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Gast, Uwe; Rauch, Ivo
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Oppenheim, Rhein- und Südhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.52850#0076
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ARMSHEIM • PFARRKIRCHE

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scheint, wie es zuerst von Kurfürst Friedrich dem Siegreichen verwendet worden ist, kann die Einwölbung des Lang-
hauses erst ab 1470/71 erfolgt sein10, nachdem Armsheim im Weißenburger Krieg an Kurpfalz gefallen war (hierzu
und zum Folgenden s. Kunstgeschichtliche Einleitung S. 48). So war die Kirche vermutlich kaum vollendet (Turmbau
ca. i47off.) und ausgestattet, als sie nach dem Bericht des Johannes Trithemius 1504 im Landshuter Erbfolgekrieg
»zerstört« wurde. Ungleich größer als die Schäden jenes Brandes waren aber wohl die Zerstörungen der Ausstattung
während der Reformation 156511. 1587 wieder in unclagbaren Bauwn, erhielt die Kirche in nachreformatorischer Zeit
auf der Langhaus-Nordseite eine Empore (1738) und wurde 1845/1847, 1909-1911, zuletzt 1968-1982 jeweils umfas-
send instand gesetzt13.
So gering wie die materielle Überlieferung ist auch unser Wissen um die Geschichte der mittelalterlichen Verglasung.
Weder ihre Auftraggeber - in erster Linie wohl die Bau- und Patronatsherren14 - noch die ausführenden Glasmaler
sind bekannt, und ungewiss ist, was von dieser Verglasung überhaupt erhalten war, als im November 18 59 ein »furcht-
bares Hagelwetter« die Kirchenfenster zerstört hatte15. Nach verschiedenen Reparaturen in der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts16 waren zumindest die Chorfenster mit einer neuen, lichten - mit Ölfarben gemalten? - Ornament-
verglasung versehen, welche Reste der mittelalterlichen Verglasung nur noch in der Mittelbahn des Achsenfensters
(9b) und in weitgehend allen Kopf- und Maßwerkscheiben der Fenster Chor I, nord II und süd II enthielt (Fig. 4);
das mittelalterliche Feld in Chor I, 9b wurde 1887 von dem Glaser Theodor Messinger in Alzey neu verbleit und [...]
ergänzt (s. Reg. Nr. 1). Im Zuge ihrer Instandsetzung 1909-1911 erhielt die Kirche im Chor eine Neuverglasung Otto
Linnemanns, wobei auf Empfehlung des Denkmalpflegers Paul Meißner die alten Scheiben - mit Ausnahme der in die
Sakristei versetzten Rechteckscheibe - wiederverwendet wurden17. Inwieweit der mittelalterliche Bestand von einer
Beschädigung der Chorfenster gegen Ende des Zweiten Weltkriegs (1945), ihrer anschließenden Reparatur durch Linne-
mann (bzw. die Firma Klotz in Mainz) sowie ihrer Ausbesserung und Neuverbleiung im Zuge der Restaurierung
196Sff. durch die Werkstatt Meysen in Heidelberg (1969/70) betroffen war, ist offenbar nicht dokumentiert worden18.
Erhaltung: Wie die aus dem Chor in das Sakristeifenster nord II versetzte Rechteckscheibe (Fig. 6, Abb. 3, 5) haben
auch die meisten Kopf- und Maßwerkscheiben der Chorfenster I, nord II und süd II (Fig. 3, 5, Abb. 2,4, 6) mittelalter-
liche Glassubstanz bewahrt. Der Zustand, in dem diese Scheiben überliefert sind, geht im Wesentlichen auf Otto Linne-
mann zurück, der sie im Zuge der Neuverglasung des Chores 1911 restauriert hatte. Wie eine ältere Aufnahme des
Architekten Karl Bronner vermuten lässt, waren sie vor der Restaurierung soweit »intakt« (Fig. 4), dass Linnemann
sie nach Befund wiederherstellen bzw. rekonstruieren konnte; die Komposition - namentlich der Kopf- und Maß-
werkscheiben - darf folglich als gesichert angesehen werden. Dies ist zu betonen, da der Bestand - mit Ausnahme der
Sakristei-Scheibe - nicht aus der Nähe untersucht werden konnte und die Angaben zur Erhaltung daher summarisch
bleiben müssen (vgl. Vorbemerkung zum Katalog).

