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OPPENHEIM • KATHARINENKIRCHE
Diese denkbar knappen Hinweise auf die ursprüngliche Farbverglasung des Obergadens lassen darauf schließen,
dass es dort monumentale Heiligenfiguren und/oder bahnübergreifende szenische Darstellungen gegeben hat, mit
denen das Bildprogramm in den Seitenschiffen fortgesetzt und inhaltlich ausgeweitet worden sein dürfte. Bei letzteren
Fenstern zeichnet sich immerhin eine programmatische - möglicherweise auch für die Obergadenfenster verbindliche
- Zweiteilung ab: in eine als »Erzählung« konzipierte Nordseite, deren lehrhafte Bildfolge sich dem Gläubigen beim
Eintritt in den Bau durch die Portale im Süden erschloss, und in eine repräsentativ gestaltete Südseite, die auf die Stadt
hin ausgerichtet war. Vermutlich deshalb lassen sich auch kaum Bezüge zu den Patrozinien der Altäre in den Seiten-
schiffkapellen feststellen, die, jeweils in der Abfolge von Osten nach Westen, auf der Nordseite die Titel Barbara,
Maria Magdalena, Martin/Hl. Grab und Allerheiligen und auf der Südseite die Titel Anna, Laurentius, Drei Könige
und Leonhard trugen192. Eine »Akkumulation von Patrozinien« stellt dabei das Fenster nord IX dar, da in ihm mit
Barbara, Margarete und Maria Magdalena Heilige dargestellt sind, denen Altäre auf der Nordseite gewidmet waren
(zum Altar der Hl. Margarete s. S. 284)193, und mit dem Märtyrer Laurentius war im Fenster süd IX anscheinend ein
weiterer Heiliger in unmittelbarer Nähe des ihm gewidmeten Altars präsent. Sollte die Obergadenverglasung aber
anders konzipiert gewesen sein als die Verglasung der Seitenschiffe, wäre zu erwägen, dass auch in ihr mit entspre-
chenden Darstellungen Bezug auf die Altartitel der Kapellen genommen worden sein könnte.
Was die Stifter der Fenster betrifft, so hat bereits Ivo Rauch darauf hingewiesen, dass im Langhaus, im Unterschied
zum Chor, weder das Reich in Person des Königs noch die Gruppe der Burgmannen als Stifter zu fassen sind; Letz-
tere rekrutierten sich nunmehr nachweislich aus der Stadt Oppenheim selbst bzw. deren Rat (n IX; s VIII), einzelnen
Zünften wie der Korporation der Schneider (N V) und einzelnen wohlhabenden bürgerlichen Familien bzw. Fami-
lienverbänden in herausgehobener Position (n VIII; s IX), zum einen der weitverzweigten Familie Herolt und zum
anderen der Familie Zur alten Münze, die als Inhaber des gleichnamigen Hauses das Recht zu Münzprägung sowie
Geld- und Wechselgeschäften aller Art besaß194. Als Mitglieder des Rats waren zwar auch 16 Burgmannen mit ihren
Wappen im Fenster süd VIII präsent, und allgemein war der Niederadel, wie die Wappen Von der Porten zu Montfort
und Beyer von Bellenhofen im Fenster süd IX belegen dürften, von den Stiftungen nicht ausgeschlossen; auffällig
bleibt jedoch die Dominanz städtischer Repräsentation in der östlichen Hälfte des Langhauses, worin - nicht zuletzt
in der sog. Ratsrose - ein mit Bedacht platziertes Gegengewicht zur Repräsentation des Reichs im Chor, hier insbe-
sondere im Chorfenster nord II zu sehen ist195.
Für die westliche Hälfte des Langhauses sind die Stiftungszusammenhänge nicht mehr zu klären. Während es in den
Fenstern nord X und nord XI an allen Hinweisen auf deren Stifter fehlt196, waren in süd X und süd XI bis zur Restau-
rierung 1843—1845 zwar einzelne Wappen erhalten (Fig. 182, 233, 345, Abb. 238), doch ist es bisher nicht gelungen, sie
zweifelsfrei zu identifizieren. Bekannt ist lediglich, dass der Altar des Hl. Leonhard unterhalb des Fensters süd XI vor
1325 von dem Oppenheimer Bürger Jakob zur alten Münze gestiftet worden war197. So besteht immerhin die Möglich-
keit, dass die Reihe bürgerlich-niederadeliger Stiftungen sich in den westlichen Jochen des Langhauses fortgesetzt hat;
außerdem ist zu erwägen, dass auch die Gemeinschaft der Kanoniker am St.-Katharinenstift, aus deren Reihen einige
wenige Einrichtungen von Pfründen überliefert sind, und der Mainzer Erzbischof als mutmaßlich treibende Kraft
beim Langhausbau als Fensterstifter vertreten waren198.
