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Bömer, Aloys [Editor]; Degering, Hermann [Honoree]
Mittelalterliche Handschriften: palaeographische, kunsthistorische, literarische und bibliotheksgeschichtliche Untersuchungen ; Festgabe zum 60. Geburtstage von Hermann Degering ; mit 1 Farbentaf. und 16 Taf. in Lichtdr. — Leipzig, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.44802#0015
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VON DER VERSCHOLLENEN
BIBLIOTHEK DES KLOSTERS LEHNIN
VON GUSTAV ABB, BERLIN
Mit 1 Abbildung
\ 7E 7ENN im Nachfolgenden der Versuch gemacht wird, alles das zusammenzutragen,
V V was sich über die Büchersammlung des ansehnlichsten märkischen Klosters bis
jetzt ermitteln läßt, so möge es mir unser hochverehrter Jubilar verzeihen, daß ihm
statt des wohlgeformten Gefäßes eines abgeschlossenen Forschungsergebnisses hier
nur ein Sack voll Scherben überreicht wird, aus denen, durch weitere Funde glücklich
ergänzt, vielleicht einmal etwas Ganzes entstehen kann. Aber er weiß ja selbst aus
reicher Erfahrung als Gelehrter und als Bibliothekar, daß uns beharrliches Suchen
oft nicht minder tief in die verschütteten Gänge versunkenen Lebens eindringen
läßt, als erfolgreiches Finden, und wie sehr es gerade bei Provenienzfragen neben
methodischer Quellenverwertung auf Zufall und die Achtsamkeit Unbeteiligter an-
kommt, um auch dieses Stückwerk in seiner Art gelten zu lassen.
Was hier gesucht und nicht gefunden wird, sind freilich keine Schätze! Weder
die verlorene Handschrift eines antiken Klassikers noch einen frühmittelalterlichen
Kodex darf man unter den Büchern des Klosters Lehnin vermuten. Sie enthielten
nicht mehr und nicht weniger als die landläufige Klosterliteratur hauptsächlich in
Bänden des 15. Jahrhunderts, höchstens mit einer stärkeren Betonung juristischer
Interessen. Aber im Rahmen der märkischen Geschichte betrachtet, bleibt es doch
denkwürdig, daß sich in der ländlichen Weltabgeschiedenheit der Zauche eine
Büchersammlung von solchem Umfang bilden konnte, wie es die unseres Klosters
gewesen ist.
Map muß dabei im Auge behalten, daß ein brandenburgisches Zisterzienserkloster
für die Pflege höheren Geisteslebens einen recht ungünstigen Boden hergab. Das
lag schon an der inneren Einstellung des Ordens, der seine Konventualen in das
kulturarme Land östlich der Elbe hinaussandte. Es ist bekannt, daß die Mönche
von Citeaux im Gegensatz zu dem älteren Orden, dessen Niederlassungen in der
Beschaulichkeit, die Reichtum und Macht gewährleisten, vielfach zu Stätten hohen
künstlerischen und wissenschaftlichen Strebens gediehen waren, bewußt auf die
Grundsätze Benedikts von Nursia, des Stifters des Mutterordens, zurückgriffen.
Sie erneuerten das Ideal des Armen im Geist, der sich von Handarbeit ernährt, und
verschmähten die Sammlung literarisch-wissenschaftlicher Schätze ebenso wie die
 
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