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Scholz, Hartmut
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Mittelfranken und Nürnberg (extra muros): Anhänge, Tafeln — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 10,1, Teil 2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.52870#0021
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54§

ANHANG i: ABGEWANDERTE SCHEIBEN



Fig. 394. Hl. Joseph (Ausschnitt aus Abb. 79).
Großgründlach, Pfarrkirche, Chor I, 2b.
Nürnberg, 1505 (Hirsvogel-Werkstatt).

Fig. 393. Ungleiches Paar, Kupferstich.
Dresden, Kupferstichkabinett.
Nürnberg, 1507 (Hans Baldung Grien).

Komposition, Stil: Die einzelnen Szenen aus dem Leben und der Passion Christi des ehemaligen Karmeliterzyklus
sind mit ihren bildmäßigen Kompositionen Tafelmalerei und Druckgraphik des engeren Dürerkrcises gleichwertig an
die Seite zu stellen und können zumindest in Teilen auf Entwürfe oder Vorbilder der führenden Dürerschüler - Hans
Baldung Grien, Hans Süß von Kulmbach, gegebenenfalls auch Hans Schäufelein und Wolf Traut - zurückgeführt wer-
den. Daneben existieren quasi selbständiges d.h. ohne Mitwirkung eines externen Entwerfers ausgeführte Arbeiten
der Glasmalerwerkstatt, die freilich gleichfalls den verschiedensten druckgraphischen Vorbildern verpflichtet sind. Die
Kompositionen bleiben überall auf das Einzelfeld beschränkt. Jede Szene wird zudem von einer rein architektonisch
oder aber vegetabil mit Astwerk, Wcinlaub, Stechblatt und ähnlichem gebildeten Bogenrahmung eingefaßt, die
ursprünglich paarweise identisch immer zwei Felder in jedem Fenster des Karmeliterkreuzgangs zusammenfaßte.
Alle frühen von 1504 bis 1507 ausgeführten Scheiben des Zyklus gehen ausnahmslos auf Entwürfe Hans Baldung
Griens zurück (vgl. Großgründlach, Kat. S. 173-179, und Wöhrd, Kat. S. 315-328). Seit den grundlegenden Studien
von Karl-Adolf Knappe wird diese Einsicht von der Forschung einhellig akzeptiert und muß hier nicht mehr im Detail
begründet werden33. Charakteristisches Merkmal der frühesten Gruppe ab 1504, die mit Maria am Webstuhl und der
Vermählung mit Joseph (G) beginnt und sich über Geburt und Epiphanie (W) bis zur Darstellung Christi im Tempel
(G) von 1505 erstreckt, ist - abgesehen von den schlüssigen Gesamtkompositionen - die außerordentlich feine, steche-
rische Zeichentechnik, die in den frühen Handzeichnungen und den wenigen Kupferstichen des Künstlers die
unmittelbarsten Parallelen besitzt (Fig. 393-396). Wie die Vorlagen Baldungs in diesen Fällen ausgesehen haben, wel-
chen Maßstab und welchen Grad der Durchführung sie besaßen, davon vermittelt die Londoner Kopie des Entwurfs
zur Scheibe Maria am Webstuhl aus der Feder des Zürcher Malers Hans Leu d.J. von 1510 - also fünf Jahre nach dem
ausgeführten Glasgemälde - noch eine recht genaue Vorstellung (Fig. 70). War bereits die Visierung entsprechend sorg-
 
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