192 Zur Lage der Altäre s. die Diskussion bei Schütz 1982, S. 351—353,
355 und Fig. 15.
193 Zur »Heiligenversammlung als Akkumulation von Patrozinien«
am Beispiel von Retabeln s. Wolf 2002, S. 338!.
194 Rauch 1997, S. 67E, 69-72, 158. - Aufgrund der unsicheren Über-
lieferung sei hier nur am Rande darauf hingewiesen, dass Müller
1823-1829, S. 54, außer dem Schneider- und Tuchschererwappen auch
»einen halben Mond, als auf die Bäckerzunft deutend«, erwähnt. Vgl.
hierzu Rauch 1997, S. 69.
195 Letztlich dürfte die Erfindung der »Ratsrose« sogar aus dem Chor-
fenster n II resultieren. Denn es war keineswegs Brauch, Rosenfenster
mit heraldischen Kompositionen zu besetzen, und zwar genau dort,
wo für gewöhnlich figürliche Darstellungen standen. Vgl. Cowen
2005 (wie Anm. 2), S. 195!!.
196 Die Vermutung von Rauch 1997, S. 64, 68f., 191, dass das Lhs.-
Fenster n XI als Stiftung der Mitglieder des im Jahr 1317 eingerichte-
ten Kanonikerstifts ausgewiesen war, beruht auf der falschen Lokali-
sierung jener bei Andreae 1779, S. 78, überlieferten Darstellung der
Stiftsgründung. Vgl. hierzu auch S. 312 mit Anm. 182.
197 Clemm 1938, S. 78, 79.
198 Zu Letzterem s. Becksmann 1989, S. 377E, und vor allem Rauch
1997, S. 6of., 63-65, 68f., 72, 158, 190L, allerdings mit Einschrän-
kungen bezüglich der Stiftungstätigkeit des Erzbischofs (S. 77). - Zur
Stiftungstätigkeit der Kanoniker s. die knappen Hinweise bei Clemm
1938, S. 79.
199 Hierzu und zum Folgenden s. auch Becksmann 1989, S. 376-384.
Bei den Rosenfenstern s VIII und s XI scheint Becksmann zwar da-
von ausztigehen, dass programmatische Vorgaben ihre Architektur be-
stimmt haben könnten (S. 376-378), was m.E. wenig wahrscheinlich
ist (s. S. 322), ansonsten wird aber verschiedentlich betont, dass die
Glasmaler sich mit den gebauten Vorgaben auseinanderzusetzen hatten
(S. 379, 380).
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Diese denkbar knappen Hinweise auf die ursprüngliche Farbverglasung des Obergadens lassen darauf schließen,
dass es dort monumentale Heiligenfiguren und/oder bahnübergreifende szenische Darstellungen gegeben hat, mit
denen das Bildprogramm in den Seitenschiffen fortgesetzt und inhaltlich ausgeweitet worden sein dürfte. Bei letzteren
Fenstern zeichnet sich immerhin eine programmatische - möglicherweise auch für die Obergadenfenster verbindliche
- Zweiteilung ab: in eine als »Erzählung« konzipierte Nordseite, deren lehrhafte Bildfolge sich dem Gläubigen beim
Eintritt in den Bau durch die Portale im Süden erschloss, und in eine repräsentativ gestaltete Südseite, die auf die Stadt
hin ausgerichtet war. Vermutlich deshalb lassen sich auch kaum Bezüge zu den Patrozinien der Altäre in den Seiten-
schiffkapellen feststellen, die, jeweils in der Abfolge von Osten nach Westen, auf der Nordseite die Titel Barbara,
Maria Magdalena, Martin/Hl. Grab und Allerheiligen und auf der Südseite die Titel Anna, Laurentius, Drei Könige
und Leonhard trugen192. Eine »Akkumulation von Patrozinien« stellt dabei das Fenster nord IX dar, da in ihm mit
Barbara, Margarete und Maria Magdalena Heilige dargestellt sind, denen Altäre auf der Nordseite gewidmet waren
(zum Altar der Hl. Margarete s. S. 284)193, und mit dem Märtyrer Laurentius war im Fenster süd IX anscheinend ein
weiterer Heiliger in unmittelbarer Nähe des ihm gewidmeten Altars präsent. Sollte die Obergadenverglasung aber
anders konzipiert gewesen sein als die Verglasung der Seitenschiffe, wäre zu erwägen, dass auch in ihr mit entspre-
chenden Darstellungen Bezug auf die Altartitel der Kapellen genommen worden sein könnte.
