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Scholz, Hartmut
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Mittelfranken und Nürnberg (extra muros): Text — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 10,1, Teil 1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.52869#0413
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PUSCHENDORF • PFARRKIRCHE


Fig. 291. Puschendorf, Pfarrkirche. Grundriß. Maßstab 1:300.

Herzogenaurach unterstellt. Der Bau besitzt ein rechteckiges Langhaus mit alter hölzerner Korbbogentonne und
einen eingezogenen, netzgewölbten Chor mit einem Vorjoch und polygonalem Abschluß über fünf Seiten des Acht-
ecks. Vier dreizeilige Spitzbogenfenster erleuchten das Sanktuarium: im Chorschluß drei zweibahnige Fenster, auf der
Südseite ein einziges dreibahniges Fenster im ersten Joch (Fig. 291 f.).
Eine umfassende Instandsetzung der Chorfenster erfolgte schließlich nach langem Vorlauf 1916 durch den Nürnber-
ger Glasmaler Martin Pfann, bei der größere Fehlstellen insbesondere in den Rechteckwappen nord II, ta, süd II, ib
und süd III, ta stilkonform und einfühlsam ergänzt sowie ausgesuchte originale Teile in der Peripherie zur Mal-
schichtsicherung überglast worden waren3 4. Im Zuge der letzten Restaurierung der Chorfenster Ende der sechziger
Jahre in der Werkstatt Gottfried Frenzei, Nürnberg, wurden, abgesehen von großflächigen Ergänzungen im stärker
beschädigten Feld nord II, ib im wesentlichen Sprungbleie entfernt, Sprünge geklebt und mehrfach gesprungene
Scherben rückseitig mit Araldit doubliert. Seinerzeit erhielten alle Glasmalereien auch eine Außenschutzverglasung.
Ein im Sommer 1995 durch Glasbruch beschädigtes Feld süd III, ta wurde zuletzt bei der Nürnberger Firma Bill-
meyer großflächig rekonstruiert, wobei aus unerfindlichen Gründen ein Großteil der noch vorhandenen originalen
Stücke ausgeschieden und, in völlig unsachgemäßer Weise zwischen zwei Trägergläser montiert, in der Sakristei der
Pfarrkirche ausgestellt wurde (Fig. 298).
Erhaltung: Während die kleinen Formate der Rundwappen und Grisaillescheiben bis auf gelegentlichen Schwarz-
lotabrieb gleichermaßen intakt erhalten sind, kann der Zustand der Rechteckwappen nur als äußerst unterschiedlich
bezeichnet werden: Relativ zufriedenstellend ist der Befund bei den Allianzwappen Haller/Groland (Chor nord II,
ta), Wolffstal/N.N. (nord II, 1 b) und Mendel/Haller (süd II, ta), die über zwei Drittel ihrer originalen Glassubstanz
bewahrt haben und zudem auch nur vereinzelt größere Doublierungen aufweisen. Demgegenüber sind die Wappen
Haller/Peringsdörfer (süd II, ib) und Pirckheimer (süd III, ta) durch massive Ergänzungen bis auf wenige alte Partien
reduziert oder, wie im Fall des Wappens Lochner/von Ploben (süd III, tc), durch weitreichendes Doublieren der
Rückseiten in Mitleidenschaft gezogen. Im Zuge der ersten großen Instandsetzung 1916 scheinen zudem umfangrei-
che Partien in Rahmung, Bodenflächen und Hintergründen überglast, d.h. mit Glasfluß überzogen ein zweites Mal
gebrannt worden zu sein. Im Ergebnis zeigt sich in Puschendorf an den verschiedensten Stellen der großen Rechteck-
wappen eine merkwürdig unebene, löchrige und zugleich speckig glänzende Oberflächenstruktur der mutmaßlich von
diesem Verfahren betroffenen Farbgläser. Witterungsbedingte Korrosionsschäden in Form von mehr oder weniger
fortgeschrittenem Lochfraß sind - wie üblich für das um 1500 in Nürnberg verwendete Glasmaterial - auf die gelben,
roten, rosa und violetten Farbgläser beschränkt. Die Bemalung der originalen Teile ist, von partiellem Abrieb der
Halbtonlasuren abgesehen, in der Regel vorzüglich erhalten. Die Bleinetze stammen - mit geringen Überresten der

3 August Jegel, Chronik der Gemeinde Puschendorf, 1935; Kurzinven-
tar Fürth, 1963, S. 138; Buck (s. Bibi.), 1978, S. 15; Leyh, 1989, S. 5
(nennt Hermann Winkler und Michael Gernolt als Bauherrn).
4 PfA Puschendorf, Rechnungen der Kirchenstiftung, R.15, Jg. 1916:
Die Belege betreffen Ausgaben zur Herstellung der Chorfenster durch

Martin Pfann (262 Mark), Quittungen für Transport, Gerüstbau, Aus-
und Einbau der Felder, Lüftungsflügel und Deckschienen. In den Bau-
akten war bereits 1882 davon die Rede, »bezgl. fehlender Glasteile dieser
sehr werthvollen histor. Malereien ... mit einem kunstverständigen Glas-
maler in entsprechendes Benehmen zu treten« (Nr. 98).
 
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