1, Teil 1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.52869#0180

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GROSSGRÜNDLACH • PFARRKIRCHE

175

ib VERMÄHLUNG MARIAE MIT JOSEPH
Fig. 66, 71, Abb. 80
H. 69-69,5 cm, B. 51,5-52 cm.
Wappen: Rechts unten das Wappen Schürstab: in Silber zwei
gekreuzte schwarze Fackeln; daneben das kleine Beischild der
Petz (Betz): in Rot steigender Steinbock über Dreiberg; Helm-
zier: grauer Stechhelm; weiß gewandeter Moorenrumpf mit
weißer Mitra; Decken rot-silber. Die Allianz bezieht sich auf
Anton Schürstab (11505), der mit einer geborenen Petz (aus
Lauf) verheiratet war18.
Erhaltung: Bildfeld auf beiden Seiten und oben stark beschnit-
ten; die ursprüngliche Astwerkrahmung bis auf zwei kleine
Zwickel in den oberen Ecken verloren; im übrigen fast vollstän-
dig originale Substanz. Das stark abgeriebene Schürstabwappen
muß einst (vor der Translozierung der Scheiben?) aus einer ande-
ren Schürstab-Stiftung hierher versetzt worden sein, ersetzte an
dieser Stelle (wie das angrenzende originale Stück beweist)
jedoch ein ehemals vorhandenes Wappen der Familie. Die Bema-
lung ist großteils vorzüglich intakt. Halbtonabrieb nur im roten
Mantel des Joseph und im kleinen Beischild.
Ikonographie, Komposition: Die Verlobung bzw. Vermählung
Marias mit Joseph gemäß der Legenda aurea, in anderen apokry-
phen Texten (Protev. 8,2-9,31 die Übergabe der Jungfrau in die
Obhut des betagten Witwers, folgt der geläufigen Bildtradition
und zeigt den Augenblick, da der Hohepriester Zacharias die
Hände von Maria und Joseph ineinanderlegt19. Joseph ist getreu
den Textgrundlagen als alter Mann mit Bart und spärlichem Haar
charakterisiert.
Farbigkeit: Großflächiger Akkord von Blau, Rot und Grün in
den Mänteln Marias, Josephs sowie der samten strukturierten
Dalmatik des Zacharias. Untergewänder: die Ärmel Marias pur-
purfarben, kaum sichtbar im Falle Josephs grauviolett. Albe,
Pluviale, Kopftuch, Mitra und Ziersaum der Dalmatik beim
Priester weiß, z.T. mit ausgiebigem Einsatz von Silbergelb.
Köpfe weiß, Maria mit silbergelben Haaren und Nimbus. Hell-
brauner Gewölberaum mit blaß graugrünem Fliesenboden.
Restzwickel einer weißen Astwerkrahmung.
Technik: Ausschliff rückseitig im Wappen Petz.
Stil, Datierung: Nürnberg, um 1505. Ausführung in der Hirsvo-
gel-Werkstatt nach Entwurf von Hans Baldung Grien; steche-
risch-feine, am frühen Zeichenstil Baldungs orientierte Manier
(vermutlich Hans Hirsvogel d.J.); vgl. S. 548f.
CVMA A 12236, Großdia A 99/48, Details MF
2a ABSCHIED JOACHIMS VON ANNA
Fig. 65, 72, Abb. 78, 84.
H. 69,5 cm, B. 50-51 cm.
Wappen: Rechts unten das Wappen Schürstab: in Silber zwei
gekreuzte schwarze Fackeln; daneben das kleine Beischild der
Ahl: in Rot silberner Fürstenhut mit silbernem Aal(?): Die Alli-
anz bezieht sich demnach auf den 1507 verstorbenen Ratsherrn
Hieronymus Schürstab und seine Ehefrau, eine geb. Ahl20.
Erhaltung: Bildfeld auf beiden Seiten und oben stark beschnit-
ten. Die ursprüngliche Bogenrahmung ist bis auf kleinere Rest-
zwickel verloren; ansonsten nahezu vollständig alte Substanz. Im
Bereich des Bodens und am Rocksaum Joachims einzelne Ergän-
zungen des 19. Jh.; Schürstab-Wappen als altes Flickstück nach-
träglich (im 16. Jh.?) hier eingesetzt. Bemalung vorzüglich intakt;
nur in den roten und blauen Gewändern stellenweise geringfügi-

Fig. 71. ES Chor I, ib.



Fig. 72. ES Chor I, 2a.

ger Halbtonabrieb. Reste rückseitiger Lasuren vorwiegend in
den Gewändern. Bleinetz erneuert.
Ikonographie: Der außerordentlich selten dargestellte Abschied
Joachims von Anna, von dem in keiner der populären literari-
schen Quellen die Rede ist, folgt sinngemäß auf die Zurückwei-
sung des Opfers, die gelegentlich - wie etwa um 1370 im Lang-
hausfenster süd XIII des Regensburger Domes - auch im Beisein
der Hl. Anna dargestellt wird21. Am linken Bildrand sind bereits
ein Hirte und die Herde zu sehen, zu der sich der abgewiesene
Joachim zurückziehen wird, um in der Einsamkeit die Botschaft
des Herrn von der Empfängnis Marias zu erwarten.
Komposition, Farbigkeit: Großflächiger Gegenklang von Blau/
Violett und Rot/Grün in den Gewändern der beiden Hauptfigu-
ren. Daneben dominieren der hellblaue Himmel des Land-
schaftsgrunds, die gelben Nimben und die weißen bzw. blaß
graubraunen Partien in den Köpfen und Händen, in der Herde,
in Schild und Helmzier des Schürstabwappens und im hermelin-
besetzten Saum von Annas Untergewand. Als lokalfarbige Folie
dienen die graugrüne Weidelandschaft, der graubraune (links zu
grellfarbig ergänzte) Boden und die rotbraun gequaderte Mauer
hinter der Hl. Anna. Restzwickel einer blaß graublauen Rah-
mung.
Technik: Ursprünglich zeigte das Feld einen außergewöhnlich
virtuosen Glaszuschnitt, so bei Kopf, Hand und Hut des
Joachim (heute durch Sprungbleie verunklärt).
Stil, Datierung: Die Darstellung des Abschieds dürfte zusammen
mit der Zurückweisung Joachims das erste Fenster neben dem
Eingang des ehemaligen Karmeliter-Kreuzgangs geziert haben,
das nach Aussage Sebald Schreyers eine Gemeinschaftsstiftung
des Priors Erhard Schürstab und des Hieronymus Schürstab
gewesen war (vgl. S. 54y)22. Trotz offenkundiger Anlehungen an
die thematisch nahestehenden Holzschnitte B.77-79 aus Dürers
Marienleben von 1503/4 spricht die routinierte, zügige glasmale-
rische Ausführung für eine Entstehung um 1507/8, den Todes-
jahren der beiden männlichen Stifter.
CVMA A 12237, Großdia A 99/49, Details MF

18 Vgl. die Schürstab-Genealogie im Hallerbuch von 1536 (StAN, Rep.
52a, Nr. 211, fol. 220).
19 Schiller, IV, 1980, S. 76-79.
20 Knappe, Großgründlach, 1961, S. 78, Anm. 39; vgl. die Schürstab-
Genealogie im Hallerbuch (StAN, Rep. 52a, Nr. 211, fol. 219). Irrefüh-
 
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