Was die Stifter der Fenster betrifft, so hat bereits Ivo Rauch darauf hingewiesen, dass im Langhaus, im Unterschied
zum Chor, weder das Reich in Person des Königs noch die Gruppe der Burgmannen als Stifter zu fassen sind; Letz-
tere rekrutierten sich nunmehr nachweislich aus der Stadt Oppenheim selbst bzw. deren Rat (n IX; s VIII), einzelnen
Zünften wie der Korporation der Schneider (N V) und einzelnen wohlhabenden bürgerlichen Familien bzw. Fami-
lienverbänden in herausgehobener Position (n VIII; s IX), zum einen der weitverzweigten Familie Herolt und zum
anderen der Familie Zur alten Münze, die als Inhaber des gleichnamigen Hauses das Recht zu Münzprägung sowie
Geld- und Wechselgeschäften aller Art besaß194. Als Mitglieder des Rats waren zwar auch 16 Burgmannen mit ihren
Wappen im Fenster süd VIII präsent, und allgemein war der Niederadel, wie die Wappen Von der Porten zu Montfort
und Beyer von Bellenhofen im Fenster süd IX belegen dürften, von den Stiftungen nicht ausgeschlossen; auffällig
bleibt jedoch die Dominanz städtischer Repräsentation in der östlichen Hälfte des Langhauses, worin - nicht zuletzt
in der sog. Ratsrose - ein mit Bedacht platziertes Gegengewicht zur Repräsentation des Reichs im Chor, hier insbe-
sondere im Chorfenster nord II zu sehen ist195.
Für die westliche Hälfte des Langhauses sind die Stiftungszusammenhänge nicht mehr zu klären. Während es in den
Fenstern nord X und nord XI an allen Hinweisen auf deren Stifter fehlt196, waren in süd X und süd XI bis zur Restau-
rierung 1843—1845 zwar einzelne Wappen erhalten (Fig. 182, 233, 345, Abb. 238), doch ist es bisher nicht gelungen, sie
zweifelsfrei zu identifizieren. Bekannt ist lediglich, dass der Altar des Hl. Leonhard unterhalb des Fensters süd XI vor
1325 von dem Oppenheimer Bürger Jakob zur alten Münze gestiftet worden war197. So besteht immerhin die Möglich-
keit, dass die Reihe bürgerlich-niederadeliger Stiftungen sich in den westlichen Jochen des Langhauses fortgesetzt hat;
außerdem ist zu erwägen, dass auch die Gemeinschaft der Kanoniker am St.-Katharinenstift, aus deren Reihen einige
wenige Einrichtungen von Pfründen überliefert sind, und der Mainzer Erzbischof als mutmaßlich treibende Kraft
beim Langhausbau als Fensterstifter vertreten waren198.
192 Zur Lage der Altäre s. die Diskussion bei Schütz 1982, S. 351—353,
355 und Fig. 15.
193 Zur »Heiligenversammlung als Akkumulation von Patrozinien«
am Beispiel von Retabeln s. Wolf 2002, S. 338!.
194 Rauch 1997, S. 67E, 69-72, 158. - Aufgrund der unsicheren Über-
lieferung sei hier nur am Rande darauf hingewiesen, dass Müller
1823-1829, S. 54, außer dem Schneider- und Tuchschererwappen auch
»einen halben Mond, als auf die Bäckerzunft deutend«, erwähnt. Vgl.
hierzu Rauch 1997, S. 69.
195 Letztlich dürfte die Erfindung der »Ratsrose« sogar aus dem Chor-
fenster n II resultieren. Denn es war keineswegs Brauch, Rosenfenster
mit heraldischen Kompositionen zu besetzen, und zwar genau dort,
wo für gewöhnlich figürliche Darstellungen standen. Vgl. Cowen
2005 (wie Anm. 2), S. 195!!.
196 Die Vermutung von Rauch 1997, S. 64, 68f., 191, dass das Lhs.-
Fenster n XI als Stiftung der Mitglieder des im Jahr 1317 eingerichte-
ten Kanonikerstifts ausgewiesen war, beruht auf der falschen Lokali-
sierung jener bei Andreae 1779, S. 78, überlieferten Darstellung der
Stiftsgründung. Vgl. hierzu auch S. 312 mit Anm. 182.
197 Clemm 1938, S. 78, 79.
198 Zu Letzterem s. Becksmann 1989, S. 377E, und vor allem Rauch
1997, S. 6of., 63-65, 68f., 72, 158, 190L, allerdings mit Einschrän-
kungen bezüglich der Stiftungstätigkeit des Erzbischofs (S. 77). - Zur
Stiftungstätigkeit der Kanoniker s. die knappen Hinweise bei Clemm
1938, S. 79.
199 Hierzu und zum Folgenden s. auch Becksmann 1989, S. 376-384.
Bei den Rosenfenstern s VIII und s XI scheint Becksmann zwar da-
von ausztigehen, dass programmatische Vorgaben ihre Architektur be-
stimmt haben könnten (S. 376-378), was m.E. wenig wahrscheinlich
ist (s. S. 322), ansonsten wird aber verschiedentlich betont, dass die
Glasmaler sich mit den gebauten Vorgaben auseinanderzusetzen hatten
(S. 379, 380).