Bickel 2004, S. 29, 38. In die zweite Hälfte der 1470er-Jahre ver-
weist auch die vom Mainzer Erzbischof genehmigte Stiftung zweier
Altäre (1477); Böhn 1958,S. 115. — Zum Wappen s. Harald Drös, Löwe,
Rauten, roter Schild. Zum Wappen der pfälzischen Wittelsbacher im
Spätmittelalter, in: AK Heidelberg 2000, S. 105-116, hier S. 114.
11 Hierzu ausführlich Steitz 1985, S. 19!.
12 Kurpfälzisches Baubuch 1587, zitiert nach Diehl 1932,8. 114.
13 Zu den Maßnahmen im Einzelnen: Paul Meissner, in: JberDpflGH
2, 1908-1911, S. 217-219, und 3, 1910-1913, 5.229!.; Diehl 1932,
S. 114-117; Regine Dölling, in: DpflRP 34-36, 1979—1981, S. 196,
und 37/38, 1982/83, S. 207L Vgl. auch Steitz 1985, S. 24-26, und
Bickel 2004, S. 52-54.
14 Als Patronatsherren werden von Böhn 1958, S. 115, die Herren von
Löwenstein genannt, ein pfälzisches Adelsgeschlecht, das zwar in en-
gen Beziehungen zu den Grafen von Veldenz als den Ortsherren stand,
als Inhaber der Patronatsrechte aber nicht nachzuweisen ist, auch nicht
in Person Siegfrieds von Löwenstein (f 1433), des Prokurators der Kir-
che, dessen Grabstein in Armsheim erhalten ist; s. Bickel 2004, Abb.
S. 45. Vermutlich ging das Patronatsrecht 1444 von Graf Friedrich III.
von Veldenz auf Pfalzgraf Stephan und dessen Sohn Ludwig über, um
dann 1470/71 an Kurpfalz zu gelangen.

15 So überliefert es Durst (1931) (s. Bibi.), S. 12, auf Grundlage
der Pfarrchronik; vgl. Bickel 2004, S. 53. - Wie aus einer größeren
Zahlung an den Glaser Peter Faust hervorgeht, gab es bereits in den
iS4oer-Jahren ein Unwetter mit Hagelschäden; Rechnung 1845/47,
pag. 16 (Armsheim, PfA, Nr. 423).
16 In den Rechnungsbüchern der Pfarrkirche sind Glaserarbeiten,
welche die Ergänzung oder Neuanfertigung einzelner Felder der
Chorfenster betrafen, zwischen 1860/62 und 1872/74 unter der betref-
fenden Rubrik nahezu jährlich ausgewiesen; Armsheim, PfA, Nr. 436,
438, 442, 444 und 447.
17 Paul Meissner, in: JberDpflGH 2, 1908-1911, S. 218.
18 Zu den Kriegsschäden liegen kurze Berichte von Ernst Stephan,
Staatliches Hochbauamt Alzey, vom 14. Mai bzw. i.Juni 1946 vor;
Armsheim, PfA, Nr. 127. Siehe hierzu auch Bickel 2004, S. 51. Vgl.
außerdem die Aktennotizen vom 22. Nov. 1954 und 13.N0V. 1968
in der GDKE RP, Direktion Landesdenkmalpflege, Mainz, II-A /
Armsheim, Ev. Kirche, Teil I (1954-1980) und II (1981/82). Für die
mittelalterlichen Verglasungsreste sind die Dokumente wenig auf-
schlussreich.
Für weitere Auskünfte sei Pfarrer Kurt Bendler, Armsheim, herzlich
gedankt.
 
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